Jörg Reinholz: Welches Linux?

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Wo wir gerade dabei sind: Welches Linux mit welcher GUI war noch mal deine Empfehlung für User, die von Windows kommen? Kannst du das auch ein wenig begründen? Danke.

Oh. Das ist gar nicht so einfach. Und es wird eine Diskussion verursachen, die leicht in einen Glaubenskrieg ausarten kann. Ich meine jedes einzelne Wort kann - insbesondere am Wochenende - dazu Anlass bieten. Leider sind bei diesem Thema eine Menge Trolle und Glaubenskrieger unterwegs.

Linux-Distributionen

Ich bleibe hier beim Mainstream. Der Unterbau des Linux-Desktop ist eigentlich fast egal. Allerdings gibt es hier Feinheiten, die es in sich haben.

So besteht eine Kooperation zwischen MS und SuSE. Das bedeutet, dass zumindest dass die "Nicht-Open-Suse-Versionen" (früher: "Enterprise". SLES, SLED) bei der Zusammenarbeit mit Windows einige Verbesserungen und Optimierungen haben, die anderen Distributionen schlicht fehlen. Wichtiges Merkmal von SuSE ist der Yast als Administrationstool. Der hat aber teilweise Eigenschaften, die für Admins auch gewöhnungsbedürftig sind und greift tief ins System ein - was eher nicht so toll dokumentiert ist. Ich war mal "SuSE-Fan".

Red-Hat und Derivate (Fedora ist als eine Art "öffentlicher Entwicklungszweig" relativ "offensiv", Scientific ein Nachbau auch vieler lizenzpflichtiger Red-Hat Lösungen) sind wohl Pflichtprogramm in allen Firmen mit Hauptsitz in den USA. Auch hier gibt es Admin-Tools, die durchaus gewöhnungsbedürftig sind - was ich nicht als "negative Darstellung" bewertet wissen will.  Des weiteren wäre hier als weiteres Derivat Mandriva zu nennen. Das gefällt sehr vielen in Europa, ich kenne es jedenfalls nicht sehr gut.

Debian ist Administrators Liebling. Für Desktops aus meiner Sicht weniger geeignet, weil es einfach mal recht betagte Versionen der mitgelieferten Software (auch Kernel und Treiber) mit sich bringt. Es hat aber einen Vorteil, denn es bringt nur Adminstrations-Tools mit die, ich sage mal "nicht in unerwarteter Weise an der Konfiguration herumspielen, wie z.B. Yast".

Ubuntu ist ein Debian-Derivat, welches auf der jeweiligen "unstable"-Version von Debian beruht und so ziemlich aktuelle Software mitbringt, dabei viele positive Eigenschaften von Debian behält. Die Software ist also modern, bietet wohl auch die aktuellsten, auf Wunsch auch unfreie Treiber - deshalb ist es für Desktops und Laptops sehr gut geeignet. Es gibt auch eine "Server-Version" - die unterscheidet sich nur im Umfang der installierten Programme (keine graphische Oberfläche, man könnte auch von einer Minimal-Installation sprechen). Es gibt von Ubuntu weitere Derivate für verschiedene Desktops (Kubuntu mit KDE, Xubuntu mit XFCE, Lubuntu mit LXDE). Prinzipiell sind KDE, LXDE, XFCE, LXDE auch zu installieren, wenn man die "normale" Ubuntu-Distribution benutzt. Sie sind aber besser angepasst, soll heißen, die Desktops haben eine sinnvollere Grundkonfiguration, die man sich bei der Installation von Ubuntu aus erst mal erarbeiten muss.

Gentoo hat eine Sonderstellung. Es ist ein "Linux" mit man lernt wie "Linux" funktioniert. Die Programme werden nicht einfach installiert sondern dabei auch kompiliert und also direkt für den vorhandenen Prozessor gebacken. Das hat nachfolgend Vorteile beim Laufzeitverhalten. Ich würde es dennoch nicht für den Einsatz in Unternehmen empfehlen, denn es ist sehr arbeitsintensiv. Wer mehr "Linuxen" als Linux für sich arbeiten will - für den mag das meiner Meinung nach was sein. Spezialfälle sind abhängig vom Einsatzzweck: Router etc.)

Weitere Distributionen nennt Wikipedia, Diese zu loben oder zu verreißen überlasse ich mal anderen.

Desktop

Ich bleibe auch hier beim Mainstream, gehe hier auf KDE, Gnome, XFCE, LXDE, Unity ein, die (bis auf Unity, dass es wohl nur für/mit Ubuntu gibt) bei allen Distributionen installierbar sind.

KDE ist ideal für verspielte Windows-Home-User. Hat aber Programme auf die ich persönlich nicht verzichten will. Da wären als wichtigste Dolphin (Filemanager), Kate (Editor), aus Gewohnheit: Konsole (ein Terminal). Die lassen sich aber auch mit den anderen Desktops nutzen. Es ist graphisch sehr aufwendig geworden. Sollte man nur mit leistungsfähigen Rechnern nutzen. Mir hat es bis zur Version 3 sehr gut gefallen.

Gnome ist (pardon: war) ein Mittelweg aus Verspieltheit und Professionalität. Inzwischen hat sich sein Ruf verschlechtert, weil an der Oberfläche einiges nicht mehr besonders einfach zu konfiguriere ist, zudem erfordert das aktuelle Gnome auch viel an Rechenleistung. Viele ehemalige Nutzer haben sich aus diesen Gründen von Gnome abgewandt und installieren entweder einen der folgenden Desktops oder ein Derivat mit Gnome 2. Das scheint aber nicht besonders zukunftssicher zu sein, weil ältere Tools nicht mehr weiter entwickelt werden, neuere Gnome 3 erfordern.

XFCE und LXDE sind Desktops, die in der Bedienung weitgehend an den von Windows 2000 erinnern - aber sehr stark gestaltbar sind. Vorteile sind Leichtgewichtigkeit, allenfalls gibt es in geringem Maße (von mir als "nur zeitraubend" empfundene) Animationen oder rechenintensive 3-D-Effekte. Ich habe mich mit XFCE angefreundet. LXDE ist wohl noch ressourcenschonender hat aber wohl Nachteile bei der Gestaltbarkeit - oder deren Einfachheit.Genaueres mag dazu jemand anderes ausführen.

Unity ist ein Desktop der originär zu aktuellen Ubuntu-Distributionen gehört. Er ist Geschmackssache. Ich sehe Vorteile bei der Nutzung mit kleinen Notebooks oder "Netbooks", insbesondere solchen mit breiten 16:9 oder auch schon 16:10 Bildschirmen (WSXGA 1366×768, 1280×720 oder 1440×810, 1600×900 und 1024x600. Denn er hat das "Startmenü auf der linken Seite. Zudem muss man die Maus wenig bewegen.

Ich persönlich nutze einigermaßen begeistert Xubuntu, also Ubuntu mit XFCE auf dem Desktop. Wie ich oben schon andeutete installiere ich zusätzlich einige (etliche) KDE-Programme und auch einiges aus Gnome. Diese, eigentlich zu den jeweiligen Desktop-Umgebungen gehörenden Programme lassen sich installieren, benötigen dann aber auch Bibliotheken und teilweise gibt es nicht automatisch aufgelöster Abhängigkeiten. Wenn ich in meinem Lieblingseditor Kate ein Terminalfenster haben will, muss ich z.B. auch die Konsole installieren. Will ich Thunderbird in deutscher Sprache brauche ich z.B. die deutschen Gnome-Sprachbibliotheken. Teilweise ist das im sehr guten Ubuntu Wiki dokumentiert.

Gerade das umfangreiche, deutschsprachige und auch effektive Ubuntu-Wiki ist übrigens mein Hauptgrund, Ubuntu zu benutzen. Das bietet so keine andere Distribution.

Meine(!) Empfehlung

Aus dem Grund empfehle ich für Desktop-Rechner und brauchbare Laptops Ubuntu, genauer Xubuntu. Das dürfte auch bei Benutzern, die von Windows 2000 oder XP kommen die wenigsten Probleme verursachen: Bildschirmfotos nach meiner Einrichtung (Andere können das auch) Andere Desktops, also KDE, Gnome, Unity, LXDE...) kann man auch hier nachinstallieren und beim Login auswählen.

Für Laptops mit breitem und dabei kleinem Bildschirm ist Ubuntu mit Unity meine Empfehlung.

Für den Homeserver empfehle ich (nur) deshalb den Ubuntu-Server, weil man sich dann nicht in die Eigenarten einer anderen Distribution einarbeiten muss.

Im professionellen Server-Einsatz will man sich wahrscheinlich des Services und der Haftung eines großen, Investitionssicherheit bietenden Herstellers/Supports versichern. Hier kommt man, so glaube ich, an SuSE oder Red-Hat kaum vorbei. Eine wesentliche Rolle spielt es, was das vorhandene Personal kann. Es macht also keinen Sinn aller 3 oder auch 5 Jahre die Distribution zu wechseln.

Wie ich schon andeutete gibt es eine Menge Personen, welche ganz andere Meinungen vertreten die jeweils auch ihre sachliche Begründung hat oder haben kann. Präferenzen können hier durch den Anwendungsbereich, Erlerntes, Philosophie aber auch durch puren Glaube entstehen. Das ist also so ähnlich wie beim Autokauf.

Jörg Reinholz