Stonie: An alle Frauen

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Hallo Bio,

[..] Ich mag einfach diese - aus meiner Sicht latent selbstbemitleidenden - "uns Frauen geht's so schlecht, wir werden unterdrückt" Threads nicht - die interessanterweise hauptsächlich von Frauen wie Meg und Dir ausgetragen werden, die wahrscheinlich gerade nicht von den vielen Ungerechtigkeiten betroffen sind.

Fangen wir vorne an: Das erste Missverständnis, dem du aufsitzt, ist das "Selbstmitleid". Es gibt Dinge, die passieren leider Gottes hauptsächlich Frauen. Beispielsweise die Tatsache, dass es reichlich Eltern gibt, die der Ansicht sind, ein Hauptschulabschluss und eine Verkäuferinnenlehre reiche für ein Mädchen, das sowieso irgendwann heiratet und Kinder kriegt; es gibt auch reichlich viele Lehrer, die der Ansicht sind, ihre Bemühungen seien an Mädchen verschwendet; es gibt Ausbilder, die der Ansicht sind, Frauen könnten den Job, für den sie sich ausbilden lassen möchten, nicht machen; es gibt Männer, die der Ansicht sind, in jeder Frau stecke eine Blondine. Lässt sich unendlich fortsetzen. Das sind Tatsachen - mit Selbstmitleid hat das überhaupt nichts zu tun. Aber das ist ein Argument, das wir immer und immer wieder zu hören bekommen. Siehst du, wie du uns die Arschkarte 'rüberschiebst? Wenn wir nichts sagen und nichts unternehmen, wird nie jemand etwas merken. Wenn wir darüber sprechen, heisst es, wir zerflössen in Selbstmitleid, sollten uns gefälligst nicht so haben und daran denken, dass Männer es ja auch nicht leicht hätten - obwohl wir mit keiner Silbe sagen, dass wir's so ewig schwerer hätten als die Männer, wir wollen nur unsere spezifischen Probleme auch wahrgenommen wissen. Also, gut merken: Es gibt Dinge, die passieren Frauen und die ärgern die Frauen und also nehmen sich Frauen das Recht, dagegen etwas zu unternehmen - dazu gehört, dass man's allen anderen Menschen (also Frauen, Männern und auch Kindern) erzählt, damit die wissen, dass Frauen das nicht in Ordnung finden. Hast du's jetzt endlich kapiert?

Was Frauen wie mich und Meg anbelangt: Wir haben beide Eltern, die uns eben nicht Verkäuferin haben werden lassen sondern der Ansicht waren, dass Bildung auch und gerade für Frauen wichtig sei. Ich kenne Megs Eltern nicht, aber für meine kann ich da die Hand ins Feuer legen. Reden wir, wenn wir schon spezifisch werden wollen, über mich: Ich habe nie grossartige Probleme gehabt bis ich in die 8. Klasse kam. Da hatte ich dann einen Lateinlehrer, der wirklich der Ansicht war, Mädchen hätten auf Gymnasien nichts zu suchen und uns entsprechend getreten hat. Weswegen der Mann mich so tierisch auf dem Kieker hatte, kann ich nicht sagen - ich weiss aber, wie's mir in dem Jahr ging und was ich mitgemacht habe und dass die 6, die ich damals im Jahreszeugnis "geerntet" habe nichts mit meiner Dummheit oder Faulheit zu tun hatte. Ich schwör's dir: Kein Mensch wird je wieder Gelegenheit bekommen, mich so fertigzumachen wie dieser Pauker. Nach Schule und Ausbildung bin ich in meiner ersten Arbeitsstelle auf einen Chef gestossen, der der Ansicht war, er könne mir immer mal was nettes schenken und irgendwann dann Gegenleistungen dafür verlangen - was dazu führte, dass ich fristlos gekündigt und ein Zeugnis bekommen habe, das jeder Beschreibung spottet. Noch etwas später hatte ich dann einen Vorgesetzten (Arzt in einer Dienststelle des MDK), der der Ansicht war, er müsse jede Frau, die er untersuchte, auch gleich auf Ihre Eignung für sein Bett hin begutachten und mir die Ohren mit diesem "Gedankenmüll" vollstopfen. Da brauchte ich nicht aus diesem Grund zu kündigen, weil ich sowieso schon eine Umschulung beantragt hatte und die genehmigt worden war. Ich tue mir deswegen aber nicht leid, ich finde noch nicht einmal, dass ich's sonderlich schwer gehabt hätte. Ich habe nämlich jeweils die Konsequenzen gezogen - was nicht zu ändern ist, lässt man hinter sich.

Viele Frauen tun das aber nicht - weil sie's nämlich nicht sehr einfach haben, einen neuen Job zu bekommen. Ich habe da Glück gehabt. Soll ich für diese armen Menschen, die sich gezwungen sehen (von ihrem Standpunkt aus), konstante Anmache, ständiges Herabwürdigen der eigenen Leistung und ähnliches Tag für Tag auszuhalten, nicht mal das Wort ergreifen? Die meisten dieser Leute schweigen - und zwar genau deswegen, weil sie Angst vor Restriktionen haben und sie es andererseits nicht aushalten, sich obendrein noch anhören zu müssen, sie bemitleideten sich selbst. Und da fände ich es schon gut, wenn die, die da immer die Argumente wie "Was wollt ihr denn, Männern geht's doch auch nicht besser!" oder "Lasst mich doch in Ruhe mit euerem Selbstmitleid!" bringen, mal darüber nachdächten, wovon wir hier eigentlich reden. Misstände gibt es in Bezug auf Frauen zuhauf - und die kann man nur dann ausräumen, wenn man sie erkennt.

Natürlich - es gibt auch Männer, die üblen Bedingungen ausgesetzt sind und sich nicht wehren können oder mögen. Der Anteil der Frauen, die sowas mitmachen, ist leider ungleich höher - von daher denke ich, ich darf mal für und über Frauen sprechen, die Probleme der Herren der Schöpfung aussen vor lassen und die Diskussion dieses spezifischen Themas schlicht vertagen - ein andermal gern.

Dass es Frauen gibt (und davon nicht wenige), die massivem sozialen Druck ausgesetzt sind, dürfte inzwischen unstreitig sein. Allein die Suchbegriffe "Schwiegermutter" und "Selbsthilfe" bringen bei google ungefähr 180 Treffer (http://www.google.de/search?q=Schwiegermutter+Selbsthilfe&hl=de&btnG=Google-Suche). Das deutet durchaus darauf hin, dass das soziale Umfeld oft genug ein Problem für Frauen darstellt - Männer bekommen weit seltener zu hören, sie kümmerten sich nicht ausreichend um Familie und Kinder, und das obwohl sie ganztags arbeiten und selbst wenn sie ihre Abende in Vereinen und/oder Kneipen zubringen. Das ist bedauerlicherweise Realität.

Ich persönlich komme zu dem Schluss, dass eine Frau weit weniger machen kann, was sie gern möchte (geschweige denn das, was sie will), als ein Mann; wenn sie tut, was die Gesellschaft ihr vorschreibt und das auch noch gut findet, findet sie sich oft genug der Lächerlichkeit preisgegeben - das fängt schon in der Werbung an: ich denke da nur daran, wie für Waschmittel, Weichspüler und Spaghettisossen geworben wird und geht quer durch's soziale Umfeld. Frauen sehen sich weit öfter gezwungen, zu erklären, warum sie beispielsweise dreimal die Woche abends die Kinder ihrem Mann überlassen und sich irgendwelchen Aktivitäten hingeben, für die sie sich interessieren als Männer sich gezwungen sehen, warum sie regelmässig ihre Skatabende besuchen. Siehst du den Unterschied?

Ich habe nie bestritten, daß Männer und Frauen unterschiedlich sind;

Nein, du hast bestritten, dass ihre Sorgen, Nöte und Probleme sich unterscheiden.

ich denke aber doch schon, daß gerade Witze über Frauen nicht schlimmer oder weniger schlimm sind als Witze über Männer. Wenn man die unterschiedlichen Sensibilitätsschwellen berücksichtigen wollte, dann könnte man noch auf die Idee kommen, die Gesetze so zu ändern, daß eine Beleidigung einer Frau schwerer bestraft wird als die eines Mannes etc.. Das fände ich etwas grotesk. Witze wirken dann verletzend, wenn sie entweder einen wahren Kern haben oder aber permanent wiederholt werden. Beides kann doch bei den blöden Witzen über Frauen nicht der Fall sein - oder kriege ich einfach zu selten blöde Witze erzählt?

Vermutlich wirklich. Es ist einfach so, dass es auf die Dauer einfach ermüdend ist, darüber zu lachen, wie blöd die Geschlechtsgenossinen denn so sind, und sich selbst nicht gemeint zu fühlen - wenn man sich gleichzeitig oft genug anhören darf, was man denn für eine gutaussehende Frau sei und was für dolle Brüste man so hätte (lässt sich endlos fortsetzen, ich lass' es mal dabei, du bist ja wirklich intelligent genug, zu erfassen, was ich meine).

Schwarz/Weiss bzw. Mann/Frau sind natürlich egal, da angeboren.

Du bist, Gott sei's geklagt, mit deiner Sichtweise in der Minderheit (auch wenn ich zugebe, dass hier im Forum eine Vielzahl von Männern 'rumläuft, die ich in der Hinsicht für überdurchschnittlich tolerant halte).

Aber Katholik (Glaubt an Heilige und Reliquien und folgt dem Papst, der behauptet, der Vertreter Gottes auf Erden zu sein) oder Evangele (Frauen dürfen Pastor werden, keine alberne Verehrung von Heiligen oder Reliquien) ist, soweit man wirklich dahinter steht, eine bewusste, eigene Entscheidung, an der sich durchaus einige Charaktereigenschaften festmachen lassen können. Genau so wie IE-ler oder Mozilla/Opera/Konqueror-Nutzer etc..

hehehe Da sind wir dann wieder bei deinem Terrain, nicht wahr? Ich lass' mal den Brauserkrieg aussen vor - nicht ohne anzumerken, dass ich nicht das Gefühl habe, mein Charakter sei besser oder schlechter als der eines IE-Users, nur weil ich Opera einfach schön finde.

In Deutschland und in vielen anderen Ländern ist es so, dass man sich den Glauben, in den man hineinerzogen wird nicht aussuchen kann - von daher können recht wenige Menschen was dafür. Zugegeben: Sie können dazulernen und ihre Sichtweisen ändern. Aber gerade, was an religiöser Erziehung in Kinder "hineingepumpt" wird, ohne dass sie das auch nur merken, ist unglaublich. Ein Extrembeispiel:

Eine Freundin von mir hier leitet zusammen mit anderen die französische Schule in Ciudad del Este. Deren gab es bisher zwei - in die meiner Freundin gingen überwiegend französische Kinder, in die andere überwiegend Libanesen. Diese beiden Schulen sind seit diesem Schuljahr zusammengelegt worden, was extreme Probleme mit sich brachte. Denn, auch wenn Franzosen sicher auch Vorurteile haben, sind sie doch bemüht, ihre Kinder möglichst vorurteilsfrei zu erziehen. Die kleinen Libanesen sind dazu erzogen (und zwar im Religionsunterricht!), alles zu hassen, was jüdisch ist. Nun hat die Mathemathiklehrerin den Kindern die Windrose beigebracht, die ja bekanntlich sternförmig ist. Die Libanesen haben kurz hingeguckt, festgestellt, das ist etwas sternähnliches und sich geweigert, das in ihre Hefte zu zeichnen - Judenstern!

Diese kleinen Libanesen haben ihr Herkunftsland samt und sonders nie bewusst gesehen, sie kennen Juden nur vom Hörensagen und wünschen ihnen trotzdem die Pest an den Hals. Warum? Weil sie's im Religionsunterricht beigebracht kriegen und weil ihre Eltern sagen, sie sollen das. Da sind Zehn- und Elfjährige dabei, die, wenn sie gross sind, möglichst viele Juden umbringen wollen und auch schon wissen, wie. Toll, nicht?

In der christlichen Erziehung geht's allgemein wesentlich weniger extrem zu - das haben wir, denke ich, allerdings der Tatsache zu verdanken, dass Kirche und Staat getrennt sind, sonst würden wohl heute noch Hexen verbrannt. Allerdings werden still, klamm und heimlich immer noch Bilder weitergegeben, die für moderne Menschen einfach unerträglich ist. In diesem Zusammenhang empfehle ich das Buch "Eunuchen für das Himmelreich" von Uta Ranke-Heinemann http://www.libri.de/cgi-bin/WebObjects/Lissy.woa/175/wo/z72ekU8l84iD24ydvO72YTeChaH/5.0.2.2.12.5.11.41.0.34 - sie fasst die Lehre der katholischen Kirche in Bezug auf das Frauenbild, das vermittelt wurde und zum Teil heute noch wird (und das übrigens durchaus auch von der evangelischen Kirche), sehr schön zusammen.

Ach, und wenn jemand meine Freundin anmacht, dann muß ich "Alder, pass auf, gleich' gibbet was auf die Fresse!" sagen, weil daß schliesslich meine Pflicht als Beschützer und so ist - auch, wenn der Typ 40cm grösser ist als ich... (doof, sowas)

Nein, ganz bestimmt nicht. Wenn jemand deine Freundin anmacht, kommt es sehr darauf an, wie sie sich dabei fühlt und ob du ihr helfen kannst; sowas ist immer sehr von der Situation abhängig.

File Griese,

Stonie