Hallo Manuel,
Aber damit dürftest du einer Minderheit angehören.
Tatsächlich gehöre ich einer Minderheit an: derer, die sich die Mühe gemacht haben über 450 Seiten Vertragstext durchzulesen. Ich gestehe, dass ich einzelne Protokolle nur überflogen habe.
Ich sehe auch ein, dass das Beispiel mit der Werbung ungünstig gewählt war. Es diente auch eher zum Hervorheben des Faktes, dass man nicht alles liest, nur weil es im Briefkasten liegt. Dennoch kann ich aus Erfahrung sagen, dass Menschen - auch Dinge, die wichtig sind - einfach nicht lesen. Ein Beispiel aus der Schule. In der Klassenstufe 11 haben wir ein Informationsheft über das Abitur bekommen. Jeder Schüler hatte es, vielleicht 5 von 75 haben es jemals gelesen. Woher ich das weiß? Auch kurz vor den Prüfungen kamen Fragen, die in diesem Heft klar beantwortet wurden. Es betraf nicht einmal die komplizierteren Felder wie die Punktrechnung. Und das bei Leuten, die jetzt ihr Abitur in der Tasche haben. Gut, du kannst auch hier meinen, dass das Beispiel mit der Verfassung nicht gleichzusetzen ist, aber für diese Menschen war das Thema in der Phase des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife vermutlich bedeutend wichtiger als heute die EU-Verfassung.
Aber ich untescheide, was ich lese. Wenn du das nicht tust, ist das alleine dein Problem. Aber damit dürftest du einer Minderheit angehören.
Ich weiß nicht, wo du wohnst (Pfarrbrief und Lokalpolitiker lassen nicht auf eine allzu große Stadt schließen) [das soll jetzt keine Herabwürdigung deines Wohnortes sein], aber wenn du morgens in Berlin mit der S-Bahn oder einem anderen öffentlichen Verkehrsmittel fährst, wirst du erschrocken feststellen, wie viele Menschen Bild und BZ (bildähnliche Zeitung) lesen. Glaube mir, dass differenziert lesende, geschweige denn differenziert denkende Menschen in der Minderheit sind. Ich kann mir den Erfolg von Bild/BZ nicht anders erklären.
Grüße
Julius