Alexander (HH): OT: Stereoanlage für ältere Dame

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Moin Moin!

Wenn Du keinen Bock hast, Dich durch die Regale der Kistenschieber zu graben, geh doch einfach mal zum Fachhändler und laß Dich dort beraten.

Alte Boxen zu recyclen ist nicht sonderlich sinnvoll. Bei den Kompaktanlagen ist fast immer ein auf die Anlage abgestimmtes Set dabei, das von den alten Hamsterkäfigen kaum übertroffen werden kann.

Wenn die Dame mit Kassetten und CDs nicht mehr hantieren kann, wie soll sie dann mit gängigen Speicherkarten herumfummeln, die noch wesentlich kleiner sind? Ein interner Massenspeicher wäre schön, gibt's bei einigen "High-Tech"-Anlagen (z.B. Philips' Streaming-Lösungen), aber mit 150€ kannst Du Dir das abschminken.

HTPC wäre vielleicht ein Ansatz, der braucht aber ein extrem robustes Betriebssystem. Ich denke nicht, dass die Dame viel Lust hat, sich in die "Wunderheilung" aktueller Frickel-Lösungen einzuarbeiten. Mehr wirst Du für 150 € aber kaum bekommen. Und dann mut Du der Dame noch erklären, warum sie HTPC, Fernseher und ggf. noch einen externen Verstärker in Betrieb nehmen muß, wenn sie "nur" Radio hören will.

Aus Erfahrungen mit einigen älteren Leuten: Minimal-Lösung bevorzugen. Konfirmationsanlagen mit 500 Equalizer-Programmen, 20 Lauflicht-Varianten, Karaoke, Internet-Streaming, Ripping in 200 Variationen und ähnlichem sind mit einem Gehirn aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts schlicht nicht kompatibel (von vereinzelten Ausnahmen abgesehen).

Die Dame braucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Radio mit Netzschalter, Lautstärkeregler, drei bis vier Stationstasten, und eine Konservenwiedergabe-Funktion mit Start - Stop/Pause - Vor / Zurück. Für jede Funktion eine Taste mit fühlbarem Druckpunkt, keine Doppelbelegungen, große Beschriftung, starke Kontraste. Selten benutzte Funktionen (Klangeinstellung, Senderprogrammierung, CD-Ripping) können hinter einer Klappe verschwinden. Ob eine Fernbedienung überhaupt notwendig ist, ist auch noch eine Frage. Wenn die Dame körperlich fit genug ist, kann man auf die FB verzichten, das hält die Dame auch gleich noch etwas in Bewegung.

Viel interessanter als die Funktionalität dürfte auch das Design sein. Eine riesige, silberne Blinkbox, die eine ganze Disko beleuchten kann, dürfte wesentlich schlechter ankommen als eine kleine, dezente Anlage, die zur Einrichtung paßt. Wichtige Funktionen sollten große, klar erkennbare Bedienelemente haben.

Die Chancen, so etwas zu finden, sind beim Fachhändler deutlich größer als beim Kistenschieber. Und dort wiederum eher in der mittleren Preisklasse als beim Billig-Gerümpel. 150 € sind da allerdings schnell weg.

Was die Leistung angeht: 2x 15 W Sinus reichen aus, um auch ein altgedientes Gehör mit genügend Pegel zu versorgen. Bei 2x 60 W Sinus hat auch der taube Nachbar noch Spaß an der Musik. "Musikleistung" und erst recht PMPO ("Peak Musik Power Output") ist Sinus mal Marketing-Faktor zwischen 2 und etwa 100, sagt also exakt gar nichts aus. Die einzige Aussage, die man aus dem Marketing-Faktor ziehen kann, ist die Qualität der Anlage, und die ist umgekehrt proportional zum Marketing-Faktor.

Musik-Liebhabern könnte ein guter Kopfhörer helfen, den im Alter schlechter werdenden Frequenzgang zu kompensieren, wesentlich besser als Lautsprecher. Dazu muß der Kopfhörer aber einiges an Pegel aushalten. Ein originaler Sennheiser HD414 von 1968 schafft das erfahrungsgemäß locker, die rückt aber kein Liebhaber mehr raus (Ersatzteile gibt's immer noch). Mein antiker HD420 (völlig andere Preisklasse) kommt da nicht mit, der fängt schon bei verhältnismäßig geringen Lautstärken an zu scheppern. Apples kleine Schmalzbohrer sind nicht schlecht, da scheitert es aber an der Handhabung und an einem evtl. vorhandenen Hörgerät.

Alexander

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Today I will gladly share my knowledge and experience, for there are no sweeter words than "I told you so".