Moin!
Wie auch immer - wie willst Du es bewerkstelligen, dass es keine Studienabbrecher mehr gibt?
das will ich gar nicht.
aber die "ich hab jetzt nach der schule keinen dunst, was ich machen soll, also vertreibe ich mir die zeit jetzt erst mal mit studiengang xy"-nasen - die würde ich gerne davon abhalten, derart sinnlos öffentliche mittel zu verbrennen, ja.
Das wird mit der Einführung von Studiengebühren aber nicht gelingen.
Aktuell sind viele Studiengänge durch den Numerus Clausus zugangsbeschränkt - es kommen also nur die besseren Abiturienten rein, darunter natürlich auch die, die "nur mal irgendwas studieren wollen". Und es kommen die rein, die lange genug gewartet haben. Ob bei letzteren der Anteil an "ich weiß immer noch nicht, was ich studieren soll"-Anwärtern noch besonders hoch ist, würde ich mal in Zweifel ziehen.
Mit Studiengebühren würde lediglich noch ein Finanzfilter eingebaut: Diejenigen, die von der Abinote zwar gut sind, sich aber ein Studium dann nicht leisten können, fallen weg. Bleibt also mehr Platz für diejenigen, die zwar schlechter sind, sich das Studium aber leisten können, und trotzdem "nur mal irgendwas studieren wollen". Denn ich nehme mal stark an, dass der Anteil dieser Schulabgänger, die noch nicht genau wissen, was sie wollen, durch alle Notenstufen hinweg identisch ist.
Oder willst Du wirklich jeden Studenten sein ganzes Studium voll zahlen lassen?
dass er für die vorschussleistung der gesellschaft, ihm ein studium zu ermöglichen, auch in angemessenem maße etwas zurückgibt - ja, da wäre ich dafür.
(das "angemessen" nicht = "voll" sein muss, bedarf jetzt hier m.E. keiner ausführlicheren diskussion.)
Ich sehe einige Probleme mit der jetzt diskutierten Einführung von Studiengebühren.
1. An den staatlichen Hochschulen ändert sich, außer dass erstmal neue Einnahmen entstehen, ja nichts. Die Professoren bleiben die gleichen, die Strukturen bleiben die gleichen, die Ineffizienzen bleiben die gleichen, der Vorlesungsstoff bleibt gleich, die wissenschaftlichen und sonstigen Mitarbeiter bleiben gleich - das heißt also, dass sich der staatliche Student trotz seiner gezahlten Studiengebühr mit absolut denselben Unzulänglichkeiten herumschlagen muß, die er bislang wenigstens noch recht kostenfrei erhielt. Denn im Gegensatz zu privaten Hochschulen, die ja den zurecht bestehenden Ruf haben, nicht nur teuer zu sein, sondern auch sehr gute Lehrkräfte zu haben, müssen sich die staatlichen Hochschulen ja weiterhin mit dem verbeamteten Personal herumschlagen und werden es nur durch Eintritt in den Ruhestand los.
Fakt ist: Es ist absolut unmöglich, einen einmal beamteten Professor wieder loszuwerden. Es gibt 6 Monate Probezeit, in der der ausgesuchte Neuprofessor sich bewähren muß, und danach war es das dann gewesen. Man muß sich als Aspirant also nur 6 Monate am Riemen reißen und kann danach dann die Trickkiste so richtig auspacken. Been there, done that, have the t-shirt. Dasselbe gilt für wissenschaftliche Mitarbeiter. Solche Nullnummern findet man mit Sicherheit an jeder staatlichen Hochschule.
2. Wenn man die privaten Hochschulen in dieser Diskussion als scheinbares Vorbild nimmt (klingt ja toll, da sind nur bezahlte, kündbare Top-Profis, die Studenten haben wegen ihrer Gebühren auch ein richtiges Druckmittel gegen Nullen), muß die Frage gestellt werden: Können private Hochschulen den Bildungsbedarf überhaupt komplett abdecken? Immer, wenn Privatwirtschaft am Werk ist, will irgendwer Geld verdienen. Geld verdient man aber nur, wenn für das eigene Angebot hinreichend Nachfrage vorhanden ist. In typischen Boom-Bereichen wie z.B. Jura, Wirtschaftswissenschaften oder Ingenieuren (z.B. Wirtschaftsingenieur, Informatik) ist das offenbar der Fall, weshalb entsprechende Studiengänge an privaten "Elite"-Hochschulen in Deutschland gerade stark im Kommen sind.
Hinten runter fallen an derartigen Einrichtungen aber naturgemäß Studiengänge, für die sich nur wenige Studenten entscheiden. Denn zwangsläufig muß für ein umfassendes Studium ein breites Themensprektrum abgedeckt werden, was wiederum die Anwesenheit entsprechend gebildeter Professoren und Lehrkräfte bedeutet. Eine Vorlesung für 100 Studenten ist aber ungleich kosteneffizienter als eine Vorlesung für nur 10 Studenten. Der Professor erhält ja in jedem Fall einmal sein Gehalt, aber die wahren Kosten für den Studiengang sind bei weniger Studenten natürlich anteilig viel höher. Eine private Hochschule würde also exotische Studiengänge wahrscheinlich wesentlich teurer anbieten müssen, als die beliebten Studiengänge.
Also fallen Studienfächer der Fachbereiche "Orientalistik" (darunter so weltbekannte Fächer wie Iranistik, Austronesistik oder Thaiistik) oder "Kunstgeschichte und Kulturkunde" (mit beispielsweise systematischer Musikwissenschaft, Mesoamerikanistik oder der guten alten Kunstgeschichte) wahrscheinlich durch das Raster privater Hochschulen, weil sich nicht genug Nachfrage erzeugen läßt, um wirtschaftlich zu agieren. Hohe Studiengebühren wirken zusätzlich abschreckend, niedrige Gebühren müßten subventioniert werden.
Wenn solche wirtschaftlichen Überlegungen aber die Hauptrolle spielen für das Angebot von Studienfächern, dann halte ich das für sehr bedenklich. Natürlich wird man Studenten entsprechend exotischer Fächer eher belächeln oder mit den Worten "Was kann man damit denn später mal werden?" abkanzeln. Dies aber auch nur aus dem Vorurteil heraus, dass man meint, diese Studenten hätten für das wirtschaftliche Vorankommen des Landes keinen besonderen Wert.
Wirklich nicht? Sind Betriebswirtschaftler immer die besseren Manager? Könnte man nicht genau denen vorhalten, sie würden lieber kalt auf die Unternehmensgewinne schauen, anstatt die Mitarbeiter zu würdigen, und notfalls eben Entlassungen vornehmen. Wie würde sich ein studierter Kunsthistoriker an dieser Stelle verhalten?
Es wird in der Diskussion um Studiengebühren leider komplett finanziell argumentiert. "Igitt, Bildung kosten die Allgemeinheit ja was, das sollen die Studenten gefälligst selbst bezahlen, die haben ja hinterher auch ihr tolles Gehalt deswegen, und zahlen das nie je über die Steuern wieder zurück!" Ich denke aber nicht, dass sich die durch den Staat vermittelte Bildung nur mit Geld aufwiegen läßt.
Zum einen ist es nun mal extrem von der jeweiligen Persönlichkeit, Intelligenz und Sozialisierung einer Person abhängig, wieviel der ihr zuteil gewordenen Bildung tatsächlich hängenbleibt. Die Art der Wissensvermittlung spielt dabei eine wichtige Rolle. Man kann also nicht vorhersagen, wieviel Bildung tatsächlich nutzbringend umgesetzt wird, oder als Kurzformel: Wieviel IQ pro Euro generiert wird. Der schlaue Student wird nach dem Studium mutmaßlich viel erfolgreicher sein und deshalb alle dummen Studenten, bei denen es nur zu mittelmäßigen Leistungen gereicht hat, auch noch subventionieren, obwohl bei denen doch das meiste Geld nutzlos versickert ist. "Skandal!"
Zum anderen hat Bildung nun einmal unbestreitbar noch weitaus mehr Auswirkungen, als nur das persönliche Einkommen des ehemaligen Studenten und damit verbunden Steuerzahlungen zurück an den Staat. Mir fehlt in der Diskussion vielmehr die Anerkennung, dass Bildung weitere, nur schwer meßbare Auswirkungen hat. An Bildung hängt das gesellschaftliche Klima, der allgemein gespürte Zufriedenheitslevel, die Bereitschaft zu persönlichen oder unternehmerischen Risiken, Aufbruchstimmung oder Resignation, die Bewältigung von Aufgaben. Wo wäre das vielbeschworene "Volk der Dichter und Denker", wenn niemand mehr in der Lage ist, auf höchstem Niveau zu dichten und zu denken.
Wir müssen und Bildung also leisten wollen. Und das kostet Geld. Eigentlich haben wir sogar keine andere Wahl, als uns Bildung zu leisten, denn außer Bildung haben wir unterm Strich nicht besonders viel zum Exportieren.
Dass wir damit aber offenbar ein gesellschaftliches Problem haben, zeigen diverse Diskussionen, die in der Vergangenheit gelaufen sind. Zuerst wollte keiner Elite-Universitäten, weil Elite ja eklig ist - wo bleibt da die Chancengleichheit. Dann wollte keiner so recht PISA akzeptieren (einige Bundesländer haben lieber gleich gar nicht mitgemacht). Und über allem schwebt immer die Aussage "Wir haben doch kein Geld, wir müssen sparen!"
Naja, man kann sich auch kaputtsparen. Und warum will sich der nicht-studierende Teil der Bevölkerung aus der Verantwortung für die Finanzierung (über Steuern) der Hochschulbildung zurückziehen, obwohl die doch von den positiven Effekten genauso profitieren?
- Sven Rautenberg