Felix Riesterer: Nachdenkliches zum Wochenende: Merry Last Christmas, Jack Dorsey (Mike Monteiro)

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Lieber Axel,

was ist eine qualifizierte Mehrheit? Der "Souverän" in der Demokratie. Man könnte auch vereinfacht sagen, die Mehrheit, die sich aufgrund von Macht und Einfluss, gewonnen aus Überzeugung und Anerkennung, durchsetzen konnte.

verstehe. Also genau diejenigen, an denen der Sozialismus gescheitert ist. OK.

Idealistisch? Ja, aber anders geht es meiner Meinung nach nicht.

Das sehen die vier großen (Facebook, Google, Apple und Amazon) aber ganz anders.

Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich eine Meinung hat, oder ob sie schlicht den bequemsten Weg geht, weil sie sich einfach keine oder wenigstens viel zu wenig Gedanken macht, was sie da tatsächlich tut und was es für Konsequenzen hat. Das wäre dann aber unqualifiziert.

So ist eben die Realität.

Bildung ist wichtig, ja. Aber, was Bildung ist, wird ebenfalls von den aktuell Mächtigen und Einflussreichen bestimmt.

Dafür haben wir eine Kultur, etwas gewachsenes. Du darfst Bildung nicht mit Lehrplan verwechseln. Mit Bildung meine ich hier die Summe kulturellen Schaffens, nicht nur der westeuropäischen Zivilisation, von der Antike bis heute. Erfahrbar ist für das Individuum sicherlich nur ein grober Querschnitt, aber je ausführlicher der sein kann, desto besser für den Bildungsstand des Individuums. Diesen braucht es, wenn ein Individuum Wertvorstellungen entwickeln will, die nicht allein auf seinen biologisch verdrahteten Neigungen basieren sollen.

Und das Religion am Wohlstand scheitert, halte ich für ein Gerücht.

Dann schaue Dir doch einmal an, wie Religion versucht gesellschaftliches Leben mit Regeln und Idealvorstellungen zu ordnen und zu lenken. Na, funktioniert das so, wie es in den jeweiligen heiligen Schriften steht? Halten sich die Vertreter der jeweiligen Religion daran? Wo tun sie das noch am meisten?

Religion ist im Allgemeinen der Glaube, dass es etwas Größeres gibt, als "den Wohlstand".

Religion ist das, was der Mensch benötigt, um das Unvorstellbare zu verkraften. Dazu gehört sowohl eine Schöpfungsgeschichte, als auch eine Vorausschau auf ein Jenseits. Für die Zeit "dazwischen" gibt es Regeln, wie ein gedeihliches Miteinander funktioniert, damit die Spezies Mensch prosperiert.

Im Gegenteil wird sie wieder wichtiger werden, spätestens wenn wir gezwungen werden, unseren Wohlstand tatsächlich mal teilen zu müssen. Und das werden wir müssen, wenn wir nicht alles verlieren wollen.

Hmm. Mag sein. Weiß ich nicht. Der Einfluss der Religion ist immer dann wichtig, wenn Menschen sich auf einer Ebene begegnen, auf der nur der Mensch als Mensch wichtig ist, fern ab von allen Gütern. Dann, wenn es um Seelenangelegenheiten geht. Wenn es um das Unfassbare und Unfassliche geht, das die Vernunft eben nicht begreifen kann.

Und darum muss das Privateigentum an Produktionsmitteln überwunden werden? Nein, der Versuch ist gescheitert. Es muss eine Kontrolle und Regulierung erfolgen durch dazu demokratisch legitimierte Staatsorgane.

Das klappt ja so wunderbar: the markets are failing

Die Maxime ist die Erhaltung der Schöpfung, möglichst inklusive der Menschheit.

Aha. Eine religiöse/weltanschauliche Aussage. Da könnte ich mir aus darwinistischer Sicht aber ebenso gut vorstellen, dass sich die Biologie von ihrem gescheiterten Experiment mit diesem homo sapiens sapiens irgendwann wieder befreien und davon ungestört weiter entwickeln wird.

Staaten können Menschen nur dann bilden, wenn sie trotzdem ihrer natürlichen Organisationsform (Geliebte, Familie, Freundeskreis, Sippe, Stamm) folgen können dürfen.

Ich habe mich zugegebenermaßen viel zu wenig mit Staatstheorien beschäftigt. Meine Kenntnisse beschränken sich auf Schulstoff mit Rousseau und Konsorten.

Ja, auch die Twitter Community besteht aus Menschen mit all ihren Unzulänglichkeiten. Aber etwas Anderes als diese Menschen haben wir nicht zur Verfügung, um unser Zusammenleben zu organisieren. Aber einige dieser Menschen können durchaus sehr überzeugend Gutes bewirken, wenn man sie lässt.

Die Twitter-Community nutzt diese Plattform aus welchen Motiven heraus? Wozu brauchen wir Twitter überhaupt? Was haben wir nur gemacht, als es das noch nicht gab?

Diese "einige dieser Menschen" sind mir definitiv zu wenige gemessen an der Gesamtheit der "Community"! Auch wenn "one in a million" aus Twitter-Sicht "great odds" sind...

Hä? Welche nachprüfbaren Fakten gibt es denn für die Behauptung, Twitter wäre eine "human interaction company"? ...

Das Geschäftsmodell hinter Twitter lässt kaum einen anderen Schluss zu.

... ach so, Du meinst meine Auffassung über Meinungsäußerung wäre von Idealismus gefärbt. Aber das kann nicht stimmen, denn der Begriff Meinungsäußerung ist sehr allgemein und auch genau so gemeint.

Ich bezog mich auf den Terminus im Hinblick auf die Äußerungen, die über das Medium Twitter verbreitet werden.

Auch Selbstdarstellungen, grober Unfug und sogar Hassbotschaften sind Meinungsäußerungen, genau wie gebildete und selbstreflektierte Äußerungen. Man kann all das äußern, muss dann aber damit leben, wie Andere das einordnen und werten und ihre Schlüsse daraus ziehen.

OK.

Aber dazu müssen Andere das einordnen und werten können.

Warum müssen sie das können? Ich meine "können" als "physisch und kognitiv dazu in der Lage sein", nicht "einen technischen Zugang zur Verfügung haben". Ist das Grundvoraussetzung an der Teilnahme auf irgendwelchen Plattformen sozialer Netzwerke? Ich meine beobachten zu können, dass dem gerade nicht so ist. Sonst hätten wir das Phänomen der Shitstorms nicht. Sonst könnten diese "Medien" (ihrem wahren Geschäftsmodell folgend sollten wir weiterhin von human interaction companies sprechen) nicht das Niederste im Menschen monetär ausschlachten.

Liebe Grüße,

Felix Riesterer.