Hi Tom,
Wichtiger finde ich, was Papst Benedikt heute für eine Gesinnung hat.
Richtig. Obwohl ich doch das Gefühl habe, dass in der Generation meiner Eltern und Lehrer meist verdeckt noch eine Menge Nazi-Ideologie unterwegs war, dass sie die NS-Erziehung stärker geprägt hat als offenkundig wurde. Dabei meine ich nicht offenkundige politische Positionen, da hatten die meisten die Nase gestrichen voll vom Hitler-Flachpfeifentum, mehr in unscheinbaren Vorurteilen und Meinungen.
Ein Beispiel, das mir unmittelbar einfällt, waren die vielen Ängste und Vorbehalte gegenüber fremden Kulturen. Lustiges Detail: Als ich klein war, fuhren die kleinen Leute immer weiter durch Europa mit dem neuen Statussysbol. Damals gab es eine Reihe von Firmen, die alles urdeutsche Essen in Dosen verpackte, vom Schwarzbrot über Margarine bis zu Königsberger Klopsen, weil man unterschwellig Angst hatte, augenblicklich hinzuscheiden, wenn man das grauslige italienische oder spanische Essen einnehmen würde, allein schon wegen dem darmvernichtenden Olivenöl...
Vor Ort gab's dann oft deutsche Restaurants, wo man dann mit Pils und Schnitzel weitermachen konnte, genau das Richtige bei 40 Grad im Schatten. Erst nach und nach fingen die mutigsten Touris an, Sauereien wie Pizza und Pasta in sich hinein zu fressen....
Wieviel die NS-Erziehung in die Köpfe gebeamt hatte, haben auch wir Kinder damals nicht gemerkt, aus heutiger Sicht kaum zu glauben. Mein Sportunterricht begann damals mit Aufstellen in Reih und Glied. Wenn dann die Klasse formiert war, kam der Befehl: "Rechts um, Laufschritt!" In den 60er Jahren *g* So richtig aufgefallen ist uns das erst durch die rebelllischen Studenten, auch in anderen Bereichen, vor allem auch in der extremen Verklemmtheit im sexuellen Bereich. Auch den Hass auf die Schwulen würde ich in diese Kategorie packen.
Unscheinbar sickerten solche Spuren auch immer noch durch die Alterssprache in Wendungen wie "bis zur Vergasung", aber auch in Nazi-Eindeutschungen wie "Schriftleiter" statt Redakteur. Auch der linke US-Hass stieß bei vielen aufgrund der braunen Vergangenheit auf fruchtbaren Boden, denke ich.
Ich spreche hier nicht über Ratzinger, das möchte ich noch anmerken, da ich mich bisher nicht richtig mit seinen Publikationen beschäftigt habe, ich wundere mich da sowieso über das starke Interesse, aber die Medien haben uns halt gut im Griff. Da sie nunmal eine Weltsensation daraus gemacht haben, dass eine bayrischer Opa Papst geworden ist, werden wir uns wohl damit beschäftigen müssen.
Lustig auch, welch geradezu mystische Kraft der katholischen Kirche in den letzten Wochen zugeordnet wird: Da hat der alte Papst den bösen Kommunismus besiegt, Jugoslawien auseinanderdividiert, ist Ursache für Hunger und AIDS. Na, mal sehen, welch fromme Denkungsart die Medien als nächstes in die Hirne beamen *g*
Viele Grüße
Mathias Bigge