Rolf B: Kosten für Online-Abstimmungen

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Hallo Friedel,

du musst davon ausgehen, dass eine für euch individuell geschriebene Software auch nicht billig ist. Im Gegenteil.

Wenn es schnell geht, hast Du 3-4 Wochen Entwicklungsarbeit. Hinzu kommen etliche Personentage für Workshops, die die exakten Anforderungen festlegen. Sowas macht man nicht per Mail und Telefon - frag mal Linuchs, welche Erfahrungen der da hat.

Die Software muss

  • irgendwie die Wahlberechtigten importieren - d.h. du braucht eine Brücke zur Mitglieder-DB
  • Tokens generieren und Mails versenden - das ist der primitivste Teil des Ganzen
  • Ggf. Rückläufer automatisch erkennen und invalidieren
  • Mehrere Wahlen parallel unterstützen
  • Stimmen zählen und visualisieren - bei bis zu 20000 Wahlteilnehmern ist das bereits eine Sache, die performancekritisch werden kann
  • Per Brief abgegebene Stimmen integrieren können - du hast garantiert Onlinewahlverweigerer dabei
  • Dann steht ein fachliches Scheunentor offen: Was wird da abgestimmt und nach welchen Modus? Da gibt's diverse, z.B. Ja/Nein Abstimmungen, Listenwahl mit und ohne Stimmenhäufung, mehrere Wahlen in einer - wie wird eine konkrete Wahl eingerichtet? Braucht die Software ein Designer-Tool? Oder schreibt da einer pro Wahl HTML für das Wahlformular und eine JSON-Datei als Abstimmkonfiguration? Allein hier kann man sich wochenlang vergnügen und im Zuge der Diskussion, was wie gehen soll, viele K€ verbraten.
  • das Ganze muss getestet werden
  • das Ganze muss ausfallsicher und lastfest betrieben werden. Wenn 20000 Leute abstimmen sollen, darf der Server nicht in die Knie gehen.
  • Du musst garantieren, dass die Seite hackersicher ist. Dafür ist ein Token so eine Sache - Mails sind nicht hackersicher. Da muss erstmal ein Sicherheitskonzept erstellt und zertifiziert werden
  • auch die Software und der Serveraufbau müssen zertifiziert werden, damit die Mitglieder glauben, dass da eine korrekte und ungehackte demokratische Wahl abläuft. Wenn dieser Glaube fehlt, hast Du amerikanische Verhältnisse. Je nachdem, was das für ein Verein ist, können da enorme Anforderungen entstehen.
  • für das Ergebnis muss vom Anbieter eine Garantie für Richtigkeit übernommen werden.

Sowas lässt man nicht von einem Hobbyprogrammierer machen, allein die Punkte Zertifizierung und Garantie sind da kaum zu leisten. Und die Zertifizierung muss durch eine unabhängige Stelle erfolgen, andernfalls wird Dir das kein LV/BV abnehmen.

Schätzung für eine individuell gefertigte Lösung: 10K€ als Untergrenze, mit beliebig viel Zusatzkosten für den "Wahlen-Designer". Wobei ich keine Ahnung habe, wer sowas zertifizieren kann und was das kostet. Das BSI kann sowas sicherlich, aber ob die sich damit abgeben?

Für diese Kosten kannst Du viele Wahlen bei einem Dienstleister durchführen lassen.

Achso - ist euer Verein von seiner rechtlichen Stellung her eigentlich verpflichtet, solche Aufträge EU-weit auszuschreiben?

Und mit etwas Pech erklären die Mitglieder nach 2 Wahlen, dass sie dieses Online-Tool nicht mehr nutzen wollen, weil irgendein Killefitz gehakt und das Vertrauen beseitigt hat. Oder weil irgendwer den Trump gibt und eine Wahlniederlage dem Tool zuschreibt. Und dann sitzt Du da und fluchst. Dieses Risiko musst Du einkalkulieren.

Rolf
Softwareentwickler in einer großen Versicherung

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sumpsi - posui - obstruxi