von Willi Fehse
Ein Mann war angeklagt, seine Frau halbtot geprügelt zu haben. Er
leugnete das Vergehen auch nicht, behauptete aber, daß mildernde
Umstände für ihn sprächen.
„Gut”, entschied der Vorsitzende des Gerichts, „erzählen Sie den
Hergang!”
Und der Mann fing an: „Ich sitze abends mit meiner Frau im
Lampenschein. Meine Frau liest.
,Was liest du da?’ fragte ich.
,Ich lese ein französisches Buch’, erwidert sie.
,Das lob’ ich mir’, sage ich. ,Du hast ja Französisch in der Schule
gehabt. Übersetz doch mal, was du liest!’
Und meine Frau übersetzt nun: ,Das Sonnendach des Strickbeutels war
die Lehrerin des 15. Zuhälters.’
Ich erkläre: ,Liebes Kind, das ist doch völliger Unsinn!’
,Nein’, protestiert meine Frau, ,so steht das hier!’
,Na’, meine ich, ,dann lies mal auf französisch.’
Und meine Frau liest: ,La marquise de Pompadour était la maîtresse de
Louis Quinze.’
,Aber Frau’, sage ich, ,wie kannst du da übersetzen: Das Sonnendach
des Strickbeutels war die Lehrerin des 15. Zuhälters? Da ist doch
jedes Wort verkehrt.’
,Wieso denn?’ beharrte meine Frau. ,Die paar Vokale für den Text sind
uns doch schon in den ersten französischen Legionen beigebracht
worden.’
,Vokale?’ antwortete ich. ,Du meinst Vokabeln, meine Teuerste. Und
wie kommst du auf Legion? Das heißt Lektion und kommt von Lektor.’
,Aber Mann’, spricht meine Frau, ,das weiß ich nun wirklich besser.
Haben wir doch schon in der Quinta das Gedicht von Lektor und
Andromedar gelernt!’
,Andromedar?’ entgegne ich. ,Du denkst an Andromeda! Ein Dromedar ist
ein Kamel, verstehst du? Und mit Andromeda bist du natürlich auch im
Irrtum. Das ist ein Sternbild. Was du tatsächlich von Schiller
gelernt hast, das ist der Abschied von Hektor und Andromache. Von
Hektor, nicht Lektor!’
,Hektor?’ versetzt meine Frau. ,Du lieber Gott, was redest du da?
Hektor kenne ich als ein Flächenmaß!’
,Heilige Einfalt!’ seufzte ich. ,Das ist nicht Hektor, sondern
Hektar.’
,Ach, mein Bester’, triumphiert sie, ,was für eine Verwechslung von
dir! Hektar haben immer die alten Götter Attilas in Olympia
getrunken, Hektar und Ambrosius.’
,Liebes Kind’, rufe ich jetzt, ,was für ein ausgekochter Blödsinn!
Das war nicht Olympia, sondern auf dem Olymp in Attika, es heißt
nicht Ambrosius, sondern Ambrosia, und das war kein Hektar, sondern
Nektar, was die alten Götter soffen.’
,Nektar?’ fragte meine Frau zurück. ,Da muß ich lachen. Wir haben ja
schon als Tertianerinnen im Dütt gesungen: Bald gras’ ich am Nektar,
bald gras’ ich am Rhein...’
,Zum Donnerwetter, Frau’, schrei ich nun, ,das ist ja heilloser Stuß,
was du da faselst! Das heißt nicht Nektar, sondern Neckar, und man
sagt nicht Dütt, sondern Duett!’
,Mann!’ lacht sie da, ,wo denkst du hin: Duett ist doch ein
Ehrenhandel, bei dem zwei aufeinander schießen.’
Und da habe ich sie geschlagen!”
„Freigesprochen!” entscheidet der Richter. „Ich hätte es schon bei
Andromedar getan!”