Siechfred: Siechfreds Steuertipp 11/2005

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Tag alle.

Ich denke, dass es wieder mal an der Zeit, auf neue Entwicklungen im Bereich der Umsatzbesteuerung hinzuweisen. Unsicherheit bestand bisher bei der Frage, wie eine Leistung zu beurteilen ist, die in der Lieferung einer Standardsoftware verbunden mit einer Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden besteht.

Konkret vorstellbarer Fall: jemand hat einen Webshop programmiert, den er an verschiedenste Kunden verkauft. Damit verbunden ist die Installation beim Kunden und die Anpassung an seine Bedürfnisse (Layout, Datenbestand, Bestell- und Zahlungsabwicklung etc. pp.). Der Kunde selber ist nicht in der Lage, die erworbene Software seinen Vorstellungen entsprechend zu nutzen, da er kein Softwarefachmann ist.

Hier hat der Europäische Gerichtshof entschieden (Urteil vom 27.10.2005, C-41/04), dass in diesen Fällen eine einheitliche Dienstleistung vorliegt, wenn der Kunde durch die nicht nebensächlichen Anpassungen überhaupt erst in die Lage versetzt wird, die Software seinen Bedürfnissen entsprechend einzusetzen. Interessant an diesem Urteil ist auch, wie und wo nach Meinung des EuGH diese Leistung zu besteuern ist:

Der Programmierer (P) sitzt in Deutschland, der Kunde (K) in Österreich. Aus dem Urteil des EuGH ergibt sich, dass der Umsatz des P nicht in Deutschland, sondern in Österreich zu besteuern ist (Art. 9 Abs. 2 Buchstabe e dritter Gedankenstrich 6. RLEWG). Und hier greift das sog. "Reverse-Charge-System". Der P stellt dem K seine Leistung ohne (deutsche/österreichische) Umsatzsteuer in Rechnung und weist auf Art. 21 Abs. 1 Buchstabe b der 6. RLEWG hin ("Reverse Charge"). K führt in Österreich die auf die Leistung von P entfallende österreichische Umsatzsteuer ab und erhält im Normalfall (nationale Sonderregelungen vorbehalten) den gleichen Betrag als sog. Vorsteuer erstattet. Da dies in der Regel innerhalb einer Umsatzsteueranmeldung geschieht, handelt es sich für K um ein klassisches Nullsummenspiel.

Was hat das Ganze für Vorteile?

Nun, der P muss sich keine Gedanken über irgendwelche steuerlichen Pflichten in Österreich machen. Er schreibt seine Nettorechnung mit dem entsprechenden Hinweis und fertig. Und der K hat keinen Stress damit, wie und wo er eine an P gezahlte deutsche Umsatzsteuer als Vorsteuer erstattet bekommt (das Vorsteuervergütungsverfahren, an dem er dann teilnehmen müsste, ist ein sehr langwieriges).

Natürlich ist das Ganze nur relevant, soweit die Leistung an einen Kunden in einem anderen Mitgliedsstaat erbracht wird. Weiterhin dürfte m.E. das bloße Installieren einer Standardsoftware noch nicht ausreichen, um aus der Lieferung eine Dienstleistung werden zu lassen.

Siechfred