molily: Antizionismus ist Ehrensache

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Hallo,

Genrell empfehle ich die Lektüre aller Wikipedia-Artikel zu dem Thema, http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus ist ein guter Startpunkt. Ich sehe diese Artikel als relativ neutral an, während hingegen du sie wahrscheinlich als »zionistische Propaganda« empfinden wirst, aber gut, das sollte dich nicht am lesen hindern.

Antisemitismus ist kein aus heutiger Sicht ethnologisch korrekter Begriff, es geht da nicht um semitische Ethnien, zu denen ja auch die Araber gezählt werden.

Antisemitismus als Begriff ist Ende des 19. Jahrhunderts von Leuten erfunden wurde, die sich selbst als Antisemiten bezeichneten. Sie säkularisieren dabei den christlichen Judenhass, der mit Judenprogromen und Ghettoisierung das ganze europäische Mittelalter sowie die frühe Neuzeit durchzog.

»Semitisch« im Begriff Antisemitismus bezieht sich ausdrücklich nicht auf alle semitischen Ethnien, sondern ganz speziell auf die jüdische »Rasse«. (In der Zeit war die Ethnologie generell von Chauvinismus und Rassismus geprägt, die anderen semitischen Ethnien wurden in anderer Weise geringgeschätzt, auf diese bezieht sich der programmatische Antisemitismus nicht.)

http://de.wikipedia.org/wiki/Antisemitismus_bis_1945#Eigenbezeichnung_von_Judengegnern

Insofern zeugt es von absoluter Uninformiertheit oder auch heimtückischer Strategie, die Handlungen des Staates Israel als »antisemitisch« zu bezeichnen, weil sie Semiten deren Ziel sind. Genauso oberpeinlich ist es, den Vorwurf des Antisemitismus damit abzuschmettern, man habe nichts gegen Semiten bzw. sei selbst einer.

Dem Antisemitismus ist eigen, dass die Juden und das Jüdische als die treibende Kraft hinter allen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen vermutet wird, die die Antisemiten ablehnen - die vielzitierte jüdische Weltverschwörung halt. Zitat Wikipedia:

»›Der Jude‹ … wurde nun Inbegriff aller als negativ erlebten und gedeuteten Zeiterscheinungen. Er stand für die Antisemiten hinter allen von ihnen abgelehnten modernen Wissenschafts-, Staats- und Gesellschaftstheorien: Aufklärung, Rationalismus, Liberalismus, Materialismus, Internationalismus, Individualismus, Pluralismus, Kapitalismus, Demokratie, Sozialismus, Kommunismus.«

Zionismus ist geschichtlich erst einmal eine nationale Bewegung von intellektuellen Juden in der europäischen Diaspora, die die Gründung eines jüdisch geprägten Staates in Palästina als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus vorsieht. Insofern ist der Staat Israel ist ein zionistisches Projekt. Juden besiedeln Palästina und nach dem eliminatorischen Antisemitismus des NS-Regimes, der Shoah, wird dieser auch gegründet.

Was auch immer der Zionismus für Blüten getrieben hat - ich lasse einmal unkommentiert, ob die vergangenen Kriege, die zu den jetzigen Grenzen geführt haben, gerechtfertigt waren oder nicht, ebenso der Siedlungsbau, der Sicherheitszaun, die Wiederbesetzung des Gaza-Streifens und Libanons -, grundsätzlich heißt Zionismus aus Sicht von Zionisten, sich für die Fortexistenz des Staates Israels einzusetzen. Das geht dann bei vielen auch damit einher, Kriege gegen die (selbsternannten) Feinde Israels zu legitimieren. Mit der grundsätzlichen Verteidigung des Staates Israel gehen die meisten politischen Gruppierungen in Deutschland konform.

Aus Sicht der meisten »Antizionisten« (Selbstbezeichnung) ist Zionismus eine Weltherrschaftsideologie bzw. eine Weltverschwörung. Islamistischer »Antizionismus« bedient sich dabei durch die Bank den Motiven des programmatischen Antisemitismus europäischer, insbesondere nationalsozialistisch-deutscher Prägung. Hass gegen den Staat Israel und Juden gehen da zumeist Hand in Hand, ob ausdrücklich oder versteckt.

Aus Sicht der Antizionisten war bereits die Schaffung eines des israelischen Staates ein Unrecht und jede darauffolgende Handlung zur Erhaltung eben jenes Staates auch (wie du auch argumentierst). Notwendigerweise erkennen diese Antizionisten das gegenwärtige Existenzrecht des Staates Israels nicht an. Die besagte Haltung »das hätte niemals passieren dürfen« hängt bei zahlreiche Antizionisten nun einmal unzertrennlich damit zusammen, dass sie versuchen, Juden umzubringen und den Staat Israel militärisch zu bekämpfen (Hamas, Hisbollah, Islamischer Dschihad, al-Aksa-Märtyrerbrigaden und wie sie alle heißen). Oder sie versuchen zumindest das ihnen Mögliche zur Vernichtung Israels beizutragen bzw. lassen die Terroristen ungehindert schalten und walten (Iran, Syrien, Al Kaida, Ba'athisten, zahlreiche europäische Rechte und auch einige Linke, ... und Muslim-Markt).

Antizionisten stellen sich freilich als ganz vernünftige Kritiker des Zionismus dar, denn »man wird doch wohl noch Israel kritisieren dürfen!« Mit total hirnrissigen Argumenten wie »wir sind doch auch Semiten« kontern sie Antisemitismus-Vorwürfe und behaupten, sie hätten nichts gegen Juden, nur gegen Zionisten. Dabei müssen sie gar nicht ihren Judenhass offen zur Schau tragen, um Antisemiten zu sein, tatsächlich machen die meisten deutschen Antisemiten das nicht, sondern ziehen sich das Biedermännner-Antizionistenhemd über (z.B. NPD, »Freie Kameradschaften« und Co.).

Was sind nun die antisemitischen Muster bei einer wahllos herausgegriffenen Meldung des Muslim-Marktes?

http://f25.parsimony.net/cgi-bin/topic-flat.cgi?Nummer=63498&Phase=Phase1&ThreadNummer=44615

»Der Zionismus stürzt die westliche Welt in eine schwere Krise«

Aha, der Zionismus ist an der Krise der westlichen Welt Schuld, na klar.

»es scheint nur noch einen Ausweg zu geben: Die Überwindung des Zionismus«

Natürlich, an allem ist Israel Schuld und deshalb muss Israel zerstört werden, oder?

»Und trotz vierwöchigem Dauerbombardements des Libanons, Zerstörung der Infrastruktur, Ermordung von mehr als 1000 Zivilisten, ist es nicht im Geringsten gelungen, die Hizbullah zu schwächen! Im Gegenteil: Jetzt hat die Hizbullah mehr christliche Unterstützer als je zuvor «

Na, dann kann ja nichts falsch an der Hisbollah sein!

»und die muslimischen Völker stehen alle hinter ihr!«

Aha, die Verfasser stehen hinter der Hisbollah.

»Israel habe einseitig den Gazastreifen verlassen, habe sogar Siedlungen geräumt, und sei dafür nicht belohnt worden (...) Ein Raubmörder überfällt eine Großfamilie (...)«

Eine ziemlich verzerrende Darstellung der Umstände, in denen Israel in den Besitz des Gaza-Streifens gekommen ist. Was auch immer Israel getan hat, legitimiert werden die Handlungen der Terrororganisationen (Angriffe auf Grenzposten, Entführung von Soldaten), auf die sich »nicht belohnt« bezieht.

»Alles, was sie in den letzten 50 Jahren getan haben, wird ihnen eines Tages vergolten werden – so Gott will.«

Legitimation von Gewalt und Terror.

»Die Anführer Israels werden vor einem internationalen Tribunal abgeurteilt werden«

Obskure endzeitliche Vision, in der Israelis ewige Qualen angetan werden.

»und so auch jene Banken, die Israels Völkerrechtsverbrechen massiv mitgetragen haben«

Der Topos vom »internationalen jüdischen Finanzkapital« und der Verstrickung von USAs und Israels.

»Trotzt gegenteiliger Behauptungen aus Israel und der tagtäglichen Propaganda in den westlichen Medien sei darauf verwiesen, dass der bewaffnete Widerstand einer unter Besatzung lebenden Bevölkerung durchaus vom Völkerrecht gedeckt ist.«

Legitimation von islamistischem Terror mit dem Völkerrecht, Verklärung des eliminatorischen Antisemitismus der Hamas u.a. als legitimer Widerstand gegen eine willkürliche Besatzung.

»Die Hizbullah soll vernichtet werden als Vorstufe zum Krieg gegen die Islamische Republik Iran.«

Der Topos vom israelischen Imperialismus: Israel will den Islam ausrotten und am liebsten alle umliegenden Länder in Schutt und Asche legen.

»All das dient nicht dazu, früher oder später eine Resolution zu verabschieden, sondern der westlichen Welt und ihren tagtäglich kritischer werdenden Bevölkerungen vorzugaukeln, dass man sich angeblich um einen Waffenstillstand bemühe. In Wirklichkeit geht es wohl aber darum, den Krieg auszuweiten und dafür Zeit zu gewinnen.«

Aha, alle europäischen Staaten sind mit Israel verschworen und also zionistisch unterwandert.

»Nach Ansicht von Beobachtern ist dabei unklar, ob ein bundesdeutscher Außenminister voll und ganz in diese Art der Verschwörung integriert ist«

Da ist sie, die jüdisch-zionistische Weltverschwörung.

»Es gibt einen „Judenstaat“, der sich nicht nur als solcher versteht, sondern auch in jeder Hinsicht „Juden“ als „Volk“ bevorzugt.«

Topos des zionistischen Rassimus: War es noch Element des klassischen Antisemitismus, die Juden als Rasse zu definieren, behauptet der moderne Antisemitismus, Juden bezeichneten sich selbst als überlegene »Rasse«, um eine vermeintliche rassistische Homogenität in Israel schaffen zu wollen. Natürlich definiert sich Israel als (religiös-kulturell) jüdischer Staat, tatsächlich es ein Vielvölkerstaat mit verschiedenen Kulturen (vor allem innerhalb der jüdischen Kultur) und um Längen liberaler und pluralistischer als die angrenzenden islamisch geprägten Staaten.

»Es gibt einen Staat, dessen Politiker dieses sehr deutlich aussprechen und den Zionismus als Grundursache all der Konflikte in der Region ...«

Aha, die Ursache aller Konflikte ist allein Israels Fehlverhalten.

»... brandmarken, und das ist die Islamische Republik Iran.«

Solidaritätsbekundung mit dem Iran, dessen Präsidentenclown keine Gelegenheit auslässt, die Vernichtung Israels zu fordern.

»Stationierung der halben US-Armee in der Region bildeten den Auftakt zu dem Kampf der direkten Vernichtung der Islamischen Republik Iran«

Aha, die Ideologie, die hinter dem USA-Engagement in Nahost steht, ist der Zionismus, die USA sind klar zionistisch unterwandert.

»Weitsichtige Beobachter haben keinen Zweifel daran, dass dieser Krieg bis zum „Endsieg“ durchgeplant ist.«

Vergleich des herbeihallunizierten Weltverschwörungszionismus mit dem Nationalsozialismus.

»ein saudischer Hofgeistlicher hat sogar eine „Fatwa“ gegen den libanesischen Widerstand herausgegeben und gegen alle, die für den Widerstand beten!«

Autoren sympathisieren mit dem »Widerstand« der Hisbollah.

»Dieses ganze verlogene System hat abgewirtschaftet und etwas Neues steht vor der Tür. Wir haben es in der Hand daran beteiligt zu sein, ein vom Zionismus befreites Heiliges Land mit aufzubauen«

Klarer könnte man den Willen zur Vernichtung Israels nicht formulieren.

»in dem Juden, Christen und Muslime in Frieden miteinander leben«

Na, klar, den »Frieden« will ich sehen! Gibt es da ein Platz für queers, oder werden die gelyncht, wie man immer wieder aus den PA-Gebieten hört?

»Israel und USA ziehen an einem Strang, und USA ist derzeit der Inbegriff des Raubtierkapitalismus (...) Boykottieren wir USA und Israel in allen uns möglichen Lebensbereichen.« usw.

Der typische antisemitische Antikapitalismus/Antiimperialismus.

»Wehren wir uns mit den erlaubten und uns möglichen Mitteln.«

= Muslime, geht auf die Straße und verkündet eure Solidarität zur Hisbollah.

»Heute ist den Muslimen ein christlicher Regierungschef aus dem fernen Südamerika viel nähe«

Das ist wohl eine Anspielung auf Hugo Chavez, der ein glühender Anhänger des Oberantisemiten Achmadinedschad ist und sagte, Israel verübe an den Libanesen dieselben Handlungen, die Hitler an den Juden verübt hätte.

Alles in allem finden sich in diesem Text verklausuliert und verkappt unzählige Elemente des Antisemitismus. Die Autoren wissen genau, für welche Formulierungen sie belangt werden können. »Antizionismus« ist hier nichts anderes als die sprachliche Maskierung des Antisemitismus. Aufgeladen mit antisemitischen Topoi, esoterisch-religiösen Phantasien und demagogischer Rhetorik.

Guten Tag, Shalom, Salam. Mathias