molily: Phänomene im Internet

Beitrag lesen

Hallo, emu,

Möglich wären vielleicht Kult, Hype, Trend oder Phänomen, diese Wörter gefallen mir aber nicht und sind auch nicht präzise genug.

Du hast Verschiedenes genannt, für die einzelnen Ausprägungen sind diese Begriffe jeweils vermutlich präziser als ein Begriff, welcher sie verallgemeinernd umfassen soll.

Internet-Folklore wäre wahrscheinlich zu allgemein gefasst.

Du suchst einen allgemeinen, aber präzisen Begriff, ist das nicht widersprüchlich oder zumindest paradox? ;)

Meinem unmaßgeblichem Sprachempfinden nach(tm) passt der Begriff »Folklore«, ich würde ihn aber wahrscheinlich nur im Sinnkontext »vielfältige Folklore im virtuellen Raum« verwenden, da es auf einer Entwicklung, welche auch meiner Meinung nach im realen Leben nachweisbar ist beziehungsweise analog vorkommt, entstandenen Formen des Lebens, Denken und Handelns sind. Unter »Internet-Folklore« kann, vom Sprecher unbeabsichtigt, verstanden werden, dass es zumeist global verbreitete und gepflegte (Synonym: kultivierte, siehe auch unten) Rituale (ein weiterer Kernbegriff meines Erachtens) sind.

»Kult« ist schon meiner Meinung nach *sehr* gut, und auch genügend allgemeingültig, denn diese Phänomene sind »kultisch«. Es gehört zum »sesshaft werden« (vergleiche »kultivieren«, siehe Etymologie von »Kolonie«) des Menschens dazu, dass sich solche oben genannten an ihre Umgebung angepassten (eigen-artigen) Formen ausbilden. Dies bezeichne ich generell als »Netzkultur«. Da im Netz aber nicht nur ein teilweise im Hinblick auf Real Life-Kultur einzigartiges beziehungsweise abgeschottetes kulturelles Leben stattfindet, welches nur im Netz in dieser Form möglich ist, sondern sich im Netzraum in sich genausoviele unterschiedliche kulturelle Ausprägungen finden (eine Gruppe von vielen ist die Nerd-/Geekelite), würde ich diese Phänomene vermutlich, wenn ich es auf ein Wort zusammenfassen müsste, »Subkultur« nennen (aber ich würde es nicht auf ein Wort begrenzen wollen).

Deine Beispiele sind unklar beziehungsweise vielfältig, denn während Mahir, Tourist Guy und All your Base große Teile der Netzgemeinde erfassten, ist das Wissen über Merkbefreiungen schon eher auf eine Gruppe Auserwählter begrenzt. Merkbefreiungen beispielsweise würde ich von den (meist »induzierten«) Hypes/Moden/Trends im Netz wie Mahir und Co. absetzen - zumindest beeinträchtigen sie das Leben im Netz zumindest der betroffenen Gruppe nicht grundlegend, sie machen es nicht aus, sie definieren es nicht, sie bilden keine kultische oder kulturelle Basis. (Merkbefreiungen sind auch kein passendes Beispiel dafür, das ist mir bewusst, ich meine eher alles, was damit zusammenhängt.) Wichtig und in ihrer Ausprägung deutlich existent und weit verbreitet zudem sind diese Hypes dennoch. Da sie teilweise aber schnell und auch beispielsweise durch den Sprung ins Real Life an Originalität verlieren, ist es selbstverständlich ab einem gewissen Punkt müßig, sie als kulturbildend darstellen zu wollen (beziehungsweise wäre das allzu gut bekannte austauschbare Massenkultur, welche nicht sonderlich netzeigen wäre, obwohl es natürlich auch netzeigene Massenkultur gibt).

Linguistisch ist etwas wie »gruppenspezifischer Code« meiner Auffassung nach recht treffend, sofern du speziell das Phänomen Nerd-/Hackerspeak, Usenet-Akronyme et cetera betrachtest. »Jargon« beziehungsweise auch »Slang« wären dann meines Erachtens zentrale Begriffe, falls es um eingegrenzte beziehungsweise umgrenzbare Kommunikationsgemeinschaften geht.

Mathias

--
»Menschen sind faule Bruten« - glowhead