Hallo pl,
hast du eine Vorstellung davon, ob "ein Silbergroschen" damals der übliche Lohn für einen Tagelöhner war oder nicht? Soweit mir bekannt ist, war das der Betrag, den man brauchte, um seine Familie einen Tag ernähren zu können.
Es geht auch nicht darum, dass die Arbeiter, die den ganzen Tag da waren, zu dumm waren um mehr auszuhandeln. Gehandelt wurde ja (Vers 2), und die Leute hätten nicht gemault, wenn sonst niemand mehr gekommen wäre. Der Ärger entstand, als die Arbeiter, die kurz vor knapp gekommen sind, das gleiche bekommen haben, und diejenigen, die früher angeworben wurden, neidisch wurden. Der Weinbergbesitzer ging einige Male zum Markt und schaute, ob Leute herumstehen, und als er kurz vor Feierabend (elfte Stunde) noch welche findet, die ihm sagen, dass sie niemand angeworben hat, schickt er sie auch noch hin. Letztlich gibt er sich also alle Mühe, jedem, der unbeschäftigt ist, eine Chance zu geben.
Und alle erhalten am Ende den Tageslohn, damit alle etwas zu Essen haben. Das zeigt mir, dass es dem Weinbergbesitzer NICHT um Ausbeutung ging. Dann hätte er Stundenlohn bezahlt. Er wollte allen - im Rahmen des existierenden sozialen Kontextes - die gleiche Chance geben.
Letztlich steckt das hinter dem Gleichnis. Es beschreibt, dass Gott alle Menschen gleich liebt - egal wann sie zu ihm finden. Und dass es nie zu spät ist, zu ihm finden zu wollen. Die Negativdeutung ist natürlich auch da: Lass es dir den Tag über gut gehen und stell dich dann nachmittags unschuldig auf den Markt - deinen Silbergroschen kriegst Du eh. Diese Mentalität ist ein Grund für die Probleme, die Menschen mit dem Kommunismus haben.
Man kann auch herauslesen, dass der Weinbergbesitzer durch die Arbeit der Tagelöhner genug verdient, um sich solche Wohltätigkeiten leisten zu können, sprich: er gibt den Leuten zu wenig. Das Besondere ist hier aber doch, dass er es TUT, statt das Geld einzusacken und die Leute auf dem Markt hungern zu lassen. Eine weitere Botschaft des Gleichnisses ist also: Wer Geld hat, hat auch Verantwortung. Man mag den Kapitalismus in den USA verachten, wie man will - aber dort haben es viele kapiert: Wer viel Geld verdient, dem steht es gut an, es auch für soziale Zwecke einzusetzen. Das findet man hierzulande leider viel zu wenig. Mich hat einer der Klitschkos in einer Spendengala beeindruckt. Da wurde viel Geld für Leukämiekranke eingeworben, und er, als Promigast, sagte: Ich mache die Summe am Ende rund. Es kam irgendein Millionenbetrag heraus, ich weiß nicht mehr genau was vor dem Komma stand, aber es war sowas wie "8,15 Millionen". Der Moderator forderte Klitschko dann auf, auf 8,2 aufzurunden. Irrtum. Er hat auf 9 Millionen aufgerundet, ohne mit der Wimper zu zucken.
D.h. du hast das Gleichnis arg durch die Mangel gedreht - und das andere angeführte Gleichnis bezieht sich auch nicht auf die Unternehmer, sondern auf illoyale Sachwalter, die das ihnen anvertraute Gut mit Eigentum verwechseln.
Beim Vergleich mit Software, die in öffentlicher Hand erstellt wird und bei Veröffentlichung dann möglicherweise von Trittbrettfahrern vereinnahmt werden könnte, wird vom Gleichnis in Mt.20 also gerade nicht beschrieben. Die bösen Winzer in Mt.21 kommen dem schon näher, das wäre genau das, was ich meinte: Software wird veröffentlicht, und dann von irgendwem als Eigentum beansprucht. Und dann gibt es Mord und Totschlag beim Versuch, diesen Anspruch zurückzuweisen.
Rolf
Dosen sind silbern