Kalle_B: Deutsche Sprache: Haben oder Sein?

Hallöle,

im Zeit Magazin vom 24.9. ist ein Artikel überschrieben mit "Herr Baumann, Sie sind desertiert und fordern nun andere zum Desertieren auf."

Ich hätte formuliert: "Sie haben desertiert ..." Das ist wohl die nicht abgeschlossene Vergangenheit im Gegensatz zu "Sie desertierten ...".

Jetzt stellt sich die Frage, wann *ist* man und wann *hat* man?

Warum *bin* ich gefahren, aber *habe* gegessen?

Wie ist die Regel und wie erkennt man die Verben, die zur *Haben* Mannschaft gehören?

Fragt Kalle

  1. Hallo,

    ohne eine Diskussion ersticken zu wollen. Aber schon der erste Treffer sieht vielversprechend aus:
    http://www.google.de/search?q=haben+sein+verben

    Die Verwendung hängt (wie du sicherlich vermutet hast) häufig vom Sprachraum ab.

    Grüße

  2. im Zeit Magazin vom 24.9. ist ein Artikel überschrieben mit "Herr Baumann, Sie sind desertiert und fordern nun andere zum Desertieren auf."

    Ich hätte formuliert: "Sie haben desertiert ..." Das ist wohl die nicht abgeschlossene Vergangenheit im Gegensatz zu "Sie desertierten ...".

    Jetzt stellt sich die Frage, wann *ist* man und wann *hat* man?
    Warum *bin* ich gefahren, aber *habe* gegessen?

    Er tat, nachdem er gemacht hatte. (Vergangenheit, Vorvergangenheit)
    Er tut, nachdem er gemacht hat.   (Gegenwart, Vorgegenwart)

    Du solltest bei abgeschlossener Vergangenheit weniger an einen einzelnen Satz denken, sondern an den Erzähl- oder Ansprachekontext.
    Oder du kannst auch unterscheiden die Situation, in welcher die Hörerschaft unmittelbar Teil der Ansprache sind von einer Hörerschaft, die unbeteiligt Gegenüber einer Erzählung ist.

    "Männer, eure Väter haben die Grenzen gezogen. Sie haben die Kanonen gebaut, und nun, an die Waffen ihr Männer!"
    "Unser Väter zogen willkürlich Grenzen und bauten Kanonen, Warum sollen wir für sie schiessen?"
    Beides ist korrekt, denn der verschiedene Gebrauch des Tempus hebt Distanz auf oder schafft sie.

    In der allemanischen Umgangssprache ist der Aorist kaum ausgebildet.
    Im Englischen hingegen ist es viel stärker ausgebildet.

    In deinem Beispiel wird also bewusst mit "Sie haben dessertiert" die Vorgegenwart gewählt, um damit das Motiv der Gegenwart darzustellen.

    mfg Beat

    --
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    Der Valigator leibt diese Fische
    1. moinmoin

      In der allemanischen Umgangssprache ist der Aorist kaum ausgebildet.

      Aorist?

      ...klar... DER... kenn ich... stand gestern an der Kasse direkt vor mir und hat nur so'n hochgestochenen Krams geredet... der Eingebildete der... keine Umgangssprache der Typ...

      Gruß Krischi

  3. Hallo :)

    Ich hätte formuliert: "Sie haben desertiert ..." Das ist wohl die nicht abgeschlossene Vergangenheit im Gegensatz zu "Sie desertierten ...".

    Jetzt stellt sich die Frage, wann *ist* man und wann *hat* man?

    Warum *bin* ich gefahren, aber *habe* gegessen?

    Darüber hat sich wohl auch schon der Sozialpsychologe Erich Fromm Gedanken gemacht, als er sein Buch "Haben oder Sein" schrieb :)))

    Norddeutsche Begründung, teilweise an den Haaren herbeigezogen:

    Das hat mit Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit wenig zu tun.

    Ich bin gegessen: Meine Person wurde ganz oder teilweise verzehrt.
    Ich habe gegessen: Ich habe selbst die Speise verzehrt.

    Ich bin gefahren: Ich habe meine Person selbst fahrend von A nach B befördert.
    Ich habe gefahren: Ja was denn, eine Auto, ein Fahrrad?

    Ich bin desertiert: Ich habe meine Person von der Front ins Hinterland befördert.
    Ich habe desertiert: Ich habe eine Handlung vorgenommen, die mich von der Front entfernte.

    mfg
    cygnus

    --
    Die Sache mit der Angel und dem  ><o(((°>  hat immer einen Haken ...
    1. Ich bin gefahren: Ich habe meine Person selbst fahrend von A nach B befördert.
      Ich habe gefahren: Ja was denn, eine Auto, ein Fahrrad?

      Ich bin desertiert: Ich habe meine Person von der Front ins Hinterland befördert.

      Man kann versuchsweise die Hilfsverb "worden" hinten nach stellen.
      "Ich bin desertiert worden." Erhält dann den Sinn, ich bin aus dem Dienst entlassen worden.
      Aus dem "ich habe desertiert" folgt administrativ logisch das "ich bin desertiert".

      Ich habe desertiert: Ich habe eine Handlung vorgenommen, die mich von der Front entfernte.

      Ich stelle es mal dahin ob "Desertieren" von "Service" oder "desert" (verlassen) kommt. In Zeiten des hauswändig Lernens gehen die Details oft vergessen.

      mfg Beat

      --
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      Der Valigator leibt diese Fische
      1. Hallo :)

        Ich stelle es mal dahin ob "Desertieren" von "Service" oder "desert" (verlassen) kommt. In Zeiten des hauswändig Lernens gehen die Details oft vergessen.

        Ich würde sagen, es kommt von Dessert.
        Hier sieht man die dessertierte Schweizer Garde beim Bewachen der Hauptmahlzeit des Papstes:

        mfg
        cygnus

        --
        Die Sache mit der Angel und dem  ><o(((°>  hat immer einen Haken ...
  4. Hallo,

    [...]
    Warum *bin* ich gefahren, aber *habe* gegessen?

    eine Faustregel besagt: Perfekt und Plusquamperfekt werden im Deutschen mit dem Hilfsverb "haben" und dem Partizip gebildet, also

    ich habe gegessen
     du hattest angerufen
     er hat mir geholfen
     wir haben beschlossen

    Ausgenommen von dieser Regel sind Verben, die eine Bewegung ausdrücken. Die werden nicht mit dem Hilfsverb "haben", sondern mit "sein" ins Perfekt versetzt. Daher also

    ich bin gefallen
     ihr seid alle gekommen
     du bist gegangen
     es ist geflogen

    Daneben gibt es noch regionale oder mundartliche Variationen, z.B. bei den Verben "stehen", "sitzen" oder "liegen". Während das Perfekt nach der obigen Faustregel eigentlich mit "haben" gebildet wird, ist in einigen Gegenden auch "ich bin gesessen" völlig normal.

    So long,
     Martin

    --
    Noch Fragen? - Ich weiß es auch nicht.
    1. @@Der Martin:

      nuqneH

      Daneben gibt es noch regionale oder mundartliche Variationen, z.B. bei den Verben "stehen", "sitzen" oder "liegen". Während das Perfekt nach der obigen Faustregel eigentlich mit "haben" gebildet wird, ist in einigen Gegenden auch "ich bin gesessen" völlig normal.

      Ein Fehler, den viele begehen, wird irgendwann zur Normalität? Na hör mir uff! Bloß jut, dass wir Berliner dit mit die Grammatik allet so machen tun, wie’t in dem Duden seine Regeln steht.

      Qapla'

      --
      Alle Menschen sind klug. Die einen vorher, die anderen nachher. (John Steinbeck)
      1. Hallo Gunnar,

        Daneben gibt es noch regionale oder mundartliche Variationen, z.B. bei den Verben "stehen", "sitzen" oder "liegen". Während das Perfekt nach der obigen Faustregel eigentlich mit "haben" gebildet wird, ist in einigen Gegenden auch "ich bin gesessen" völlig normal.
        Ein Fehler, den viele begehen, wird irgendwann zur Normalität?

        ich habe bewusst geschrieben "ist völlig normal". Dass es davon richtig(er) wird, habe ich nicht behauptet.

        Na hör mir uff! Bloß jut, dass wir Berliner dit mit die Grammatik allet so machen tun, wie’t in dem Duden seine Regeln steht.

        Des isch doch ons egal, was d'Berliner machet! Mir schwätzet so, wie mr's seit ewiche Zeita gwöhnt sen! :-)

        So long,
         Martin

        --
        Kopflosigkeit schützt nicht vor Migräne.
        1. Hallo :)

          Na hör mir uff! Bloß jut, dass wir Berliner dit mit die Grammatik allet so machen tun, wie’t in dem Duden seine Regeln steht.

          Des isch doch ons egal, was d'Berliner machet! Mir schwätzet so, wie mr's seit ewiche Zeita gwöhnt sen! :-)

          Ich bin richtig neidisch, muss jetzt gestehen. Ich schreibe hier gerade meine Mundart.

          mfg
          cygnus

          --
          Die Sache mit der Angel und dem  ><o(((°>  hat immer einen Haken ...
          1. Na hör mir uff! Bloß jut, dass wir Berliner dit mit die Grammatik allet so machen tun, wie’t in dem Duden seine Regeln steht.

            Des isch doch ons egal, was d'Berliner machet! Mir schwätzet so, wie mr's seit ewiche Zeita gwöhnt sen! :-)

            Ich bin richtig neidisch, muss jetzt gestehen. Ich schreibe hier gerade meine Mundart.

            Schyssäglych. Wenn y dr Schnabel uffmach, längts fyr alli do.

            mfg Beat

            --
            ><o(((°>           ><o(((°>
               <°)))o><                     ><o(((°>o
            Der Valigator leibt diese Fische
            1. Schyssäglych. Wenn y dr Schnabel uffmach, längts fyr alli do.

              mfg Beat

              Hoi Beat

              de Ba:sler ghör ich do aber nöt use

              Grüsse aus Spreitenbach
              Gina

              --
              X-Self-Code: ie:% fl:( br:> va:) ls:& fo:) rl:? n4:° ss:| de:] js:| ch:| sh:) mo:| zu:)
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        2. @@Der Martin:

          nuqneH

          Des isch doch ons egal, was d'Berliner machet! Mir schwätzet so, wie mr's seit ewiche Zeita gwöhnt sen! :-)

          Ey, dit klingt ja jenauso wie die uff’m Kolle* quatschen!

          Qapla'

          * Kollwitzplatz in Berlin-Prenzlauer Berg, Hochburg der schwäbischen Immigration

          --
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          1. Grüßgottle,

            Des isch doch ons egal, was d'Berliner machet! Mir schwätzet so, wie mr's seit ewiche Zeita gwöhnt sen! :-)
            Ey, dit klingt ja jenauso wie die uff’m Kolle* quatschen!

            Ha, isch doch au koi Wondr.

            Adee,
             Martin

            --
            Dem Philosoph ist nichts zu doof.
      2. @@Gunnar Bittersmann:

        nuqneH

        dem Duden seine Regeln

        Klar weeß ick, dat da der Jenitiv hinkommt: des Dudens seine Regeln! (Jeklaut bei Rolf Kuhl.)

        Qapla'

        --
        Alle Menschen sind klug. Die einen vorher, die anderen nachher. (John Steinbeck)
      3. 'ǝɯɐu$ ıɥ

        Ein Fehler, den viele begehen, wird irgendwann zur Normalität? Na hör mir uff! Bloß jut, dass wir Berliner dit mit die Grammatik allet so machen tun, wie’t in dem Duden seine Regeln steht.

        Ike, ike un janz Berlin, dat war ne wolke, nur ike war zu sehn........

        SCNR

        ssnɹƃ
        ʍopɐɥs

        --
        In a perfect world, spammers would get caught, go to jail,
        and share a cell with many men who have enlarged their penisses,
        taken Viagra and are looking for a new relationship.
        1. Hallo

          Ike, ike un janz Berlin, dat war ne wolke, nur ike war zu sehn........

          Wat hat'n Eisenhower damit zu tun?

          Tschö, Auge

          --
          Verschiedene Glocken läuteten in der Stadt, und jede von ihnen vertrat eine ganz persönliche Meinung darüber, wann es Mitternacht war.
          Terry Pratchett, "Wachen! Wachen!"
          Veranstaltungsdatenbank Vdb 0.3
    2. Hallo Martin,

      Ausgenommen von dieser Regel sind Verben, die eine Bewegung ausdrücken. Die werden nicht mit dem Hilfsverb "haben", sondern mit "sein" ins Perfekt versetzt.

      Das Perfekt mit "sein" bildet man bei _intransitiven_ Verben der Bewegung und der Zustandsveränderung sowie bei den Hilfsverben "werden" und "sein" sowie dem intransitiven Verb "bleiben".

      http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Verb/Tempora/HabenSein.html#Anchor-Vergangenheit-35882

      Deshalb sagt man bei dem reflexiven bzw. transitiven Verb der Bewegung "bewegen" ja auch "Ich habe mich bzw. etwas/jemand anderes bewegt".

      "Ich bin im Taxi nach Hause gefahren."
      aber:
      "Der Taxifahrer hat mich nach Hause gefahren."

      Darüber hinaus gibt es die von dir genannten regionalen Ausnahmen bei einigen intransitiven Verben, wobei man ja schon sagen muss, dass das gar keine Ausnahmen mehr sind, sondern eher die Regel, da die Süddeutschen zusammmen mit den Schweizern und Österreichern, die diese Verben so verwenden hier die Mehrheit der Deutschsprachigen stellen.

      Als jemand von nördlich des Neckars und des Mains Stammender würde ich mir solchen Sprachgebrauch aber dennoch nicht aneignen.

      Dass das Hilfsverb "sein" zur Bildung des Perfekts Aktiv auf _intransitive_ Verben beschränkt bleibt, hat auch seinen Sinn darin, da es sonst zu Verwechslungen mit dem Zustandspassiv transitiver Verben kommen könnte.
      http://www.canoo.net/services/OnlineGrammar/Wort/Verb/Genera/Zustandspass.html

      Gruß Gernot