Hallo Gary,
Ich bin Prüfingenieur in einem Testlabor für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). [...]
Dann kannst du mir sicher Auskunft geben.
ich will's versuchen. ;-)
Ein Ing. sagte zu mir, dass ich für ein selbstgebautes Gerät, mir die Konformitätserklärung selber schreiben könne.
Stimmt. Musst du sogar. Es gibt zwar Labors, die dir auch dafür gleich eine Vorlage erstellen, aber letztendlich muss immer der "Inverkehrbringer" (das ist der Hersteller oder der Importeur, wenn das Produkt von außerhalb der EU stammt) die Konformitätserklärung ausstellen. Zumindest unterschreibt er sie in eigener Verantwortung, die kann man nicht auf ein Prüfinstitut abwälzen.
Es geht konkret um ein CE-Prüfzeichen.
Dass wir uns nicht missverstehen: Das "CE" ist kein Prüfzeichen oder Qualitätsmerkmal, sondern eine Pflichtkennzeichnung, mit der der Hersteller ausdrückt, dass er eine CE-Konformitätserklärung ausgestellt hat und damit bescheinigt, dass das Produkt alle dafür zutreffenden EU-Richtlinien erfüllt. Im Gegensatz dazu ist das GS-Prüfsiegel wirklich ein Prüfzeichen, das z.B. vom TÜV verliehen wird, aber nicht vorgeschrieben ist.
Sämmtliche Bauteile haben bereits eine Zulassung (CE/GS/VDE usw.).
Das ist schonmal gut. Genügt aber nicht.
Nur sind diese im verbautem Verbund zusammen nicht geprüft. Hat er recht, was eine CE Certifizierung betrifft?
Jein. Er hat insofern recht, als du die CE-Erklärung selbst ausstellen kannst bzw. sogar musst. Das Problem dabei ist, dass du die Konformität mit bestimmten Richtlinien erklären musst - und wie willst du dir da sicher sein, ohne ein Exemplar geprüft zu haben? Der Gesetzgeber schreibt keine Prüfungen vor; formal ist es auch in Ordnung, eine CE-Erklärung aufzusetzen und sich auf die "good engineering practice" zu verlassen. Nur wenn's dann mal Klagen gibt, stehst du schlecht da, weil du nichts nachweisen kannst. Hast du dann aber Prüfberichte, die du plötzlich aus dem Ärmel ziehen kannst, bist du zumindest schonmal den Vorwurf der Fahrlässigkeit los.
Bei Zukaufteilen kannst du dir Verantwortung für diese Komponenten auf den Lieferanten/Hersteller abwälzen, aber für das Gesamtprodukt bist du dennoch selbst verantwortlich.
EMV fällt nach seinen Messungen nicht nennenswert auf, und umgekehrt ist eine Beeinträchtigung auch nicht zu erwarten. Das Gehäuse kommt ohne EMV-Schutz aus.
Sure? ;-)
Was ist denn drin? Ein kleiner Microprofessor? Eine Digitalschaltung, die mit ein paar MHz akt arbeitet? Durchaus möglich, dass das Ding leise in die Gegend strahlt. Ob die Grenzwerte eingehalten werden, ist nur durch Anschauen schwer zu beurteilen.
Wie sieht's mit der Stromversorgung aus? Vermutlich ein kleines Steckernetzteil. Wird das mit dem Produkt mitverkauft? Dann kannst du dich auf die CE-Erklärung des Zulieferers berufen. Wenn du das Beschaffen eines Netzteils dem Kunden überlässt, muss dein DC-Eingang aber z.B. einen Überspannungsimpuls von 500V verkraften und trotzdem weiter funktionieren. Tut er das? Wie sieht's aus bei elektrostatischen Entladungen?
Andere Richtlinien außer der EMV sind hier vermutlich nicht zu beachten. Ich glaube nicht, dass Spannungen über 42V AC oder 50V DC auftreten, also bleibt die Niederspannungsrichtlinie außen vor. Bewegte Teile hat's vermutlich auch nicht, also brauchen wir uns um die Maschinenrichtlinie wahrscheinlich auch nicht zu kümmern. Bliebe für die CE-Erklärung wirklich nur die EMV-Richtlinie 2004/108/EC (in Deutschland immer noch nicht umgesetzt, alte Fassung 89/336/EC wird noch häufig referenziert).
BTW.: Ohne das du Schwierigkeiten bei deinem Arbeitgeber bekommst: Was würde denn so ungefähr ganz grob eine Prüfung/Abnahme/Zertifizierung (oder wie man sowas nennt) eines Prototypen kosten? Das braucht man ja nur einmal, oder?
Das braucht man nur einmal, ja - und wenn man ganz sicher gehen will, jedesmal bei einer Änderung des Produkts.
Je nachdem, wie umfangreich man die Prüfung *wirklich* durchführt und wieviel man eventuell theoretisch abhandeln kann, darfst du dich auf 500..2000 EUR einstellen. Die meisten Labors rechnen einfach stundenweise ab, die Stunde kostet in der Regel so ab 100 EUR aufwärts, und ein Minimalprogramm könnte man eventuell an einem halben Tag durchziehen.
Ich hoffe, dass ich jetzt auf die Schnelle keinen Stuss erzählt habe; ich meine aber, dass das so stimmt. Ohne Gewähr. ;-)
So long,
Martin
Es gibt Tage, da gelingt einem einfach alles.
Aber das ist kein Grund zur Sorge; das geht vorbei.