Hallo beatovich,
Stelle dir vor, du stehst mitten in der Wüste einsam an einer roten Ampel.
Grandioses Beispiel für die Frage: sind Gesetze notwendig. NICHT! Gesslerhüte gibt's immer mal, die sind aber nicht der Normalfall.
Gut, wo kommt die allgemeingültige Lösung her? Moral ist das, was dich befähigt, witgehend konfliktfrei durchs Leben zu kommen...
Moral ist keine individuelle Angelegenheit. Wenn Du das anders siehst, verwendest Du den falschen Begriff. Die Kenntnis der vorherrschenden Moral ist es, weitgehend konfliktfrei durch's Leben zu kommen.
Gesetze sind aufgeschriebene Moral. Moral ist die Übereinkunft einer Gesellschaft über das, was richtig und falsch ist. Im dritten Reich war es - zumindest bei den Herrschenden - völlig moralisch, das jüdische Volk in die Gaskammern zu schicken. Der Rest der Welt nannte das ein Verbrechen. Denn dieser Moral fehlte es an jeder ethischen Tragfähigkeit - Ethik ist die Frage nach allgemeingültigen Regeln von richtig und falsch.
Gesetze sind also ein Ergebnis von Philosophie (Ethik) und viel Kommunikation: Die Übereinkunft einer Gesellschaft darüber, wie das gemeinsame Leben gut funktioniert. Je größer die Gesellschaft, desto schwieriger ist das. In Fucking Tarsdorf[1] klappt das noch mit einem Saufabend im Magnaye City Beef, in der EU wirst Du dagegen zu jeder Meinung eine Million Gegner und mehr finden.
Was ist gut an absoluten Standards?
Sind sie ja nicht. Sie sind variabel, als Übereinkunft einer Gesellschaft. Wenn Du deine eigenen Standards machst, oder die vereinbarten Standards nicht kennst, kommst Du nicht konfliktfrei durch's Leben. Deine eigenen Worte; was soll also die Frage?
...entmündigt...
Diese Gefahr besteht beim Setzen von Standards immer: dass sie zu weit gehen. Aber auch das ist eine Frage von Moral: Wieviel Freiheit gesteht man dem Einzelnen zu. Wie eng gehören Normen gefasst. Celia Greene hat da zwischen Stammesmoral und territorialer Moral (tribal vs territorial morality) unterschieden. Stammesmoral ist streng und verbietet alles, was nicht explizit erlaubt ist. Sie definiert ein klares "wir gegen den Rest der Welt". Das Individuum zählt wenig und der Häuptling legt die Regeln fest. Territorialmoral legt Wert auf das Individuum und erlaubt alles, was nicht verboten ist - was voraussetzt, dass man sich kommunikativ über die Verbote geeinigt hat. Die konkrete Moral einer Gesellschaft findet sich irgendwo in diesem Spektrum, und die Mitglieder dieser Gesellschaft bilden vermutlich eine Normalverteilung um diesen moralischen Schwerpunkt herum. Wer auf der individuelleren Seite des Schwerpunktes ist, fühlt sich gegängelt. Wer eher auf der Stammesmoral-Seite ist, hat Angst vor all diesen Anarchisten. Und diese beiden Beispiel-Individuen werden sich nie einig sein, was gut und richtig ist und was nicht.
Und weil jede Gesellschaft ihre Parasiten hat, gibt es immer diejenigen, die aus Abweichungen von der Moral Kapital schlagen wollen. Womit wir wieder bei DSGVO und Abmahngeiern wären.
Rolf
sumpsi - posui - clusi