Mathias Bigge: Israel, schaff Atomwaffen ab!

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Hi Gernot,

die Debatte wird immer länger, deshalb ein Fazit am Anfang: Du gehst davon aus, dass der Westen Israel widerrechtlich in Palästina installiert habe, was so auch nicht stimmt, wenn Du es wiederholst. An der israelischen Siedlungspolitrik waren verschiedenste Kräfte beteiligt und haben daran verdient.

Der Kolonialist in der Region war über Jahrhunderte das Osmanische Reich. Viele Konflikte in der Region rühren daher, bis heute. Der Irak war immer wieder der Streitapfel zwischen Persern und Osmanen, daher die religiösen Spannungen. Ein anderes Spannungsmoment ist der Umgang der regionalen Mächte mit den Kurden, etwa wenn Syrien lange die kurdischen Separatisten gegen die Türkei unterstützt hat. Gleichzeitig gibt es mehrere andere Konfliktpunkte zwischen der Türkei und Syrien, zwischen der Türkei und dem Irak. All diese Konflikte sind völlig unabhängig von der Existenz Israels, auch wenn der eine oder andere Despot seine Politik damit immer neu legitimiert. Die einizge Möglichkeit für Israel, dieser dummen Propaganda ein Ende zu setzen, wäre kollektiver Selbstmord.

Die Siedlungspolitik ist verfehlt, aber Israel war doch zu konkreten Zugeständnissen bereit.
..., die leider nicht weit genug gingen. Zu einer Rückgabe des östlichen Teils von Al Quds war Israel meines Wissens nie bereit.

Alles wäre möglich gewesen, auch ein friedliches Zusammenleben der vielen Religionen in Palästina, Libanon und Syrien. Was sind die wirklichen Hindernisse für einen Friedensprozess? Stell Dir vor, eines der Nachbarländer Israels hätte die Waffen und die Intelligenz Israels, wie würden sie damit umgehen? Welchen Respekt hätten sie vor der jüdischen Religion und Kultur?

Siehst Du bei den Hamas- oder Hisbollah-Milizen wirklich Perspektiven für eine friedliche Gesellschaft mit auch nur einem Ansatz von Freiheit?
Nein, aber wieso kommen die denn an die Macht? Meines Erachtens deshalb, weil die Bevölkerung in Palästina und im Libanon sich vom Westen und dem als seinem Vorposten verstandenen Israel gegängelt und gedemütigt fühlen.

Auch weil sie konkret militärisch und mit Millionen unterstützt werden. Welche Stimme hat die Bevölkerung wirklich? Die PLO hat vor über 30 Jahren mit antijüdischem Terror begonnen, gezielt und massiv, unter anderem hier  bei uns in Deutschland. Sie haben deutsche Touristen entführt, Flugzeuge in die Luft gesprengt, obwohl es in Deutschland durchaus Sympathie für das Anliegen der Palästinenser, einen eigenen Staat zu besitzen, gab. Was aber bleibt von dieser Sympathie nach solchen Aktionen?

... den arroganten Akt des Westens, es zugewanderten jüdischen Europäern zu gestatten, in Palästina einen eigenen Staat auf fremdem Gebiet zu gründen, nie gegeben hätte.

Klingt nach Pippi Langstrumpf: Mache mir die Welt, widiwidiwie sie mir gefällt. Ich hatte bereits dazu geschrieben. Die pauschale Verurteilung der Europäer ist bloßer Unfug, wenn überhaupt, dann hatten die Briten Möglichkeiten in dieser Richtung, und die waren eben nicht für einen jüdischen Staat.

Nach dem Krieg gab es aber ein winziges Problem: Dass die Weltöffentlichkeit ein hartes militärisches Vorgehen gegen die Juden nach dem Holocaust nicht gebilligt hätte, ansonsten wäre man dazu durchaus bereit gewesen.

Die israelischen Siedler haben ihre Chance gesucht und sich in einem weitgehenden Machtvakuum gegen verschiedene Widerstände durchgesetzt. Dabei gab es am Anfang durchaus starke Kräfte im entstehenden Israel, die sich für eine friedliche Koexistenz eingesetzt haben und die gibt es bis heute. Es gibt gut ausgebildete Palästinenser mit israelischem Pass und muslimischen Glaubens, die hier studieren, ich habe einige davon kennengelernt. Die halten sich sehr bedeckt, was die tolle Politik der Hamas/Fatah angeht, weil sie mit Äußerungen über ein friedliches Zusammenleben ihren Kopf riskieren würden.

Auch die Hamas wäre nie ans Ruder gekommen, wenn Israel früher (oder besser gesagt jemals) zu wirklichem Frieden bereit gewesen wäre und seine aggressive Siedlungspolitik unterlassen hätte.

Deine heftige Abneigung gegen Israel macht mich ratlos. Warum sollte Israel stärker für das Scheitern der Friedensbemühungen verantwortlich sein als die Nachbarn? Nenn doch einmal konkrete Beispiele!

gerade vor dem geschichtlichem Hintergrund der Kreuzzüge

Die Israel und die Juden betrieben haben. Hä?

Natürlich habe ich diese Berichte verfolgt, aber du verwechselst Ursache und Wirkung.

Israel ist die Ursache für die Diktatur im Iran? Inwiefern?

Selbst wenn Israel das nicht beabsichtigt und deshalb auch um klare diesbezügliche Aussagen herumeiert, es reicht doch schon, wenn man Ahmadinejad im Iran, den Assads in Syrien oder vorher Saddam Hussein im Irak eine Möglichkeit liefert, es beim eigenen Volk so darzustellen, um von den eigenen Problemen abzulenken.

Eine solche Haltung gegenüber Diktatoren war immer fatal! Polen war eine einzige Provokation für Hitler und für Stalin...

Nicht nur das Regime im Iran radikalisiert sich, die gesamte muslimische Welt tut es, und was genauso schlimm ist: immer mehr Leute in diesen islamisch geprägten Kulturen, denen Religion normalerweise ziemlich am Arsch vorbeigehen würde, wenden sich dieser nun zu und dann auch noch gleich in ihrer fundamentalistischsten Ausprägung, weil sie sich vom Westen nicht respektiert, gegängelt und gedemütigt fühlen. All diese mittelalterlichen Auswüchse wie ...

So viele Vereinfachungen. Die Türkei, Marokko, der Iran, Indonesien, Kasachstan, derart verschiedene Länder mit derart verschiedenen Problemen. Wenn all deren Probleme am Westen liegen sollen....

die öffentlichen Hinrichtungen, (...) das Totprügeln von jugendlichen Schwulen, von Regimegegnern, von Frauen, die mit "Ungläubigen" ins Bett gegangen sind.
... etc, die wären nicht auf dem Vormarsch, wenn sich der Westen nicht anmaßte, sich ständig in diesen Ländern einzumischen und die dortigen Konflikte nicht hauptsächlich aufgrund seiner Gier nach billigen Rohstoffen am Köcheln gehalten hätte.

Meine Güte, bist Du hartnäckig. Man richtet also schwule Jugendliche hin, weil sich der Westen einmischt? Man verfolgt Regimegegner wegen unserer Arroganz? Man führt Krieg gegeneinander, weil es der böse Westen so will?

Dem Iran ist es durch Hinwendung zum islamischen Fundamentalismus gelungen, diese westliche Einmischung abzuschütteln.

Wirklich? Toller Erfolg! Der vermütlich dümmste Staatschef der Welt, eine durch und durch korrupte Diktatur, Krieg, Hass, Unterdrückung von Frauen. Na, bloß nicht einmischen, bloß nichtsdazu sagen....

Da bin ich voll d'accord! Natürlich müssen wir Terrorismus sowohl ideologisch als auch auch militärisch bekämpfen, wenn er sich schon zeigt, egal von wem er ausgeht. Noch wichtiger als die Bekämpfung des Symptoms ist aber die Bekämpfung der Ursachen, bevor er sich zeigt. Alles, was den Eindruck erweckt, wir im Westen mäßen mit zweierlei Maß, ist daher zu vermeiden: Dazu gehört, dass Israel sich aus sämtlichen besetzten Gebieten, inklusive Al Quds' zurückzuziehen und selbstverständlich seine Atomwaffen aufzugeben hat.

Ich glaube, ohne Hoffnung auf eine echte Versöhnungsbereitschaft bei den Nachbarn sollten sie das lieber lassen. Weißt Du, man kann politisch verschiedener Meinung sein, aber ich spüre in Deinen tollen Vermutungen über Ursachen und Wirkungen nicht die geringste Empathie für Menschen, die Objekt einer  gezielten Vernichtungskampagne waren und nun wieder werden sollen, denn genau das war die Botschaft der Raketenangriffe von Saddam bis Hisbollah.
Nicht eine einzige dieser Raketen könnte die Hisbollah selber bauen, sie genießen also die Unterstützung regionaler Despoten verschiedener Couleur, die den Konflikt immer wieder neu anheizen. Hast Du mal Slogans der Hamas oder der Hisbollah gelesen?  Warum sollte Israel denen vertrauen?

Ich verstehe die Israelis bei aller Kritik im einzelnen in ihrem Grundkonzept, sich nie wieder widerstandslos massakrieren zu lassen. Und es gibt noch etwas, was mir gefällt: Sie versuchen unter chwierigen Umständen etwas aufzubauen, während viele der Nachbarn eher Spezialisten im Kaputtmachen sind. Der Irak nach Saddam hätte durchaus eine Chance, seine Sache in die Hand zu nehmen, die Amerikaner und Briten hätten das vitale Interesse, das zu unterstützen. Was machen sie uas ihrer Chance? Auch die angeblich so arrogante EU wäre durchaus zu Leistungen bereit. Aber wen soll man da derzeit unterstützen?

Viele Grüße
Mathias Bigge