Hallo,
Ich fürchte, darauf wird es am Ende hinauslaufen :-(
Naja das von eurer seite ist ja normal dass man nicht unendlich viele einstellen kann, aber dass sich so viele für eine einzige Stelle bewerben wusste ich bisher nicht. Ist das in anderen Bereichen ähnlich?
Allerdings machen wir es uns wirklich nicht leicht, haben rund 20 Leute zum Gespräch eingeladen, und dann schauen wir uns einige noch in ein paar Schnuppertagen an. Mein Horror: Ich sehe jetzt schon, daß am Ende zwei bis drei wirklich brauchbare Leute hängenbleiben, und dann kann eine Entscheidung letztlich nur sehr subjektiv sein...
Mein Bruder kommt jetzt gerade auch aus der Schule raus und er hatte mächtig viel Glück, auf jeden Fall viel mehr als Verstand ;-). Er hat sich eigentlich als alles mögliche beworben, aber eigentlich nur ca. 20 Bewerbundgen weggeschickt [1]. Er betreibt mit freunden (wobei er wohl der Chefentwickler ist) die Webseite http://flashtac.de, auf welcher sie Lustige Flashfilmchen veröffentlichen. Die erste Firma, die ihn zum Gespräch einlud war eine kleinere Webdesign Firma und sie machte ihm große Hoffnungen, weil sie meinten, dass er ihnen sehr gut gefällt und so. Danach dachte er schon dass er eigentlich fast einen Ausbildungsplatz hat und wollte schon gar keine weiteren Bewerbungen schreiben. Zum Glück war das schon im Januar, denn zwei monate Später also mitte März rief die Firma an um ihm abzusagen. Und das mitten in den Vorbereitungen der neuen viel besseren Version der Seite, die er ihnen unbedingt zeigen wollte (davor war sie lange nicht so ausgereift und wohldesignt). Er hat die Hoffnung irgendwie fast ganz aufgegeben und hat dann gar nicht mehr daran gearbeitet, obwohl sie schon fast fertig war. Irgendwie konnte ich ihn dann doch überzeugen immer mal wieder weiter daran zu arbeiten und dann noch etwas später war sie doch fertig. Nicht extra für die Firma sondern für die Leute, die die Seite gern besuchten und sich die Filme anschauten.
Irgendwann wurde er von einem Reisebüro eingeladen ein einwöchiges Praktikum zu machen. Da wollte er aber eigentlich gar nicht hin, weil eine andere Mediendesign Firma da was anklingen lassen hat, dass vielleicht irgendwann eventuell und so weiter. Er ist aber doch zu diesem Praktikum gegangen und hat mit erstaunen festgestellt, dass es dort eine ziemlich große IT Abteilung gibt. Dort bekam er die Aufgabe ein kleines Flashspiel zu programmieren, was er dann auch gut innerhalb der Zeit hinbekommen hat. Er hat dem IT Chef seine neue Seite gezeigt und dieser war super schweer beeindruckt. Er war so beeindruckt, dass er ihm schon nach drei Tagen Praktikum eröffnet hatt, dass sie ihn ausbilden wollen würden wenn er lust dazu hat.
Das interessante kommt aber erst jetzt. Den Montag darauf sollte er den Vertrag unterschreiben. Also fuhr er mit unserem Vater hin. Und dann fing die Personalchefin an:
Also eigentlich nehmen wir ja nur Abiturienten und du hast nur Realschule, aber wir machen da mal ausnahmsweise eine Ausnahme. Wenn wir schon ganz selten diese Ausnahme machen, dann möchten wir aber dass du ein einjähriges Praktikum bei uns machst (d.h. ohne Bezahlung und ohne dass das als Ausbildung angerechnet wird). Da drängte sich der IT Chef ins Gespräch und sagte: Aber das haben wir schon geklehrt, da du ja in diesem Gebiet so viel Erfahrung hast, erlassen wir dir dieses Jahr und du kannst gleich im August anfangen. Da gibt es nur noch ein Problem, fuhr die Personalchefin fort, wir haben eigentlich nur zwei Ausbildungsplätze zu vergeben und die sind schon beide an zwei Abiturienten vergeben. Aber da der [Name des IT Chefs] dich unbedingt haben will machen wir ausnahmsweise eine Ausnahme und stellen dich als dritten Azubin ein.
Weiterhin haben die da mehrere IT Bereiche, in die er im ersten halben Jahr überall mal reinschnuppern soll (d.h. überall ein paar wochen arbeiten) und danach soll er selbst entscheiden, in welchem Bereich es ihm am besten gefällt und wo er sich dann so zu sagen spezialisieren möchte. Dazu bekommt er noch ein Zimmer von der Firma gestellt (für dass er aber jeden zweiten Samsag oder so arbeiten muss).
Als mein Vater mir das dann erzählte meinte er: Ich dachte wo bin ich hier? Sind wir denn berhaupt noch in Deutschland? Das habe ich ja noch nie erlebt, dass sich eine Firma so für einen zukünftigen Lehrling einsetzt.
Erschreckend ist allerdings wirklich, wie wenig die Kids heute darüber lernen, wie man eine vernünftige Bewerbung schreibt.
[1] Ja, das habe ich auch gemerkt. Ich habe meinem Bruder im Januar erst mal bei den ersten fünf ganz viel unterstützt, weil er anscheinend aus der Schule fast gar nichts mitnehmen konnte, außer eine Mappe vom Arbeitsamt mit einer Musterbewerbung von vor ein paar Jahren, die aussah, als ob sie für eine Normale Schreibmaschine designt wurde. Wie man aber das ganze in Form bringt, was wo hin soll, wie man sich ausdrückt und vor allem wie man sich ins richtige Licht rückt wurde ihnen scheinbar gar nicht beigebracht. Das finde ich vor allem in diesen Zeiten sehr schade, da hatte ich es vor 12 Jahren doch viel enfacher, nicht nur weil es mehr Ausbildungsstellen gab.
Grüße
Jeena Paradies