Der Martin: 30.10.2021 Virtuelle MV

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Hallo,

wahrscheinlich hast du durch deine mehrjährige Vorstandstätigkeit (nicht nur bei SELFHTML) mir gegenüber einen Erfahrungsvorsprung.

Ja, das mag sein - das ähnelt aber einem Autoritätsargument und das wollte ich gar nicht ziehen.

hatte ich so auch nicht gemeint. Aber ich bin gern bereit anzuerkennen, dass jemand anders von bestimmten Dingen mehr Ahnung hat als ich, und ich bin in einem solchen Fall auch gern bereit, Vorschläge anzunehmen oder zuzugeben, dass ich mich geirrt habe.

Nur weil ich Erfahrung habe, hält mich das nicht davon ab, Dinge falsch zu erinnern oder in einen falschen Zusammenhang zu bringen. Es ist also schon völlig in Ordnung, da nochmal nachzuhaken oder von mir Beweise zu fordern 😉

Genau das ist meine Grundeinstellung: Wenn ich etwas nicht verstehe (z.B. weil mir Hintergrundwissen fehlt), stelle ich die Regel einfach mal in Frage und lasse sie mir erklären. Ja, manchmal kommt dabei tatsächlich die Erkenntnis raus: Oh, dann haben wir das schon jahrelang falsch (oder nicht optimal) gemacht.

Aber wenn ich unsere Satzung lese, finde ich in §7 kein Wort dazu, dass nur anwesende Mitglieder stimmberechtigt sind. Daher meine Schlussfolgerung "nicht ausgeschlossen".

Die Schlussfolgerung ist ja auch nicht falsch - unsere Satzung schließt das nicht aus. Trotzdem genügt das nicht für ein Briefwahlprozedere statt einer Versammlung, denn nur die Versammlung ist beschlussberechtigt.

Ja, da ist der Knackpunkt. Ich hatte das nicht anstatt MV gemeint, sondern ergänzend für einzelne Mitglieder, denen der Termin nicht passt (und die ihn auch nicht passend machen können oder wollen).

Rolfs Vorschlag las sich nach "es findet keine Versammlung statt, alle geben ihre Stimme schriftlich ab" (was nicht geht - außer in einem Ausnahmefall, siehe Ausführung weiter unten).

Auf die Idee bin ich nicht gekommen; diese Interpretationsmöglichkeit erkenne ich erst jetzt, nachdem du das herausgearbeitet hast. Wo immer ich bisher von Briefwahl oder einer vergleichbaren schriftlichen Stimmabgabe gehört habe (z.B. auch bei Eigentümerversammlungen), ist sie ein zusätzliches alternatives Angebot neben der persönlichen Stimmabgabe bei der Versammlung.

Dass man bei Nicht-Anwesenheit an einer stattfindenden Versammlung schriftlich Stimmen abgeben kann sieht auch §33 BGB so - wo für die Änderung eines Vereinszwecks ein einstimmiges Votum aller Mitglieder vorgesehen ist, nötigenfalls auch durch schriftliche Stimmabgabe.

Es gibt ja außerdem noch die Möglichkeit, einer anderen (anwesenden) Person eine Vollmacht zu erteilen, damit diese stellvertretend auch meine Stimme in die Waagschale werfen kann. Aber dann wird es noch komplizierter - denn dann müsste ich dieser Person auch die Vollmacht erteilen, den Diskussionsverlauf in meinem Sinn mitzulenken. Das ist eigentlich nur dann vorstellbar, wenn die Vertrauensperson dieselbe Meinung vertritt wie ich selbst. Sonst hat der/die Bevollmächtigte einen Interessenkonflikt oder müsste schizophren sein. 😉

Das ist aber trotzdem unpraktikabel - denn selten bis nie steht die exakte Beschlussformulierung schon vor der MV fest, es ist nur das Thema oder der zu regelnde Gegenstand bereits bekannt. Daher kann man bei einer normalen MV de facto gar nicht vorher schriftlich zustimmen.

Das hatte ich Rolf ja auch schon zu bedenken gegeben.

Übrigens, eine Notiz am Rande (war mir vorher so auch nicht klar): §32 BGB formuliert, [...]

Ja, das BGB ist schon eine tolle Sache:
Eine Config-Datei mit vielen juristischen Defaulteinstellungen. 😉

Eine weitere Randnotiz: Bei anderen Körperschaften ist oft auch die Beschlussfähigkeit dann ein Problem. Während die Stimmabgabe tatsächlich oft nicht an Anwesenheit gekoppelt ist, ist es die Beschlussfähigkeit der Versammlung in der Regel schon. Das ist bei uns kein Problem, da unsere Beschlussfähigkeit nur an eine ordnungsgemäße Einladung gekoppelt ist.

Ja, bei anderen oft an einen Mindestanteil anwesender Mitglieder (oft 50%).

Live long and pros healthy,
 Martin

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Bei Erwärmung steigt das Thermometer, bei Erkältung singt es.