Daniel Thoma: Einladung an Terroristen

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Hallo Gernot,

Das Verfassungsgericht hat das Gesetz im wesentlichen aus zwei Gründen als Verfassungswidrig erkannt:

  • Beschränkungen des Einsatzes der Bundeswehr.
    An diesem Punkt will man sich durch diesen "Quasi-Verteidigungsfall" vorbeimogeln. Ich habe schon an diesem Punkt starke Zweifel:
    "[...] Denn im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 3 LuftSiG geht es nicht um die Abwehr von Angriffen, die auf die Beseitigung des Gemeinwesens und die Vernichtung der staatlichen Rechts- und Freiheitsordnung gerichtet sind. [...]" Das Verfassungsgericht erkennt in terroristischen Angriffen dieser Art also keine grundlegende Gefährdung des Geminwesens oder der Rechtsordnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man das dann so einfach als Verteidigungsfall auffassen kann. Ein militärischer Angriff stellt für gewöhnlich eine solche Bedrohung dar.

  • Menschenwürde und recht auf Leben
    Hier ist der Kern der Argumentation des Urteils, das in solchen Situationen die Entscheidungszeit sehr knapp und die Informationen zur Beurteilung der Lage sehr spärlich sind:
    "Nach den Erkenntnissen, die der Senat auf Grund der im Verfahren abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen und der Äußerungen in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anordnung und Durchführung einer solchen Maßnahme stets mit der dafür erforderlichen Gewissheit festgestellt werden können."
    "Auch wenn sich im Bereich der Gefahrenabwehr Prognoseunsicherheiten vielfach nicht gänzlich vermeiden lassen, ist es unter der Geltung des Art. 1 Abs. 1 GG schlechterdings unvorstellbar, auf der Grundlage einer gesetzlichen Ermächtigung unschuldige Menschen, die sich wie die Besatzung und die Passagiere eines entführten Luftfahrzeugs in einer für sie hoffnungslosen Lage befinden, gegebenenfalls sogar unter Inkaufnahme solcher Unwägbarkeiten vorsätzlich zu töten."
    Das BVerfG kam also zu dem Schluss, dass hier eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll, unschuldige Menschen in einer für sie Ausweglosen Situation im wesentlichen auf Grund von unter Zeitdruck (im Minutenbereich) gemachten Spekulationen umzubringen.

Daran ändert sich auch nichts, wenn man den Verteidigungsfall anpasst. Die Regierung missachtet hier meiner Meinung aus bestenfalls populistischen Gründen leichtfertig die Menschenwürde. Ich weiß nicht, wie Schäuble die Unverschämtheit aufbringen kann, ein Gesetz, das so klar als gegen den Grundwert der Verfassung verstoßend erkannt wurde, angereichert um weitere juristische Tricksereien erneut vorlegen zu wollen.

Deinen Einwand, Terroristen bekämen praktisch eine Garantie, dass sie nicht abgeschossen würden, halte ich für nichtig.
Die Gefahr, erwischt zu werden, ist auch schon bei der Planung und vor besteigen des Flugzeuges gegeben. Ein Abschuss mit 200 Unschuldigen an Bord ist zudem für einen Selbstmordattentäter kein wirklich bedrohliches Szenario. Terroristen suchen ihre Ziele nach Ideologischen Kriterien aus, nicht nach rechtslage.

Gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, man würde wirklich in die Situation kommen, dass man die Lage mit ausreichender Sicherheit beurteilen kann und zudem noch die Möglichkeit eines Abschusses besteht, bliebe immer noch die Möglichkeit, ohne explizite Rechtsgrundlage zu handeln.
Der diese Maßnahme anordnende Minister und die durchführenden Soldaten müssten sich anschließend eben Strafrechlich verantworten.
Nach Stgb §34 wäre das u.U. Straffrei.
Im Unterschied zum geplanten Gesetz bleibt es allerdings die Entscheidung des anordnenden Ministers und der durchführenden Soldaten. Sie müssten die Situation in eigener Verantwortung beurteilen. Dies würde jedenfalls Sicherstellen, dass die Entscheidung nur bei hinreichender Sicherheit getroffen wird.
Die Situation ist ja nun nicht so häufig (und es ist auch nicht zu erwarten, dass sie das wird), als dass Soldaten damit übermäßig von Rechtsunsicherheit bedroht wären.

Das BVerfG schreibt in seinem Urteil auch noch: "Dabei ist hier nicht zu entscheiden, wie ein gleichwohl vorgenommener Abschuss und eine auf ihn bezogene Anordnung strafrechtlich zu beurteilen wären" und deutet damit wohl an, dass das in einem tatsächlich eintretenden Fall zulässig sein könnte, obwohl es ganz klar nicht zulässig ist, dass der Staat dies praktisch zu seinem Standardverfahren erklärt.

Grüße

Daniel