gudn tach!
ach so! man kann noch antworten, auch wenn der thread archiviert wurde? cool!
kenn ich. Stefanowitsch hat zweifelsohne ahnung von sprache. bei diesem thema lehnt er sich meiner ansicht nach jedoch zu weit aus dem fenster.
[...] kannst du mir weiterführende Literatur aus anderer Richtung empfehlen?
gute frage. wie so oft ist es auch bei diesem thema so, dass die, die am lautesten schreien, jene sind, die sich als stellvertrend fuer die eine oder andere meinung durchsetzen, obwohl sie in der regel nur extreme darstellen. diejenigen mit unspektakulaeren, gemaessigten meinungen, koennen noch so vernuenftige ansichten haben, werden aber einfach ignoriert.
mein eindruck ist, dass es schon sehr(!) viele buecher, papers und essays dazu gibt. wissenschaftlich ist das wenigste davon. sehr vieles wurde publiziert von leuten aus dem umfeld der feministischen linguistik, die bekanntermassen nicht immer wissenschaftlich, sondern haeufig praeskriptiv vorgeht, auch wenn da zweifelsohne sehr viele leute wissenschaftlichen background haben. die bekanntesten sind vielleicht senta troemel-ploetz und luise pusch. die sind zwar durch ihre pionier-leistung bekannt, haben allerdings teilweise sehr extreme ansichten, weshalb sie wohl auch keine konsens-meinungen innerhalb der fem. ling. darstellen. interessant zu lesen sind einige von deren sachen so oder so, ganz einfach weil sie in der szene gross sind und weil sie interessante/kreative sprachliche ideen haben, ohne dass ich die an dieser stelle bewerten moechte. (zugegeben: selbst habe ich immer nur auszuege gelesen.)
auf der seite der befuerworter des generischen maskulinums kenne ich -- mal abgesehen von stammtischgeblubber und traditionalisten -- eher essays wie z.b. [bruehlmeier], aber nichts wirklich wissenschaftliches.
nebenbei mal meine these (die vermutlich noch keiner untersucht hat) ist: im schnitt sind die expliziten befuerworter geschlechtergerechter sprache intelligenter als die gegner. und das sage ich, obwohl ich mich im zweifel hierbei eher zu den gemaessigten gegnern zaehle. allerdings ist auch hier schon wieder fraglich, wo befuerworter/gegner jeweils anfaengt und aufhoert. nun ja, das nur am rande.
wirklich wissenschaftliches zum thema gibt es wohl nicht allzu viel im deutschsprachigen raum. 2001 gab es nur sehr wenig dazu.[stahlberg_sczesny2001] mittlerweile bestimmt schon etwas mehr. aber anscheinend immer noch nicht wirklich viel, wenn man's aufs thema verstaendlichkeit eingrenzt.
stefanowitsch hat an sich schon eine gute studie herausgesucht, sie aber imho zu sehr verkuerzt wiedergegeben. meiner ansicht nach hat er das getan, um (s)eine meinung zu bestaetigen (das meine ich mit dem zu-weit-aus-dem-fenster-lehnen). denn die zitierte studie sagt selbst "[...] bleiben auf der anderen Seite Bedenken bestehen, dass solche Formulierungen schwer lesbar seien und dass sie die Verständlichkeit und die sprachliche Eleganz von Texten beeinträchtigen würden. In der Tat ist es nicht allzu schwer, Negativbeispiele für geschlechtergerechte Formulierungen zu finden, die diese Bedenken stützen"[braun2007]
iow: ja, geschlechtergerechte formulierungen koennen die verstaendlichkeit (und sprachliche eleganz) negativ beeintraechtigen. dass sie das nicht zwangslaeufig immer muessen, ist eine binsenweisheit. letztlich geht das ergebnis der genannten studie aber nicht viel weiter als ueber diese binsenweisheit hinaus; unter anderem weil
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die probandenauswahl das ergebnis als nicht-repraesentativ klassifiziert,
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eben nur ein beipackzettel in verschiedenen, kaum unterschiedlichen versionen untersucht wurde und
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nur der subjektive eindruck der probanden untersucht wurde.
im ausblick der studie wird explizit verlangt,
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"weitere Textsorten (z. B. Steuerformular, Roman) zu untersuchen",
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heterogene probandengruppen zu befragen und
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(pseudo-)objektive masse zu nutzen.
eine solche studie blieb bisher vermutlich aus. zweifelsohne waere sie auch sehr sehr aufwendig.
prost seth