Hallo,
Jaja, dieser »Einwand« erscheint einfach und plausibel. Ein gültiger Kritikpunkt ist es trotzdem nicht, und ein Missverständnis seitens feministischer Linguist/innen liegt ebensowenig vor. Eher liegen Missverständnisse seitens dieses flachen Kritikversuches vor. Dadurch, dass grammatisches und soziales Geschlecht auseinanderfallen, ist noch gar nichts über die »Neutralität« von Sprache gesagt. Hallo, Linguisten sind nicht dumm, sie kennen die Sachverhalte gut genug. Von Laien wird ständig dieses »Argument« als superschlaue Erkenntnis vorgebracht, als könne man damit mal eben alle Diskussion als überflüssig vom Tisch wischen.
Generische Maskulina sind nicht übergeschlechtlich, weil sie identisch mit der ausdrücklich Pluralform sind, die eine Männergruppe bezeichnet. Nicht-Geschlechtlichkeit läge vor, wenn eine solche Identität nicht bestünde. Und da ist das generische Maskulinum einfach eine willkürliche (oder, wenn man es so interpretieren will, eine motivierte, patriarchale) Erfindung. Insofern ist es doch panne, mit der Behauptung gegen das Argument vorzugehen, dass Geschlechter in der Sprache sichtbar gemacht werden sollten. Denn Männer sind immer sichtbar durch das generische Maskulinum, Frauen tauchen immer als Sonderfall, als das im konkreten Fall sichtbar zu machende auf, sie sind rein durch die Struktur der generischen Form nicht gleichermaßen »mitgemeint«.
Dass sich dieser Mensch einfach nicht mit Feminismus auseinandergesetzt hat, zeigt die Behauptung, die deutsche Sprache *bevorzuge* sogar das weibliche Geschlecht, indem es als Sonderfall ansieht (hach, sind die deutschen Männer nicht gütig gegenüber den Frauen, dass sie ihnen das zugestehen! Sie sollten sogar dankbar sein, anstatt sich zu beschweren!). Gerade das Prinzip, dass das Männliche als das Eine und das Normale betrachtet und das Weibliche als das Andere oder Besondere, ist ein feministischer Kritikpunkt. Dass das aus Sicht des Mannes eine Bevorzugung ist, würde feministische Kritik wohl eher als Teil des Problemes sehen. Am geilsten ist ja dann die Argumentation, dass die Feministen die wirklichen Sexisten sind und erst durch sie Probleme in die Sprache kommen. Ja nee, ist klar – Frauen als »Emanzipationsopfer«. Dazu passt wunderbar die Verschwörungstheorie, »Man [also Frau] wolle die Männer mit der Sprache so lange ärgern, bis sie endlich den Frauen die Gleichberechtigung zugestünden«. Diese scheinheiligen männerhassenden Geschlechterkämpferinnen, denen es nur um ihre eigene Genugtuung geht!
Durch die gewohnheitsmässige Doppelnennung ... wird alles Maskuline als real männlich und alles Feminine als real weiblich empfunden. Damit fällt zuerst einmal alles grammatikalisch Neutrale unter den Tisch, und das Kind, das Mädchen, das Weib und das Individuum
Was für ein spekulativer Blödsinn, der zudem völlig am Punkt vorbeigeht. Was hat das alles mit den Bestrebungen der feministischen Linguistik zu tun? Allgemein scheint sich niemand mit diesen kritisch auseinanderzusetzen, deshalb verliert sich die Ablehnung häufig in Unterstellungen und Polemik (»Frau/innen«, haha, ich lach mich schlapp, und wo ist der Nährwert?).
Sprechökonomie ist da noch eines der wenigen intuitiven Argumente, denen man Kraft zugestehen kann. Aber auch in dem Punkt sind die Vorwürfe aus der Luft gegriffen. Wieso hängt der Typ sich an konstruierten Beispielen auf? Ich meine, welcher Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache fordert solche unökonomische Sprache? Habe ich noch nie gesehen, warum so ein Stuss zusammenphantasieren? Die üblichen Richtlinien würden in fast allen Fällen viel ökonomischere Varianten empfehlen. Auf was bezieht der sich eigentlich konkret (außer den vereinzelten Zitaten)?
Aber klar, ist ja alles so einfach. Ich bin da sicher kein Experte und kenne die Forschung nicht ausführlich, aber der Besitz einer Duden-Grammatik ist sicher nicht genug, um ein kompetentes Statement zu einer wissenschaftlichen Debatte abzugeben. Da kommen nur konservative Elaborate heraus, die man zu Eva Herman und Co. in den Giftschrank stellen kann.
Mathias