offline: "Wert" einer Online-Börse - z.B.: Bundesagentur für Arbeit

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Freitag, 27. Februar 2004
Kostenexplosion bei Online-Börse
Staatsanwaltschaft prüft

(n-tv.de) Die Kostenexplosion beim so genannten Virtuellen Arbeitsmarkt (VAM) der Bundesagentur für Arbeit (BA) beschäftigt nun auch die Staatsanwaltschaft. Nach Angaben der Nürnberger Anklagebehörde überprüften die Ermittler, ob bei dem millionenschweren Projekt BA-Mittel veruntreut wurden. Nach BA-Angaben hatten neue Berechnungen ergeben, dass bis 2008 Kosten von rund 165 Mio. Euro anfallen würden. Ursprünglich waren 65 Mio. Euro veranschlagt worden.

Unterdessen hat die SPD den neuen BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise für kommenden Mittwoch in den Bundestags-Wirtschaftsausschuss eingeladen. Weise könne damit die Abgeordneten "direkt und unmittelbar" über die jüngsten Vorgänge bei der Behörde unterrichten, erklärte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Klaus Brandner, am Freitag. Auch die Union hatte Weise aufgefordert, dem Gremium Rede und Antwort zu stehen.

Die Bundesregierung hat sich hinter den BA-Chef gestellt. "Alles wird rückhaltlos aufgeklärt. Dazu hat Herr Weise unser volles Vertrauen", erklärte das Arbeitsministerium.

BA-Innenrevision informierte Staatsanwaltschaft

Den Anstoß zu den Vorermittlungen hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft die Bundesagentur selbst gegeben. Am vergangenen Montag habe die Behörde eine Mitteilung der BA-Innenrevision erhalten. Die BA-Vertreter hätten sich bei ihrem Verdacht auf einen anonymen Hinweis im Zusammenhang mit dem Ausbau des Virtuellen Arbeitsmarkts bezogen.

Ermittlungen seien aber noch nicht eingeleitet, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Träg. Die Prüfung richte sich auch nicht gegen eine konkrete Person. "Es geht auch nicht um Bestechung."

Intern wird Korruptionsverdacht geprüft

Intern geht die BA aber einem Korruptionsverdacht nach. Nach Angaben des neuen BA-Chefs Frank-Jürgen Weise untersucht die Innenrevision derzeit die Vergabepraxis nach möglichen Ungereimtheiten. "Im äußersten Fall war es Korruption, es kann aber auch gar nichts dran sein", so Weise in der "Süddeutschen Zeitung".

Das Interesse der BA-Innenrevision konzentriert sich vor allem auf die Vergabe von Aufträgen für den Ausbau der Online-Stellenbörse in Höhe von rund 15 Mio. Euro. Bei diesem Teil des Projekts besteht der Verdacht, dass Aufträge an der Vergabestelle der BA vorbei der IT-Firma Accenture erteilt wurden.

Weise zieht die Notbremse

Am Mittwoch hatte Weise den Ausbau der Internet-Stellenbörse wegen technischer Mängel und finanzieller Risiken überraschend gestoppt und VAM-Projektleiter Jürgen Koch von seinen Aufgaben entbunden. Laut Weise hatte Koch bis vor zwei Monaten erklärt, der Kostenrahmen liege bei 77 Mio. Euro. "Meine Controller sind dann reingegangen und mussten feststellen, dass dies schon zu diesem Zeitpunkt falsche Angaben waren", sagte Weise der "Süddeutschen Zeitung". Er bestätigte, dass ohne Rücksprache mit dem Vorstand Aufträge vergeben wurden, die nicht ins Budget passten.

Weise geht davon aus, dass die Bestandsaufnahme etwa zwei Monate in Anspruch nehmen wird. Bis dahin will der BA-Vorstand entschieden haben, ob man den Ausbau fortsetzt, um ein Jahr verschiebt oder einen ganz anderen Weg geht.

Pleiten und Pannen

Schon der Start des Virtuellen Arbeitsmarktes - Prestigeobjekt des im Februar entlassenen BA-Chefs Florian Gerster - am 1. Dezember vergangenen Jahres war von Pannen geprägt: VAM war noch nicht richtig freigeschaltet, da brach das System schon zusammen. Ein unerwartet großer Ansturm von Jobsuchern auf "wwww.arbeitsagentur.de" legte die neue Online-Jobbörse für Stunden lahm - für Experten ein erster Hinweis auf die technische Unzulänglichkeit des neuen Systems, das zur zentralen Säule der BA-Reform werden sollte.

Auch ansonsten weist das Projekt etliche Webfehler auf. So lieferte VAM zum Teil abstruse Suchergebnisse bei Stellenanfragen. Noch bis zum Donnerstag bot der BA-Server arbeitslosen Astronomen zwar zahlreiche Stellen als "Fachmann für Systemgastronomie" an, aber keine einzige für einen Sternenkundler.

Dennoch will die BA am Internet-Portal festhalten - obwohl Experten bereits heute von einem "Millionengrab" reden. Eine BA-Sprecherin: "Es steht außer Frage, dass der Bedarf für ein modernes Online-Stellenportal und für die Erneuerung des internen Computernetzes vorhanden ist."

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http://www.n-tv.de/5218663.html
http://www.arbeitsagentur.de