Hallo,
gerade von dir als Lehrer überrascht mich dieser Standpunkt.
mein Job ist das Lernen. Lehrer sollen andere beim Lernen anleiten, begleiten, unterstützen und beurteilen. Daher müssen wir uns schon ein bisschen damit beschäftigen, was, wie und auch warum jemand lernt. Und das Warum ist so eine Sache...
das ist wieder der große Unterschied zwischen dem erzwungenen Lernen in der Kindheit, Schule als lästige Pflicht und so, und dem selbstbestimmten Lernen aus freien Stücken, das man sich leisten kann (und sollte), wenn man die Schule mal hinter sich hat.
Hatten wir hier nicht neulich die Diskussion um formal sauber gestellte Fragen hier im Forum? Warum sollten heutige Viertklässler noch immer in der Lage sein, die sogenannten Orientierungsarbeiten der Achtzigerjahre erfolgreich zu absolvieren? Diese waren dazu gedacht, die Eignung für die weiterführenden Schularten zu messen. Heute würden einige derer, die heute das Gymnasium besuchen, als Viertklässler diese Arbeiten nicht mit den erforderlichen Zensuren geschafft haben.
Ja, das glaube ich unbesehen.
Und warum nicht? Weil es das nicht mehr braucht.
Und genau diese Meinung teile ich nicht! Die Beherrschung der Sprache in Wort und Schrift, die Beherrschung der Grundrechenarten und des kleinen Einmaleins, das sehe ich als unabdingbare Basis, über deren Notwendigkeit ich nicht einmal diskutiere. Das ist meines Erachtens noch viel wichtiger als große Komponisten oder Dichter und ihre Werke zu kennen, fundamentaler als den Dreißigjährigen Krieg einordnen zu können oder die Beherrschung des Fosbury Flop.
Einwandfreie schriftliche Korrespondenz haben noch nicht einmal Berufsgruppen nötig, wie z.B. der Rechtsanwalt, der mich in einer Verkehrsrechtssache vertreten hat.
Und das finde ich traurig - nein, erschreckend!
Nicht umsonst lernen angehende CNC-Fräser in ihrer Ausbildung auch erstmal das Bohren, Sägen, Feilen, Körnen und Anreißen von Hand, auch wenn sie das in ihrem späteren Job wohl selten bis nie brauchen werden.
Doch, diese Kenntnisse benötigen sie sogar ständig! Denn damit sind Kenntnisse verbunden, "worauf es ankommt". Wenn die Fräse schadhafte Ergebnisse liefert, dann muss man als Fachmann diese Schäden erkennen und verstehen können. Dazu ist das Basiswissen da. Deswegen ist es ja Basiswissen.
Dann unterscheide ich da zwischen Basiswissen und Basisfingerfertigkeit. Um ein bestimmtes Schleifbild zu erkennen, das z.B. auf einen stumpfen Fräser oder eine falsch gewählte Schnittgeschwindigkeit hindeutet, muss ich das nicht in der Werkstatt über Wochen hinweg und mit Blasen an den Händen selbst gemacht haben. Da genügt es, wenn man ein paar Werkstücke mit typischen Merkmalen bewusst gesehen und auch mal in der Hand gehabt hat.
Bei C-Kenntnissen für PHP handelt es sich nicht um Basiswissen, sondern um nice to have.
Richtig. Es ist sozusagen wie die Lehrplaneinheit "Geschichte des Mittelalters". Kann man wissen, sollte man vielleicht auch, muss man aber nicht.
Ich wünsche den Leuten dabei immer, dass das, was sie in ihrem Job tun, ihnen auch ein bisschen Spaß macht, und dass sie deshalb ein Interesse haben, auch über den Tellerrand hinauszuschauen. Vielleicht auch außerhalb der Arbeitszeiten.
Du formulierst eine Definition von Idealismus. Wir Stammposter hier haben eine entsprechende Persönlichkeitsstruktur, die Idealismus begünstigt. Das muss aber für den Rest der Gesellschaft so nicht gelten.
Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Auch so eine Art Idealismus, ich weiß.
Live long and pros healthy,
Martin
--
Früher war ich klein und dumm. Inzwischen hat sich so manches geändert. Ich bin größer geworden.