Hallo!
In dem, was nun folgt wiederhole ich mich, ich weiss. Aber auf vielfachen Wunsch eines einzelnen Teilnehmers kann ich nicht umhin, schon wieder zu betonen, dass Allgemeinplätze und pauschale Beurteilungen einfach nicht weiterführen und habe euch also nochmals ein paar Anmerkungen zu gängigen Vorurteilen zusammengestellt - jeweils mit meinem persönlichen Kommentar versehen. Warum es schon wieder fast nur um Frauen geht, steht am Ende des Postings - wer also nicht alles lesen will, möge sich den Schluss zu Gemüte führen, damit er weiss, warum ich, wenn auch überwiegend, so doch nicht ausschliesslich von Frauen rede und dass diese meine Ansichten mit "Hardcore-Emanzentum" wirklich sehr wenig zu tun haben.
1.) Frauen interessieren sich halt nicht für Technik
Das ist ein Argument, das, obwohl statistisch belegbar, so einfach nicht stehenbleiben kann. Warum?
Weil Interesse etwas ist, das geweckt und gepflegt werden muss - alte Marketingweisheit. Interesse ist nicht etwas, das einfach so da ist, sondern etwas, das ab einem bestimmten Punkt wächst. Dieser Punkt kann sehr unterschiedlich aussehen: Ein Mensch, der das simple Interesse hat, dass sein Computer funktioniert und einen guten Techniker zur Hand hat, wird sich vermutlich nicht sonderlich um das Innenleben des Gerätes kümmern. Anders sieht's aus, wenn die verfluchte Kiste nicht tut, was sie soll und niemand da ist, der das Problem lösen kann. Viele Menschen neigen dann dazu, akribisch zu erforschen, wo der Fehler denn liegt - und unterwegs stellen sie fest, dass dieser Kasten doch sehr vieles hat und kann, von dem man bisher noch nicht die leiseste Ahnung hat. Das ist ein Ansporn zum weitermachen, weiterforschen und weiterlernen.
Es kommt auch vor, dass jemand beispielsweise einen Artikel in einer Zeitschrift liest, der ihn fasziniert. Dann wird der Betreffende versuchen, so viel wie möglich über das dort beschriebene Thema herauszufinden - das kann ein Aspekt der Geschichte sein, ein Glaubensbekenntnis, eine bestimmte kollektive Verhaltensweise der Merschweinchen, kurz: alles Mögliche. Interesse ist also wirklich nicht geschlechtsbedingt sondern etwas, das in Menschen auf diese oder jene Weise geweckt wird. Die Intensität, mit der ein Mensch sich mit dem Thema beschäftigt, hängt unter anderem auch von der Gegenliebe ab, auf die er innerhalb seiner Umgebung mit seinem Forschungsanliegen stösst. Wenn viele Menschen es toll finden, dass er so viel über das Thema weiss, wird er sich noch intensiver damit beschäftigen. Wenn alle Welt sagt: "Was willst'n mit dem Scheiss, ey?", wird es weit mehr der Motivation, die aus dem Menschen selbst heraus kommt, bedürfen, die Studien, die er zu dem Thema begonnen hat, weiterzuführen.
2.) Männer können besser logisch denken als Frauen
Das ist anhand psychologischer Tests und Statistiken, die auf diesen Tests basieren, bewiesen. Interessant ist, dass diese Tests ziemlich gleich aussehen, und das seit Jahrzehnten. Ob es sich hier nun um die "Berufsfindungstests" des Arbeitsamtes, die Einstellungstests der verschiedenen grossen Firmen oder Testreihen an Universitäten handelt - das logische Denkvermögen wird grundsätzlich dadurch überprüft, dass Reihen von Zahlen und/oder Bildern "logisch" fortgesetzt werden sollen. Und darin sind Männer in der Tat generell besser als Frauen. Das Finden der Gründe dafür überlasse ich der Phantasie, dem Forschungsdrang und dem Interesse meiner geneigten Leser.
Nun erhebt sich die Frage, was die Fortsetzung von Zahlen- und Bilderreihen in einer mehr oder weniger logischen Folge mit der Art von logischem Denken zu tun hat, die man benötigt, um ein Programm für einen Computer zu schreiben oder zu bedienen oder ein Zahnrad in einer Maschine so einzusetzen, dass die Maschine so arbeitet, wie sie das soll. Mir persönlich erschliesst sich das nicht - aber die Psychologen werden ja hoffentlich wissen, wie die Zusammenhänge im Einzelnen sind.
3.) Männer sind eher mathematisch-naturwissenschaftlich begabt, Frauen eher sprachlich-sozial
Was die erste Aussage dieser These anbelangt, sind inzwischen sogar gestandene Wissenschaftler der Ansicht, dass die Begabungsunterschiede hier minimal sind, wenn überhaupt vorhanden. Es gibt in der Tat weit mehr mathematisch-naturwissenschaftlich begabte Frauen als landläufig angenommen.
Für die zweite These gibt es kaum mehr Forschungsnachweise als den statistischen Status quo: Im philologischen, pädagogischen, psychologischen und sozialen Bereich wimmelt es nur so von Frauen - ergo müssen sie dafür begabt sein. Interessant ist, dass eben dies die Bereiche sind, in denen die Arbeitskraft weit weniger wert ist als in den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereichen. So ist die Arbeit einer Kindergärtnerin beispielsweise weniger wert als die von so manchem Fabrikarbeiter, der nichts weiter anspruchsvolles tut und auch nicht viel nachdenken muss, bei dem, was er tut. Interessant wäre es, mal zu vergleichen, wie sich das Gehalt eines Studienrats von dem eines Werksmeisters unterscheidet.
Noch interessanter ist es, dass der ganz überwiegende Teil der leitenden und somit weit besser bezahlten Positionen im sozialen Bereich von Männern bekleidet werden. Chefärzte, Verwaltungsleiter, Schuldirektoren - es gibt in dieser Ebene sehr viele Männer. Das wird dann oftmals wieder dem mangelnden Interesse der Frauen zugeschrieben.
4.) Frauen tragen nicht gern Verantwortung
Die Tatsache, dass die Anzahl der Frauen geringer wird, je verantwortungsvoller die Positionen sind, wird oft und gern eben diesem Mangel an Willen bei Frauen zugeschrieben. Verantwortung ist hier oft genung ein Synonym für die Organisation von Arbeitsabläufen und die Verwaltung von finanziellen Mitteln. Bei der Organisation ist Frauen angeblich ihr Mangel an logischem Denken wieder im Weg - die Verwaltung von finanziellen Mitteln ist ohne die Beherrschung von kaufmännischem Rechnen nicht zu machen und somit wieder der mangelnden Begabung von Frauen für mathematisch-naturwissenschaftliche Disziplinen zuzuschreiben. Ob das wirklich so ist, sei dahingestellt. Ich selbst glaube an diese Märchen schon seit längerem nicht mehr.
Allerdings gibt es sehr viele Frauen, die in ihrem Beruf grosse Verantwortung tragen - nämlich für Leib und Leben anderer Menschen. Krankenschwestern und Kindergärtnerinnen, beispielsweise, tragen hier eine Last, die schwerer wiegt als das Millionen-Dollar-Budget einer Firma, die etwas fabriziert. Wenn Geld verloren geht, ist das sicher ärgerlich - jedoch bestimmt nicht so lebensbedrohend wie die mangelnde Aufmerksamkeit bei der Aufsicht über Kinder oder die Missachtung von Hygienevorschriften beim Verbandwechsel. Bedauerlicherweise wird in unserer Gesellschaft aber tatsächlich das Millionen-Dollar-Budget weit höher geachtet als ein einzelnes oder sogar mehrere Menschenleben, so dass das Wechseln eines Verbandes eben den Stellenwert einer Handlangertätigkeit hat und die Organisation des Arbeitsablaufs auf der Station eines Krankenhauses oder Pflegeheims maximal den der Fliessbandarbeit - zumindest von dem messbaren Wert her, der der Arbeit zugewiesen wird: ihrer Bezahlung.
Abgesehen davon gibt es in denjenigen Studiengängen, die eher kaufmännische Fertigkeiten lehren, wie zum Beispiel der Betriebswirtschaft, in der Tat mehr Frauen als Männer. Es schliessen auch mehr Frauen ihr Studium in diesen Disziplinen ab als Männer. Wo sind diese ganzen Frauen? Sie können doch nicht alle dem hormon- und schwangerschaftsbedingten Gehirnverlust anheimgefallen und zu zufriedenen Nur-Hausfrauen mutiert sein? Natürlich nicht. Es mehrt sich inzwischen auch die Anzahl der Frauen, die tatsächlich in relevante Führungspositionen aufrücken. Die Mehrzahl bleibt jedoch maximal in der mittleren Führungsschicht "stecken" oder findet nach der Kinderpause den Anschluss nicht mehr und wendet sich völlig anderen Bereichen zu, sei es ehrenamtlich oder in einem Bereich, der ihr Interesse findet und mit weniger Überlebenskampf verbunden ist. Wer würde ihnen das vorwerfen wollen?
5.) Frauen unterliegen grösseren Hormonschwankungen als Männer
Bis hierhin stimmt die These. Aber die Schlüsse, die daraus allgemein gezogen werden, grenzen an Infamie. Denn aufgrund dieser Hormonschwankungen sollen Frauen wesentlich abhängiger von ihren Stimmungen sein, reizbarer als Männer, eher geneigt, einer Laune nachzugeben, aggressiver. Dass dieses Argument im krassen Gegensatz steht zu der Aussage, dass Frauen angeblich im sozialen Bereich begabter und kompetenter seien als Männer, fällt nur sehr selten mal jemandem auf.
Diese Hormonschwankungen werden auch dafür verantwortlich gemacht, dass Frauen angeblich in dem Moment, in dem sie schwanger werden, nur noch an das Kind denken, das in ihnen wächst und einen ausgeprägten "Nestbautrieb" entwickeln sollen. Auch sind es dem Volksglauben nach die Hormone, die einzig die Frauen befähigen, ein Kind zu umsorgen und erziehen. Die Unlogik dieser Argumentation, die sehr oft von Männern, aber durchaus auch von Frauen vorgebracht wird, springt einem spätestens dann ins Gesicht, wenn man sich mit Hebammen und Frauenärzten unterhält. Eine Schwangerschaft verändert weder das Gehirn noch das Wesen noch die Ansichten einer Frau - und schon gleich gar nicht ihre geistigen Fähigkeiten.
Die Liste liesse sich fortführen - um ehrlich zu sein: Ich will nicht diesen ganzen Unfug repetieren. Anhand dessen, was ich genannt habe, dürfte auch dem Dümmsten klar werden, dass der ganz grosse Teil der Frauen, die Interesse und Begabung für technische Berufe haben, diese Berufe trotz der Widernisse, die ihnen entgegenstehen, ergreifen und deshalb, weil sie überdurchschnittlich begabt, interessiert und motiviert sind. Für einen Mann reicht im technischen Bereich durchschnittliche Begabung und durchschnittliche Motivation - bei ihm wird wesentlich seltener hinterfragt, warum er seinen Beruf gewählt haben könnte, ob seine Begabungen dafür ausreichen und ob sein Interesse ausreichend gross ist. Frauen stehen immer noch unter dem zusätzlichen Druck, die Barriere, die diese allgemeinen Ansichten über Frauen darstellt, überwinden zu müssen - da haben sie's nicht besser und nicht schlechter als Friseure, Schneider, Textildesigner, Modeschöpfer, etc., die ständig nachweisen müssen, dass sie ihren Beruf aus Interesse, Motivation und Begabung gewählt haben und nicht etwa, weil sie schwul wären oder zu faul "was vernünftiges" zu lernen.
Ich bin in diesem Posting auf die Schwierigkeiten eingegangen, denen Frauen begegnen, wenn sie einen "Männerberuf" ergreifen und ausüben - aus zwei Gründen: Erstens bin ich eine Frau und habe durchaus einige Erfahrungen selbst gemacht - sogar in meinem familiären Umfeld. Zweitens halte ich persönlich mich nicht für berechtigt, die Schwierigkeiten darzulegen, die Männer haben, wenn sie in "Frauendomänen" einbrechen wollen. Zwei Kleinigkeiten, die mir aus Erzählungen von Männern mit mehr oder weniger ungewöhnlichen Berufen bekannt sind, habe ich angesprochen. Sicher habe ich auch noch mehr gehört. Aber ich denke, dass es in diesem Fall doch eines Mannes bedarf, der sich umfassend zu der Problematik äussert.
Letztlich ist der "Geschlechterkampf", wie Meg das auch schon sagte, sicher kein frauenspezifisches, sondern ein menschliches Problem. Ich finde einfach, wir sollten den Unsinn endlich mal vom Tisch fegen und uns dann damit beschäftigen, wie die Menschen, die wirklich begabt für bestimmte Tätigkeiten sind und Interesse haben, ihrer Begabung und ihrem Interesse entsprechend einen Beruf ergreifen können, ohne dass sie zusätzlich noch die Energie aufbringen müssen, sich mit irrationalem Blödsinn auseinanderzusetzen.
File Griese,
Stonie