Hi Gernot,
Der Begriff wäre mir zu wenig abgegrenzt, da müsste ich ja doch auch wieder einzelne Wörter am Satzende abtrennen.
Was meinst Du?
Da würde ich eher eine ziemlich liberale Regel wie "setze dann ein Komma, wenn du beim Vorlesen mal wieder Luft holen musst" vorstellen, verbunden mit der Empfehlung, nicht zu sprechen wie Ernst-Dieter Lueg.
Das Luftholen ist genauso ein subjektives Kriterium wie das bewusste Setzen von Sinnabschnitten.
Die Englische Regel "When in doubt, leave it out" fände ich hier ausnahmsweise auch nicht schlecht.
Diese Tendenz findet sich ja auch in der Reform, und ich erlebe sie als negativ. Mir fällt beim Lesen von Klassenarbeiten immer wieder auf, dass ich Passagen wiederlesen muss, wenn ein längeres Konstrukt mit Infinitiv + "zu" ohne Markierung beginnt, das man zunächst nicht als neuen Sinnblock erkennen kann.
Bei dem herrlichen Eiertanz um Kombinationen von Nomen und Verben würde mir die Regel gefallen:
"Kombinationen aus Nomen und Verb können getrennt oder zusammen und dann klein geschrieben werden."
Wie soll das aber bei trennbaren Verben aussehen?
Eine interessante Frage. "Ich steige Berg", ich gebe Acht. Vielleicht kann man hier nicht so leicht eine simple Regel finden, wenn man das Phänomen der trennbaren Verben als typisch deutsche Form nicht in Frage stellen will.
Das Ganze dient eh nur der Legitimation von Zusatzstunden bei der Ausbildung von Stenokontoristinnen....
Im Gegenteil, es ist auch ein Erfolg der Reform, dass der übertriebene Kult um die Rechtschreibung, den wir hierzulande zuvor immer veranstaltet haben, nachgelassen hat.
So wirkt es sich im Privatleben tatsächlich aus. Als Deutschlehrer verfolge ich den Millionenaufwand der Umstellung seit einigen Jahren und entgegen Deiner Hoffnung wird das Reformvorhaben institutionell extrem Ernst genommen und kostenpflichtig für den Steuerzahler in die Tat umgesetzt. Die erneute Änderung der Reform halte ich in der Sache für richtig, für die Schule ist sie eine Katastrophe. Wie solllen die Schüler jemals zu einem sicheren Gefühl für Schreibweisen kommen, wenn sie im Unterricht mit den verschiedensten Varianten in Lehrmaterialien konfrontiert werden? Spätestens bei der Reform der Reform wird niemand mehr die Mittel haben, alle Klassensätze von Deutschbüchern auszutauschen.
Eine persönliche Erfahrung. In einer Klasse von Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten hatte ich gerade Material zur Getrenntschreibung erstellt, als die Nachricht von der geplanten Änderung kam. Ich habe die Reihe dann abgebrochen. In diesem Bereich wird übrigens von vielen Arbeitgebern nach wie vor Wert auf korrekte Schreibweisen gelegt und das gilt für viele Büroberufe.
dass Parteitaktiker das Thema für sich entdeckt haben
Das ist die klare Folge einer Politisierung und Bürokratisierung der Sprache, für die Du ansonsten eintrittst. Wenn Du dafür bist, dass die Grammatik von der Politik reguliert werden soll, musst Du politische Diskussionen dieses Themas akzeptieren.
So ein Theater möchte ich wirklich nur alle "Jubeljahre" erleben. Von mir aus kann man die Kompetenz dann zwischenzeitlich auch wieder an die Wörterbuchredaktionen delegieren.
Das "zwischenzeitlich" würde ich gern streichen. Die deutsche Sprache hat sich über Jahrhunderte entwickelt, in der Tendenz zu einfacheren Strukturen. Die Kultusminister könnten dem Rechnung tragen, indem sie auch in der Schule einen offeneren Umgang mit Regeln zulassen würden.
Viele Grüße
Mathias Bigge