Geschlechtergerechte Sprache
bearbeitet von 1unitedpower> Vielen, vielen Dank dafür.
Sehr gerne.
> Ich finde das sehr interessant. Insbesondere, weil nicht mittels Checkliste sondern mit einer Prüfgruppe getestet wurde, ob die Texte zugänglich sind (die ich übrigens sehr angenehm zu lesen finde).
Ja, Nutzertest können kaum überschätzt werden. Das ist etwas, das wir wie Software-Dokumentation jeden Tag vorbeten, aber leider immer noch nicht ihren gerechten Platz in unsere Produkt-Entwicklung gefunden hat.
> Bei mir bleiben ein paar Fragen: obwohl ich mich für sehr leseerfahren halte, keine Lese-Rechtschreib-Schwäche habe und auch keine diagnostizierte, pathologische Konzentrationsschwäche, lasse ich mich davon extrem ablenken.
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> Wieso kommt die Prüfgruppe dennoch damit klar? Liegt es daran, dass die Texte auch in anderer Hinsicht vorbildich sind?
Das spielt mit Sicherheit eine wichtige Rolle.
> Ich fand diese Texte besser verständlich als andere, die gegendert wurden. Dennoch empfinde ich das Sternchen als ziemlich störend.
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> Bin ich der einzige auf der Welt mit dem Problem?
Ganz sicher nicht.
> Wie gut funktioniert es in schwierigeren Artikeln, solchen die sich mit Menschengruppen beschäftigen, so dass sehr häufig gegendert werden müsste?
Gute Frage, die man stellen muss. Leider ist Genderlinguistik an deutschen Hochschulen nie institutionalisiert worden, es gibt keine einzige Professor\*innen-Stelle in Deutschland, nur einzelne Forschungsprojekte. Das sieht in anderen Ländern anders aus, die beschäftigen sich aber seltener mit deutschen Sprache. Diese Disziplin könnte solchen Fragen nachgehen.
> Wie dort, wo ein sehr hoher fachlicher Anspruch, der das Verständnis ohnehin schwierig macht, weitere Ablenkung deutlich schwerer wiegen würde?
In akademischen Publikationen hat sich geschlechtergerechte Sprache bereits sehr weitläufig etabliert, das ist für mich ein Indiz dafür, dass sie in diesem Bereich nicht als signifikant störend empfunden wird. Das kann auch damit Zusammenhängen, dass Forscher\*innen sehr geübte Leser\*innen sind und vielleicht aus einem größten Topf an Lesetechniken schöpfen.
> Auf jeden Fall ein sehr interessanter Artikel, den ich mir abheften werde!
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> Ich würde das gerne weiter verfolgen, denn für Gerechtigkeit bin ich auch. Bis jetzt präferiere ich immer noch alternierend generisches Maskulinum und Femininum zu nutzen.
Das ist ja auch eine Form der geschlechtergerechten Sprache.
> So oder so bleibt für mich ein Gerechtigkeitsproblem: wo sind die Diversen?
Im Sternchen. Ob das wirklich dazu führt, dass nicht-binäre Menschen häufiger mitgedacht werden, ist AFAIK noch nicht hinreichend untersucht.
> Und unästhetisch ist es auch nach wie vor. Vielleicht lenkt es mich deshalb so stark ab. Ich stolpere jedesmal darüber. Und es fühlt sich an wie eine Ohrfeige.
Das klingt für mich nach einer plausiblen Erklärung.
> Ich stelle das jetzt einfach mal so fest: Offenbar hat nicht jede Barriere rein rationale Ursachen.
Ästhetikempfinden ist eine rationale Begründung. Aber sie ist, anders als Schmerzempfinden, keine angeborene, sondern eine angelernte Empfindung. Und man kann sie schulen, indem man Offenheit für Neues und Anderes praktiziert. Ein Extrembeispiel ist abstrakte Kunst, für die der Mehrheit der Menschen ein Zugang fehlt, die aber unter Kunstbegeisterten eine populäre Kunstform ist.
> Und zu guter letzt: funktionieren tut es nur, wenn man sich daran gewöhnt, es zu überlesen. Und das ist dann ja irgendwann nicht mehr der Sinn der ganzen Sache?!?
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> Wenn Gendern nur dadurch in Bezug auf Text-Verständnis funktioniert, dass man lernt es zu ignorieren, führt das doch das ganze Bemühen ad absurdum?!?
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> Es bleibt für mich nur: gendern wird bemerkt und stört oder fällt nicht auf (und nützt dann auch nicht)…
Wenn es nachhaltig dazu führt, dass Frauen und nicht-binäre Menschen häufiger mitgedacht werden und für mehr Akzeptanz von Menschen sorgt, dann wäre es nicht umsonst. Die Nachhaltigkeit ist aber sehr schwierig zu messen. Erstens ist das Feld ja noch sehr jung, zweitens kann man Studien dazu nur sehr schwer erstellen, weil sich über jeden längeren Zeitraum auch diverse andere gesellschaftliche Einflüsse und Rollenbilder ändern. Es dürfte schwierig bis unmöglich sein, die Rolle der Sprache im gesellschaftlichen Wandel isoliert von anderen Faktoren zu betrachten.
Wenn sie aber kurz und mittelfristig dazu führt, dass Frauen und Diverse mehr gesellschaftliche Akzeptanz erfahren (und das ist wissenschaftllich unumstritten) hat das auf jeden Fall eine positive Rückkopplung auf unser Zusammenleben.