Hallo Forumler,
aus gegebenem Anlass schreibe ich heute mal anonym. Es geht um folgendes:
Ich arbeite in einem Unternehmen mit etwa 360 Mitarbeitern. Von einer externen Unternehmensberatung ist jetzt ein Fragebogen erstellt worden, anhand dessen, frei formuliert, Glanzpunkte und Schwachstellen im Unternehmen aufgedeckt werden sollen. Laut Anschreiben wird dieser Fragebogen, der nach einem Zufallsprinzip an 180 Mitarbeiter ausgegeben wurde (zusammen mit einem Freiumschlag zur Rücksendung an die Unternehmensberatung) anonym ausgewertet. So weit, so gut.
Das Zufallsprinzip bestand jedoch darin, dass der Personalchef herumgelaufen ist, einen Stapel Fragebögen unterm Arm, und geschaut hat, wem er denn mal so einen Fragebogen geben könne. Da er alle Mitarbeiter persönlich kennt, weiß er ganz genau, wem er einen Fragebogen gegeben hat.
Dazu kommt, dass auf dem "anonymen" Fragebogen der Abteilungsname eingedruckt ist. In unserer Abteilung mit 20 Mitarbeitern sind 10 Fragebögen ausgegeben worden. Anhand des Wissens des Personalchefs und der Abteilung lassen sich also schonmal 10 ausgefüllte Fragebögen den 10 "zufällig ausgewählten" Mitarbeitern meiner Abteilung zuordnen.
Der Fragebogen selbst besteht aus 12 Einzelteilen mit jeweils 10-12 Fragen bzw. Aussagen, da geht es z.B. um Produkte, Kundenzufriedenheit, Teamarbeit, Marktsituation, Unternehmensphilosophie und Organisation, aber auch um das Management und den Führungsstil (Beispiel: "Ich könnte mir gar keinen besseren Chef vorstellen"). Fragen, die man aufgrund mangelnder Kenntnis nicht beantworten kann, soll man durchstreichen, ansonsten ist eine Wertung anhand von Schulnoten vorzunehmen.
Anhand der nicht beantworteten Fragen - so habe ich z.B. mit unseren Kunden keinen direkten Kontakt und kann daher zum Thema Kundenzufriedenheit rein gar nichts sagen - ist nun eine genauere Zuordnung von einzelnen Fragebögen zu bestimmten Personen möglich.
Würde ich in einem Unternehmen mit einer wirklich guten Führung arbeiten, hätte ich kein Problem damit, die Fragen ehrlich zu beantworten, denn dann wüsste ich, dass mein Chef _wirklich_ daran interessiert ist, Schwachstellen auszumerzen - selbst wenn sie bei ihm selbst liegen (so einen Chef hatte ich mal, der ist dann leider gegangen). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass oft gerade diejenigen Führungskräfte, die um Kritik anfragen, letztlich nur hören wollen, wie toll sie eigentlich sind.
Leider sind wir ein Vorzeigeunternehmen in Sachen "management by champignon". Mein direkter Vorgesetzter ist ein Despot, der seit seinem Eintritt ins Unternehmen in unserer Abteilung nur Hass erntet, da er permanent versucht, Mitarbeiter gegeneinander auszuspielen, er jegliche Verantwortung delegiert, damit man ihm ja nichts am Zeug flicken kann und der der Geschäfstführung rektale Besuche abstattet und uns Mitarbeitern jederzeit in den Rücken fällt, wenn es ihm nützt.
Was nun? Gibt man den Fragebogen nicht zurück, kommt später höchstwahrscheinlich die Frage, wer denn nicht abgegeben hat, und lügen von Angesicht zu Angesicht möchte ich nicht. Irgendwelchen Blödsinn antworten? Oder den Chef und die Firma in den Himmel loben?
Sind solche pseudoanonymen Fragebögen eigentlich zulässig? Wie gesagt, wird im Anschreiben ja von einer absolut anonymen Auswertung ausgegangen, aber anhand des Fragebogens ist eben auch eine nicht-wirklich-anonyme Auswertung möglich. Und sobald hier Kritik auftauchen sollte gehen nämlich die Nachforschungen seitens der Führung los, da bin ich mir sicher.
Hat jemand einen Ratschlag, wie ich mich verhalten soll?
Danke für eure Aufmerksamkeit!
Ein etwas ratloser
Bones