Detlef Steinmann: empfehlenswertes Betriebssystem, Win, Linux, Mac...

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Hallo Christian,

so, so, du benutzt also schon immer Windows. Nun, das hat natürlich zur Folge, daß du dich auf die Art und Weise, wie MS dich durch den PC führt eingestellt hast. Ups, habe ich gesagt "durch den PC führt"? Darf man das so sagen?

Vorneweg:
Zur Vereinfachung fasse ich hier einige Unixderivate zusammen, denn das, worüber ich schreibe, haben diese wohl gemeinsam.
Ich selbst benutze fast nur Win98. Die Erklärung dafür bleibe ich hier jetzt mal schuldig - es würde den Rahmen entgültig sprengen.

Ich arbeite mit PCs seit DOS 3.3. Damals gab es keine GUI und Bill hatte erst kürzlich bekannt gegeben, daß es nie ein Programm geben würde, das mehr als 640 _kilobyte_ RAM brauchen würde. So kann man sich täuschen...

Worauf will ich hinaus? Auf einen hinkenden Vergleich:
Dos war damals in etwa so wie frühe Linux Versionen. Alles wurde eingetippt und von Hand eingestellt. Der PC war was für Kenner. Erst wenn das eigentliche Programm, z.B. die Textverarbeitung oder Buchhaltung geladen war, durften auch "nicht eingeweihte" an die Tastatur.

Jetzige Linux GUIs (sorry, ich kenne auch nur Gnome und KDE) sind mit Windows 3.1 oder 9x vergleichbar, was die Möglichkeiten der Systemmanipulation und Konfiguration angeht. Was wichtig ist, wird auf der Shell gemacht, wie bei MS auf der DOS Ebene.

Der große Unterschied liegt in der unglaublichen Freiheit und Mächtigkeit der Werkzeuge für Linux. Es gibt nicht eine Shell so wie es ein DOS gab (sorry, ich unterschlage jetzt mal alles, was was von MS plattgewalzt wurde) sondern duzende, und das sogar frei wählbar auf der gleichen Maschine. Es gibt nicht nur eine GUI sondern viele, und du kannst sie alle installieren und jede ausprobieren, ohne das OS selbst wechseln zu müssen.

DU hast es in der Hand - du bestimmst über deinen PC. Linux stellt dich vor die Qual der Wahl.

Bei Windows beobachte ich einen Trend zur Vereinfachung der Benutzung und gleichzeitiger Entmündigung des Benutzers. Das OS nimmt dir immer mehr ab und enthält dir immer mehr vor.
Kleines Beispiel: Kennst du noch den Windows Explorer? Ja, daß ist das Programm, das einem die Dateien auf der Festplatte anzeigt. Dieses Programm, das der eigentliche Kern des OS ist, denn ohne Dateizugriff geht nun mal nix, wird bei jeder neuen Windowsversion besser versteckt und die Anzeige wird immer mehr gefiltert. Mehr noch, obwohl es möglich ist, Filter abzuschalten und die Darstellungsart zu ändern, beharrt Windows darauf so bald als möglich diese _persöhnlichen_ - also deine! - Einstellungen wieder rückgängig zu machen. Das ist kein Einzelfall, sondern zieht sich durch viele Programme. Bist du jetzt Herr oder Knecht des Apparates vor deiner Nase?

Nun, eigentlich wollen "normale" Benutzer ja auch gar nicht mit dem Betriebssystem oder dessen Einstellungen hantieren, sondern sind froh wenn _das_ zuverlässig Funktioniert und sie möglichst schnell das eigentliche Programm aufrufen können (Ups, sind wir jetzt wieder bei der Textverarbeitung oder der Buchführung? Wofür brauche ich da eine GUI? Aber das nur am Rande - imho ist das OS doch nur Mittel zum Zweck, es wird mir zu oft als das Allheilmittel selbst angepriesen.)

Nun, die Entwicklung geht weiter. Im MS Wunderland geht bald alles automatisch - bis hin zum Absturz - und Manipulationen werden so gut wie ausgeschlossen. Das nennt man dann Standardisierung oder Einheitsbrei. Der Vorteil: Alles geht irgentwie gleich. Das macht Schulungen einfach und Handbücher überflussig. Statt Anleitung zum Betriebssystem (Win 3.1 - 350 Seiten oder so) gibt es einen XP Hochglanzprospekt (und selbst den liest keiner). Der Nachteil: Wenn erst mal alles automatisiert ist, ist der PC nicht mehr Interaktiv, denn _du_ bist überflüssig. Warum also nicht gleich vor den Fernseher setzen und andere Leute kreativ sein lassen? Aber da greife ich vielleicht etwas zu weit voraus.

Linux geht zum Glück zwei Wege:
1. Vereinfachung für "normale Benutzer", was dazu geführt hat, daß jemand, der nie am PC gesessen hat, mit Gnome und Openoffice genauso schnell oder langsam zurechtkommt, wie mit Windows und MS Office.
2. Verbesserung der Werkzeuge _und_ deren wachsende Einbindung in GUIs, damit alles von überall aus kontrolliert werden kann. Und damit meine ich nicht, daß der PC den Benutzer kontrolliert, sondern die Kontrolle des PCs und _aller_ seiner Eigenschaften durch den Benutzer - wenn er denn dazu Lust hat.

Mein Fazit:
Nichts ist schöner, als die Freiheit zu haben, wählen zu können. Werde auf deine Art glücklich. Deine Wünsche werden von MS-Programmen erfüllt - herzlichen Glückwunsch. Du glaubst, es gibt da noch etwas anderes, etwas was du selbst noch gar nicht in Worte fassen kannst, weil deine Vorstellung davon noch gar nicht ausgereift ist? Nun, dann suche, lese und bilde dich weiter - du wirst unweigerlich auf etwas stoßen, was mit Linux zu tun hat. Das liegt in der Natur der Sache. Es gibt nicht nur Firmeninteressen, die verfolgt werden, sondern auch oder vor allem, Ideen einzelner Personen oder kleiner Gruppen, die real werden (sollen...). Vielleicht findest du genau da, was dir jetzt noch fehlt. Ich gehe davon aus, daß dir etwas fehlt, denn sonst hättest du nicht gefragt, wärst wohl noch nicht mal in diesem Forum, stimmt's?

Beste Grüße aus PY

Detlef

P.S. Wenn ich mir _richtig_ Mühe gebe, kann ich sogar _noch_ mehr schreiben, als meine Frau ;-)