Klaus Junge: Gedankinnen zur deutschen Sprache

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Hallo Thomas,

nun bin ich zuhause und kann mit etwas
mehr Ruhe an die Sache gehen.

Einerseits muß ich Dir in einigen Punkten recht
geben, in anderen aber auch widersprechen.
Allerdings bin ich auch etwas in 'Beweis'- und
Rechtfertigungsnot.
Etliche Argumente habe ich aus dem Gedächtnis
heraus aufgeführt, aus der Erinnerung an frühere
Diskussionen, kann die entsprechenden Notizen im
Nachlaß meiner Lebensgefährtin aber jetzt nicht
wiederfinden.

Was meinen Bezug auf das MA betrifft, muß ich Dir
recht geben. Gerade der Bezug auf die Mansdränke
schiebt das ganze ins ausgehende Mittelalter und
da war Germanien ja doch schon recht stark von
mediterranem Geist geprägt. Da war die Bedutungs-
verschiebung von Mann zu Männlich wohl ziemlich
vollzogen. Meines Wissens aber erst zu Luthers
Zeiten so gut wie abgeschloßen.

Eigentlich bezog ich mich in meiner Auffassung
eher auf die Zeiten vor dem Limes, auf die Zeiten
bevor ein Tacitus die germanischen Völker als sitten-
lose Barbaren beschrieb. Das waren ja beileibe auch
keine intakten Zeiten, aber die Sippen lebten halt
vermutlich doch stärker als kooperatives Konglomerat
in einer aus gruppendynamik hervorgegangenen Hierarchie.
Da standen die Zwänge zum überleben ziemlich wahr-
scheinlich uber dem Geschlecht des stärkeren Indi-
viduums. Daß männliche Individuen sehr oft die
kräftigeren und damit kämpferischeren und auch in der
Jagd erfolgreicheren waren will ich als gegeben hin-
nehmen, daß aber auch Frauen zu Sippenvorständen
wurden kannst Du gleichermaßen annehmen.
Wenn Lebenstüchtigkeit auch früher bei den Menschen
so verteilt war wie heute, dann waren es sicher
nicht allzuwenige.
Was das Altertum anbelangt beruht das natürlich nur
auf Überlieferungen, davon gibt es aber reichlich,
und das auf die ganze Welt verteilt, und zu beobachten
ist es bis heute.

Bei meiner Bemerkung zur Lebenstüchtigkeit beziehe
ich mich ausdrücklich auch auf Beobachtungen bei
Sippengemeinschaften in Südamerika, möchte heutige
Familienverbände aber auch nicht ausschließen.

Die Bedeutung des Wortes Mann im heutigen Deutsch
ist für mich da eher sekundär.

Hab' eben noch mal im Paul/Betz nachgeschlagen,
demnach soll unser heutiges Mann auf das indische
Manu zurückgehen und dort "Stammvater der Menschen"
bedeuten, ausdrücklich geschlechtsunspezifisch.
Die Verschiebung zu einer spezifischeren Bedeutung
soll 'später' stattgefunden haben.
Reichlich unspezifisch datiert!
Ich bin des Indischen nicht mächtig, halte den
StammVATER daher zunächst mal für einen aus der
deutschen Umgangssprache entliehenen Begriff.

Überraschend für mich im Paul/Betz ist die Erklärung
von 'man' (mit 1 n). Dieses soll das Wort sein was auf
das lateinische homo zurückgeht und daher eher Mann
bedeutet. Als ältere Benutzung wird aber auch wiederum
sowas wie 'irgendein beliebiger Mensch' angegeben.
Für uns Norddeutsche gibt es aber noch einen ger-
manischen Bezug. Das man aus 'laß man sein' soll
auf mhd. newan/niuwan zurückgehen und 'nur' bedeuten.
Das konnte ich bislang nicht so recht unterbringen.

Mensch ist nach Paul/Betz gotischen bzw altnorischen
ursprungs mannisks/mensko.
Gibt es so ein ähnliches Wort nicht auch im slavischen?
Vermutlich sowas wie mjensko oder mjesko.

Tja, was Griechenland anbelangt hast Du eindeutig recht.
Das stimmt vermutlich auch wenn man die ganze antike
Mittelmeerregion meint, oder ist es doch eher eine Frage
der 'Entwicklung' von Gesellschaften?
Mir kommt es augenblicklich fast so vor.

Anna hatte den Begriff patriarchalisch eingebracht.
Wenn ich diesen Begriff auf mein Wissen der Letzten
Jahrtausende vor der Zeitenwende projiziere, fallen mir
eher die 'großen Kulturen' ein. Das gilt aber auch danach.
Auch China, Spanien, die Araber etc pp.
Ausnahmen bestätigen die Regel, aber die matriarchalisch
geprägten Völker würde man nach unseren historischen
Maßstäben eher zu den 'primitiveren Kulturen' zählen.

Wenn ich mir jetzt den Tenor dieses Threads ins Gedächtnis
rufe, dann kann ich das schon aufeinander projizieren.
Zumindest im Kopf kann ich nachvollziehen was gemeint
sein könnte. Das stimmt mich traurig. Und doch sträubt
sich was in mir.

Ich sehe doch auch, daß Paare entstehen und, daß sie
Kinder kriegen, daß Beziehungen alt werden und reifen.
Daß Freundschaften entstehen und auch Bestand haben.
Wie soll ich das unter einen Hut kriegen?

Da die Aussagen gemacht werden, werden sie so empfunden
und sind damit real und berechtigt. Aber warum?

Ich spinne nun schon eine ganze Weile an diversen
Fäden herum und kriege es nicht plausibel auf die
Reihe.

Wenn ich Kirsten's Bemerkungen folge, dann scheint
mir schon etwas konsistentes durchzuschimmern.
Daß ihre Situation als berufstätige Mutter kleiner
Kinder durchaus keine Ausnahme ist, steht wohl
außer Zweifel. Daß sie sich dabei sozial isoliert
und alleingelassen fühlt wohl genausowenig.
Kirsten läßt ja auch schon mal Bemerkungen wie
überfordernde Doppelbelastung fallen.

Haben wir als Gesellschaft so sehr rationalisiert,
(im doppelten Sinne des Wortes), daß für die
Erhaltung der Menschheit keine Luft mehr ist?
Daß Menschen die keiner reinen und fordergründig
Gewinnmaximierenden Tätigkeit nachgehen, zu
Menschen zweiter Klasse werden?
Daß Frauen, weil sie die Hauptlast der Kinder-
erziehung tragen, automatisch zu einer (sozialen)
Risikogruppe werden?

Wenn sich auch Frauen die noch keine Mütter sind,
entsprechend äußern, dann kann ich das nur noch
in den Bereich der Perspektivlosigkeit legen
und in dem Zusammenhang fällt mir heute nur
Littleton ein.

Sind das die Perspektiven unserer Gesellschaft
und für den Umgang der Geschlechter miteinander?

Klaus