Schuer: Die kommerzielle Zwangsjacke

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Alles muss aalglatt sein, muss aus einer dienenden Haltung dargebracht werden, der Besucher der Site ist der zu umhudelnde Gast, dem man, wenn das möglich wäre, am Liebsten noch während seines Aufenthaltes Kaffee und Kuchen reichen würde.

Derartige Webangebote sind meist aufgrund ihres unbeholfenen Inhalts erkennbar und entstehen nicht selten daraus, dass die für den Text zuständigen Autoren recht mangelhafte Erfahrungen auf ihrem Gebiet haben oder aber schlicht keine inhaltliche Betreuung für die Entwicklung der Website zur Verfügung stand, sprich der Konzepter/Designer/Techniker die Texte knödeln musste. Als Folge daraus entstehen viele dieser von dir beschriebenen ungeschickten, unterwürfigen, schleimenden und sabbelnden Webangebote, die in der Regel ähnlich wirkungslos sind wie die nicht redenden Webangebote dieser Welt, die irgendwann einsam zugrunde gehen.

Symbolisch gesehen lässt sich die Kommunikationsfähigkeit eines Webangebots übrigens recht gut mit der des Concierges eines Hotels vergleichen. In schlechten Hotels ist der Tonfall schroff und der Aufenthalt unangenehm. In schlechten Hotels, die sich für gute Hotels halten, ist der Tonfall unterwürfig und der Aufenthalt oft durchwachsen und/oder mit arg fadem Beigeschmack. In besonders guten Hotels jedoch ist der Umgang mit dem Gast jederzeit respektvoll, kommunikativ und rundum angenehm. Es muss nicht immer ehrlich sein, aber jederzeit und bis zur Perfektion professionell.

Alles muss in den für ihn gewohnten Bahnen ablaufen, je weniger er sich auf die Site einstellen muss und je mehr er in seinem gewohnten Verhalten erstarrt bleiben darf, desto besser.

Diese Einstellung entsteht zwangsläufig aus den Grundwerten der Usability, die darauf abzielt, dass der Nutzer möglichst intuitiv bedient wird und nicht über die Funktion eines Objekts nachdenken muss, sondern sich vollständig mit dessen Inhalt und Nutzen beschäftigen kann. Steve Krug beschreibt das in seinem Buch über Webusability mit den Worten "Don't make me think!".

Das Resultat? Professionelle Seiten empfinde - wenigstens - ich oft als schlicht und einfach langweilig, ein Einheitsmatsch, dessen Design sich in erster Linie durch der Farbgebung und die Platzierung des Menüs unterscheidbar macht.

Kann ich gut nachvollziehen. Aber übertrage das mal auf andere Bereiche: wie empfindest du etwa Autos? Sehen sie nicht auch alle sehr ähnlich aus, bestehen aus dem gleichen Material, lassen sich einheitlich bedienen und unterscheiden sich hauptsächlich durch Kleinigkeiten? Es gibt auch hier unterschiedliche Grundformen, vom Sportler bis zum Jeep oder Van, die sich über lange Zeit etabliert haben.

Wenn also Websites eine recht einheitliche Anmutung haben, muss das nicht zwangsläufig langweilig sein. Wenn allerdings der Inhalt nicht überzeugen kann, ist es beinahe zwangsläufig langweilig.

Finde ich ne klasse Idee, würde mich freuen, so eine Seite zu besuchen, wie es mich grundsätzlich freut, Seiten zu besuchen, die aus dem drögen Einheitsmatsch herausstechen.

Ein Ausbrechen aus Konventionen ist auch im Web sicherlich die höchste Kunst, nur kann man diesen Punkt wie so oft ganz großartig versauen, wenn man an falschen Stellen und in der falschen Art ausbricht. Und da diese Stellen nicht offensichtlich sind, sondern mit viel Erfahrung erkannt werden müssen, neigt man häufig zum Gewohnten und macht Pop. Ein bisschen Punk im Netz ist allerdings großartig, solange er authentisch ist.

Das wollte ich einfach mal gesagt und nicht bloß für mich gedacht haben,

Es war ein sehr schöner Gedankengang. Gerne mal mehr davon!

Viele Grüße!
_ds

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Grand Prix Vorausscheidung: Herrlich! Überzeugender kann man sich kaum blamieren, falls man nicht gerade mit zwei Tüten Eis in der Hand auf der Kölner Domplatte vor 20 Schulkindern auf die Fresse fällt.
Das kleine Seitenschwein, dub du dubn da dap da