Hallo,
Erstmal finde ich aber Deine aufrichtige und ehrliche Entschuldigung eine feine und beispielhafte Geste.
Vielleicht erzähle ich zuerst ein wenig von der Geschichte meiner Familie. [...]
Ok, damit kann ich nachvollziehen das in Eurer Familie eventuell eine gewisse "Grundstimmung" gegen Israel vorherrscht. Ich kann Deine Abneigung ansatzweise durchaus nachvollziehen aber leider nicht verstehen.
Wenn es Dich interessiert, ein paar meiner Erfahrungen:
Vor ein paar Jahren lernte ich einen Studenten aus Palestina kennen. Der Kerl war wirklich einer der nettesten Zeitgenossen den man sich vorstellen konnte und alles andere als ein strenger Islamist. Brachte man in irgendeiner Form das Gespräch auf den Konflikt oder Israel im Allgemeinen drehte der sich um 180 Grad und war voller Hass auf alles jüdische. Eine sehr intensive und irgendwie trauige Erfahrung, er meinte auch das ich das nur nachvollziehen könnte wenn ich soviel Unrecht und tote Freunde (im Zusammenhang mit Israel) gesehen hätte wie er :-(
In Ägypten lebte ich u.a. zwei Wochen in einem Beduinendorf mit den Leuten. Kein Mann oder Kind das nicht - wenn es irgendwie zur Sprache kam - einen Hass auf die Israelis und die Amerikaner geschoben hätte. Zwar nicht so intensiv wie der palestinensische Student, aber doch recht deutlich. Auch im Zusammenhang mit der "guten Arbeit" die ein Diktator vor 60 Jahren in Europa geleistet hätte... ich will da mal nicht näher darauf eingehen. Aber Argumente, dass irgendwann auch eventuell Ägypter im KZ vernichtet worden wären weil Sie nicht in das irre Menschenbild passen würden, zogen nicht wirklich :-(
Israelis lernte ich auf reisen kennen, leider war ich selbst noch nicht in Israel. Die Jungs und Mädels waren meist gerade mit Ihrem Wehrdienst fertig und hatten, wenn nicht in der eigenen Verwandtschaft, auch beim Militärdienst teilweise Freunde verloren. Eigentlich alle (so ca. ein Dutzend über die Jahre) waren, was den Konflikt angeht auch recht uneinsichtig und radikal in Ihren Ansichten :-(
Aus diesen persönlichen Erfahrungen und auch aus Berichten in den Medien sehe ich immer weniger die Hoffnung auf Frieden in Nahost :-(
In dem Zusammenhang habe ich ein Buch bestellt dessen Autor gestern zu Gast bei SWR1 Leute war, der Titel: "Der Tod ist ein Geschenk". Ein Interview mit einem palestinänsischen Selbstmordattentäter. Vielleicht hilft das, ein wenig zu verstehen was in einem solchen Menschen vorgeht?
Alles in allem fällt es mir schwer in dieser Frage neutral zu bleiben. Ich sehe die Toten und das Leid auf beiden Seiten aber seit Sharon tendiere ich persönlich dazu die israelische Regierung für zunehmende Gewalt in den letzten Jahren verantwortlich zu machen. Auch die amerikanische Regierung verwendete seit 09/11 mehr Energie in Rachefeldzüge (die brachten bisher was?) als in die Forcierung von Friedensgespächen im Nahen Osten wie noch unter Clinton und ist.
Ich muss den letzten Absatz ein wenig relativieren. Nach wie vor weiss ich das beide Parteien die Spirale der Gewalt mit immer neuem Terror antreiben und auch beide Parteien gleichzeitig aufeinander zugehen müssen um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Wie das allerdings in der Praxis aussehen könnte, weiss ich nach diesen Erfahrungen auch nicht.
Hoffung geben auf beider Seite Gruppierungen die von Ihrer jeweiligen Administration den ersten Schritt fordern, diese sind allerdings in der krassen Minderheit und werden von den eigenen Leuten schon beinahe wie Landesverräter angesehen. Also somit eher ein kleine Hoffung :-(
Nur mal meine ernste Meinung zu dem Thema,
Grüsse AndreD