Kai Lahmann: (HTML) Re: XHTML 2 und Mozilla oder: war das alles?

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hi

Der dennoch entstehende Konsens ist eher eine Farce, wenn man bedenkt, in wieweit der Standard faktisch bindend ist.

Dafür muss man mal etwas in der Geschichte des W3C stochern, das ja in dieser Form noch gar nicht so alt ist. Der erste W3C-Standard im heutigen Sinne war HTML 3.2, wo man ja überhaupt erst anfing die Realität zu beachten - HTML 3.2 beinhaltete ja auch noch das meiste, was heute MathML heißt...
Mit HTML 4.0 wurden dann vermehrt auch Ideen eingebracht, die zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht längst Normalität waren - doch die Browserhersteller, allen voran Microsoft und Netscape waren nicht auf Kompatibilität aus, jeder suchte sich das aus dem Standard raus, was man interessant fand und dichtete sich unzählige Dinge dazu, Microsoft hatte hier seinen DHTML-Wahn und bei Netscape machte man weiter wie bisher - hatte nur leider vergessen, dass durch CSS weitere Layout-Tags weitgehend überflüssig geworden sind. Bis zuletzt wollte man wohl auch daher lieber seine "JSSS" haben. Daher kommt ja auch noch der Bug in Netscape 4, das ohne JS auch kein CSS geht.
Dann ging es mit Netscape den Bach runter, die Firma hatte keine Einnahmen, das eigene DHTML-Konzept war unausgereift und dem von Microsoft weit unterlegen. Unterdessen hatte man bei Microsoft jetzt angefangen etwas mehr aus dem Standard zu implementieren, unter anderem auch das dortige DHTML-Konzept, dass im Gegensatz zum eigenen Modell nicht an HTML gebunden war, sondern auch mit dem neuen Konzept "XML" funktionierte. Bei Netscape hatte man unterdessen den Quellcode des Netscape 4 freigegeben - das Programm war völlig an den Standards vorbei geschrieben worden und insofern nur sehr bedingt als Basis für ein OpenSource-Projekt geeignet. Die Unzuverlässigkeit der Engine und der Code, der seit Netscape 1.0 einfach nur immer erweitert wurde taten ihr übriges dazu, dass man bei 0 anfing.
Nun kam ein Problem auf - der Browser war immer noch ein Netscape-Projekt und als solches zu erkennen, doch die Webseiten erwarteten von einem Netscape-Browser, das er sich nicht um die Standards kümmert. Auch eine Vollständige Kompatibilität zum IE war nicht sinnvoll, da auch der tonnenweise Altlasten mit sich rumschleppt, die mit den Standards nichts zu tun haben. Also musste man den Leuten "da draußen" erstmal klarmachen, dass es einen offiziellen Standard gibt und es auch sinnvoll ist, sich an diesen zu halten. Unterstützung gab es dabei keine, auch nicht von einigen anderen Browserprojekten, die unzwischen aufgetaucht sind. Bei Opera suchte man eh nur ständig nach Gründen, warum man etwas nicht implementieren muss, da das viel zu kleine Entwicklerteam völlig überfordert war, außerdem musste man mit dem Browser Geld verdienen - also investierte man gelegentlich lieber Arbeit in die Kompatibilität zu Microsoft, als zu Standards, die dann eh keiner nutzt. Nur ein paar kleinere "Prestigeprojekte" gab es, damit man immer schön schreien konnte "wir sind die besten bei den Standards"... Kaum brauchbarer im Kampf für die Standards erwieß sich das KDE-Projekt, wo man zwar weitaus mehr Entwicklerpotential hatte, aber lange Zeit besser mit Microsoft's document.all and mit dem echten Standards zurecht kam. Damit blieb als weiterer standardverträglicher Browser ausgerechnet nur der IE selbst über... und tatsächlich kam dabei etwas heraus: auch Microsoft beginnt behutsam seine unzähligen Erweiterungen abzubauen, der MSIE6 legt bei der Standard-Verträglichkeit massiv zu, bleibt dank Sloppy mode aber kompatibel zum IE5.x. Eine ähnliche Idee gibt es auch bei Mozilla - nur hier noch viel extremer. Während man sich im Sloppy mode genauso unlogisch verhält, wie es üblich ist und wie es der Vorgänger tat, werden die Standards im "normalen" Modus genau umgesetzt. Geblieben ist nur das document.all Problem, doch was soll Microsoft machen? Es einfach rauswerfen? Nicht, solange es immer noch von den meisten Seiten genutzt wird - man wartet einfach ab und wird das ganze dann wohl irgendwann, wenn man der Meinung ist, dass die Seiten eh alle umgestellt haben rauswerfen. Nur: das kann noch dauern. Ähnliches gilt für den Sloppy mode - jedem ist klar, das dieses Konzept kein Modell für die Zukunft ist, es dient nur dazu, dass die Web-Autoren nicht von einem Tag auf den anderen im Chaos versinken.
Ich vermute, dass das ganze so weitergehen wird: Der nächste IE wird einige Dinge, die einfach nur unter "aberwitzige Fehlerkorrektur" fallen nicht mehr akzeptieren. Im Standards-Mode wird man weiter an der Standard-Umsetzung feilen und so auch unzählige weitere Abweichungen in den Quirks verbannen.
Bei Mozilla/Netscape werden ebenfalls die Quirks, die durch das Verschwinden von Netscape 4 unnötig geworden sind rausgeworfen. Umso weniger Seiten mit dem Oldtimer getestet werden, umso seltener werden diese Fehler vom Browser erwartet.
Die Sache hat nur einen Haken: zum einen funktioniert das nur, wenn die User weiterhin so updatefreudig sind, wie bisher, zum anderen müssen auch die kleinen Browserhersteller mitmachen und so dafür sorgen, dass man den Web-Autoren den Standards-mode schmackhaft macht, indem sie eben hier weitere Möglichkeiten haben, die ihnen sonst nicht zur Verfügung stehen. Gleichzeitig darf der Standards-moduls sie auf keinen Fall in den Möglichkeiten einschränken, weshalb eben auch non-Standard-Erweiterungen hierhin übernommen werden sollten.

Lange Rede, kurzer Sinn:
Das ganze funktioniert nur, wenn die User sich von ihren alt-Browsern trennen, egal ob das MSIE5.x, konqueror 2.x oder gar unser alles Liebling *g* Netscape 4 ist.

Grüße aus Bleckede

Kai