Camping_RIDER: Über WhatsApp und andere Datenseebewohner

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Aloha ;)

Ohne jetzt hinsichtlich der ursprünglichen Thematik (Gefährdung der Daten von Nicht-Kunden) noch viel weiter in die Tiefe gehen zu wollen (denn es ist im Prinzip alles gesagt und beide Sichtweisen haben durchaus ihre Daseinsberechtigung):

Das stimmt so nicht ganz, ich bin auch dafür ein Geschäftsmodell zu bekämpfen, das auf den Daten der „Kunden“ aufbaut, weil die meisten Menschen nicht abschätzen können, was diese Datensätze in Zeiten von Big Data wirklich bedeuten (werden).

Das ist eine heikle Aussage. Ideologisch gehe ich da mit. Aber lass mich einen Vergleich bemühen:

WhatsApp und Co., die als kostenlose Dienste Geld mindestens indirekt durch Auswertung der Daten ihrer Kunden schlagen müssen (in dem Sinne, dass sie sich sonst nicht finanzieren könnten), sind so ein bisschen wie Ratenzahlungen. Das primäre Angebot ist sehr verlockend (Ratenzahlung: die paar Euros im Monat / WhatsApp: kostet nix, selbst mit Datentarif viel billiger als SMS) und die wahren Kosten bzw. das Risiko (Ratenzahlung: Unterschätzung, Verschuldung, unvorhersehbares finanzielles Einbrechen / WhatsApp: Verlust der Anonymität, Verhaltensanalyse, Bekanntwerden meiner persönlichen Vorlieben und Interessen gegenüber einer Firma) offenbaren sich erst später.

Trotzdem käme niemand auf die Idee, den mündigen Bürger vor der Möglichkeit, Ratenzahlungen zu vereinbaren, Beschützen zu wollen. Ein Versuch, das Geschäftsmodell der Ratenzahlung bekämpfen zu wollen kommt dem Versuch gleich, die mündigen Bürger vor sich selbst schützen zu wollen und ihnen damit ein Recht auf Selbstbestimmung zu nehmen. Deshalb nannte ich die Aussage heikel.

Der große Unterschied zwischen Ratenzahlung und Big Data-Angelegenheiten - und damit auch der Punkt, an dem ich ansetzen würde (statt dabei, das Geschäftsmodell zu bekämpfen) ist der Grad der Aufklärung. Die allgemeine Aufklärung über die Risiken von Ratenzahlungen ist, ganz allgemein über die Bevölkerung gesprochen, deutlich höher als das Bewusstsein vor den potenziellen Gefahren von Datenkraken. Es muss also in manchen Dingen sicher noch stärker als jetzt ein Bewusstsein geschaffen werden - das Bekämpfen des Geschäftsmodells ist keine Lösung.

Der finanzielle Gewinn ist, wie man an Google und Facebook sehen kann weit entfernt von Null; die Werbewirtschaft ist unglaublich an diesen Daten interessiert und führt sie mit Daten aus anderen Quellen zusammen, um ein besseres Bild zu gewinnen.

Ich glaube tatsächlich nicht unbedingt daran, dass die gewonnenen Daten verkauft werden (in dem Sinne, dass sie den Konzern verlassen). Wenn man sich so ansieht, wo die Geschäftsfelder der meisten Datenkraken liegen, ist es doch vielmehr so, dass man bei Google, WhatsApp (also dem Konzern nach Facebook), amazon und wie sie alle heißen schon direkt bei der Werbewirtschaft Kunde ist. Die Werbetreibenden müssen gar keinen Zugriff auf die Daten erhalten, die Zuordnung der Werbeangebote zur (auf Grundlage der gesammelten Daten) sinnvollsten Zielgruppe übernimmt ja der Werbeanbieter (eben jene Konzerne wie Google, Facebook und Amazon), und damit genau der Konzern, dem man davor bereitwillig seine Daten überlassen hat (und die meisten machen ja nicht mal einen Hehl daraus, dass sie die Daten zur "persönlichen Optimierung von Werbeanzeigen" nutzen). Insofern ist das Geld, dass sich aus Kundendaten schlagen lässt, meistens kein Missbrauch sondern ein Gebrauch; der Kunde hat in diese Art des Gebrauchs meistens sogar eingewilligt.

Die unglaublichen Gewinne, die sich mit den Daten erwirtschaften lassen, liegen also weniger darin, dass die Daten verkauft werden, sondern dass die Werbetreibenden wissen, dass die Werbeanbieter über diese Daten verfügen und sie nutzen können. Das ist ein mordsmäßiges Geschäft basierend auf dem Vertrauen des Werbetreibenden gegenüber dem Werbeanbieter, dass er die Werbung sinnvollst möglich an den Mann bringt. Und genau das ist auch der Grund, warum es ziemlich dumm wäre, diese Daten zu verkaufen - man würde als Werbeanbieter damit seinen hart erarbeiteten Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus der Hand geben.

Damit würde ich sogar so weit gehen, dass die persönlichen Daten (so sie denn überhaupt kompromittiert werden), gerade bei den bekannten Datenkraken noch fast am sichersten sind (in dem Sinne, dass sie eben nicht weiterverkauft werden und damit wenigstens irgendwo verortet bleiben).

Meine Aussage

Der finanzielle Gewinn, den man aus den Zuordnungen der o.g. Daten zu erwarten hat, ist gleich null.

bezog sich auf die Nutzung von Nicht-Kunden-Daten - und die ist bei alleiniger Kenntnis der Telefonnummer tatsächlich gültig; denn wenn der Nicht-Kunde beim entsprechenden Konzern tatsächlich nicht Kunde ist, lassen sich die Erkenntnisse über den Nicht-Kunden auch nicht monetarisieren (man bedenke: wenn der Nicht-Kunde von WhatsApp ein Facebook-Konto besitzt, ist er ja doch Kunde beim Konzern Facebook).

Ein Motiv ist nicht nötig und vermutlich halten sie sich im Moment an ihre eigenen Vorschriften, aber das muss nicht immer so bleiben und die Nutzerbasis wird es nicht mitbekommen. (Achtung Godwin) Als die Niederlande Anfang des vergangenen Jahrhunderts einen Zensus durchführten, und dabei die Religionsangehörigkeit abfragten, haben sie auch nicht damit gerechnet, was wenige Jahre später die Besetzungsmacht mit diesen Daten anstellen würde.

Gerade dieses Beispiel zeigt auf, dass ein Missbrauch immer und unter allen Umständen möglich ist, selbst wenn Daten in vertrauenswürdige Hände gelegt werden.

Sonst dürfte man kein Stück Software mehr in die Hand nehmen, das nicht von vorne bis hinten OpenSource (und damit kontrollierbar) ist.

Im besten Fall ist es genau das, was ich will.

Da gehe ich vollkommen mit. Aber gerade die fehlenden Monetarisierungsmöglichkeiten in der OpenSource-Welt sind es, die den Einzug von OpenSource in breite Bevölkerungsmassen erschwert. Ich bin genauso wie du (und viele andere hier) OpenSource-Verfechter, die Praxis und die Erfahrung zeigt aber, dass ohne Kompromisse kein Fortschritt gemacht werden kann.

OpenSource ist immer ein Minusgeschäft und deshalb herrscht dort so viel Defizit an Manpower und Möglichkeiten, dass gerade der technologische Fortschritt ohne Firmen mit proprietärer Software nie auch nur ansatzweise in der momentanen Geschwindigkeit vorangehen könnte (eine Firma kann nur dann aufwändig neue Technologien entwickeln, wenn sie sich durch closed-source dadurch über Jahre eine Exklusivnutzung sichern kann).

Die Existenz von Nicht-OpenSource-Software ist dementsprechend schon irgendwie ein notwendiges Übel.

Vielleicht noch ein abschließendes Wort zum Gebrauch von Daten. Mir persönlich ist es durchaus Recht, wenn ich Werbung zu Themen erhalte, die mich interessieren, statt zu Themen, die mich nicht interessieren. Ich bin also sogar bewusst bereit, Daten zu meinen Interessen gegenüber Datenkraken wie amazon und Google offenzulegen; ich halte das, was sie mit meinen Daten bestimmungsgemäß tun, für ein echtes Komfortfeature (für das ich bereit bin, mit einer Anonymitätseinbuse zu bezahlen).

Das problematische an den üblichen Datenseebewohnern ist in meinen Augen nicht, wie sie Geld verdienen und dass sie so Geld verdienen (wie oben geschildert gibt es durchaus Grund zu der Annahme, dass meine Daten nicht weitergehend kompromittiert werden). Das Problem ist glaube ich eher das ständige "Opt-Out" statt "Opt-In" und das damit einhergehende berechtigte Misstrauen. Google und amazon bekämen von mir wahrscheinlich mit Opt-In genau die selben Informationen - trotzdem spielen sie sich hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit ständig ins Aus, indem sie, wie Gunnar hier anfangs berichtete, mal wieder einen Fauxpas (ob absichtlich oder nicht sei dahingestellt) begehen.

Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass sie genau das gleiche Geld, das sie mit ihrer Geschäftstaktik im Moment verdienen, verdienen könnten, wenn sie von vornherein in allen Belangen mit offenen Karten spielen würden und durch Opt-In-Lösungen vorsorglich tätig würden. Damit könnte man als Konzern bei gleichbleibend schwarzen Zahlen wirklich Pluspunkte in der öffentlichen Wahrnehmung verdienen. Wahrscheinlich ist es der gefühlte Konkurrenzdruck, der in dem Fall über allem steht.

Grüße,

RIDER

--
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