Hej Bimmelbeule,
Deinen Beitrag zitiere ich nicht, weil ich mich an einer Antwort auf den gesamten Thread versuche...
Warum steht die Navigation oben, es gibt ja gute Gründe, das anders zu machen
Das kann man in der Tat so sehen. Aber es hat sich nie durchgesetzt, daher gilt all das, was @Gunnar Bittersmann dazu geschrieben hat
Wie hört es sich im Screenreader an, wenn man an einen Skiplink kommt
Der Screenreader liest es wie jeden Link: "Link: [zugänglicher Name]", also zum. Beispiel "Link zum Artikel"
Einen Skiplink anzuklicken ist furchtbar
Nein, ist es nicht. Bei Barrierefreiheit geht es auch gar nicht (in erster Linie) um Benutzerfreundlichkeit, sondern erst einmal darum überhaupt mit einer Website zurecht zu kommen. Auch Menschen ohne Behinderung müssen sich nun mal oft mit grottigen Websites auseinander setzen.
Das ist zwar doof, es gibt aber keinen Rechtsanspruch auf "gut" gemachte Websites.
Da Navigationen und andere Blöcke unter Umständen sehr viele interaktive Elemente besitzen, kann es die Konzentration tatsächlich so stark stören, dass eine Seite de facto nicht mehr zugänglich ist. Daher gibt es die Forderung nach einer Möglichkeit wiederkehrende Blöcke überspringen zu können (Bypass Blocks) - die offizielle deutsche Übersetzung der WCAG 2.1 ist aufgrund formaler Gründe leider immer noch nicht öffentlich verfügbar. Dabei habe ich meine Zustimmung bereits gegeben 😉
Was ist Barrierefreiheit
Vielleicht mal etwas zu dem Begriff der Barrierefreiheit. Das ist erst mal etwas schwammig und umstritten. Im englischsprachigen Raum redet man von Zugänglichkeit, im deutschsprachigen auch von barrierearm. Dahinter steckt der Gedanke, dass es eine 100%-Barrierefreiheit nicht geben kann, also ein digitales oder physisches Produkt, dass von jedem Menschen unabhängig von der Schwere multipler Behinderungen genutzt werden kann.
Wenn man weder hören, sehen oder Tasten kann wird es naturgemäß schwierig eine Website wahrzunehmen - und wenn die Technik reif ist, Text ins Gehirn "einzuspielen", kann es auch noch sein, dass das Gehirn nicht die nötigen kognitiven Fähigkeiten besitzt, Text zu verstehen.
Aber man sieht schon, solche Fälle muss man konstruieren. Auch Menschen mit so starken Einschränkungen wie Stephen Hawking sind in der Lage mit entsprechender Technik viel zu leisten.
Ich finde es pingelig auf solchen Begriffen rumzureiten, verwende persönlich am liebsten "zugänglich".
Das ist keine Antwort auf die Frage, was Barrierefreiheit ist.
Letztendlich ist es eine Sache der Definition. Im Bereich Barrierefreiheit gibt es neben diversen Definitionen auch noch Standards.
Zum Glück lassen sich sehr viel davon wieder auf einen zurückführen, nämlich die hier bereits genannten Richtlinien für die Zugänglichkeit vom W3C, die sogenannten Web Content Accessibility Guidelines".
Wie barrierefrei muss man sein
Überhaupt nicht, es sei denn, man arbeitet z.B. in der EU für den öffentlichen Dienst.
Es gibt Länder, die haben die Barrierefreiheit nämlich gesetzlich als ein Recht festgelegt. Dazu gehören alle Mitgliedsstaaten der EU und ein paar weitere, nämlich als, die in der europäischen Freihandelszone mitmischen wollen (sogenannte EFTA-Staaten). Hier will man für gleiche Rechte und Pflichten sorgen.
Bleiben wir in der EU, weil das schon kompliziert genug ist und uns hier betrifft.
Die EU hat einen Katalog mit Forderungen geschrieben, die europäische Norm EN 301 549 (aktuell Version 3.2.1), in welcher steht, was man erfüllen muss, um die gesetzlich geforderten Mindestbedingungen zu erfüllen.
Neben den gesetzlichen Vorgaben, die einen aber womöglich nicht betreffen, weil man nicht in den Geltungsbereich der Barrierefreien Informationstechnik Verordnung oder dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fällt, gibt es aber viele gute Gründe barrierefrei zu sein. Unter anderem handvolle ökonomische (Stichwort Wettbewerbsvorteil), aber natürlich auch ethische usw
Insofern komme ich wieder zum Anfang des Threads: was soll man nun machen.
Ein soll im Sinne von einem "Muss" oder einem Weg, der am besten ist, gibt es nicht.
Abhängig von der Anwendung und der konkreten Anwendung können sogar gegensätzliche Ansätze sinnvoll sein.
Wenn man von den Vorteilen von content first überzeugt ist, kann man eine Navigation an das Ende einer Anwendung setzen, wenn es sich um eine bekannte geschlossene Nutzergruppe handelt, der ich sagen kann, dass sich die Navigation unten befindet. Dann kommt es nicht zu der von Gunnar beschriebenen Sucherei.
In allen anderen Fällen wird es sinnvoll sein aus den ebenfalls von Gunnar genannten Gründen, die Navigation "vorne" anzubieten (vermeide "oben" oder "links" - so etwas gibt es für manche Leute nicht 😉).
Die WCAG selber, auf die sich fast alle beziehen, ist bewusst technikneutral verfasst. Es gibt zwar Beispiele, wie man bestimmte Forderungen erfüllen kann, aber man kann gerne auch andere funktionierende technische Lösungen verwenden, die dort nicht genannt werden (viel Spaß bei der Suche).
So wird beispielsweise gefordert, dass für jedes Nicht-Text-Element (z.B. ein Bild) eine Text-Alternative bereit gestellt wird. Aber niemand verlangt, dass das technisch mittels eines Wertes im alt-Attribut zu machen ist. Das ist zwar sinnvoll (oft), aber man darf die Textalternative auch im direkten Kontext hinterlegen, per aria darauf verweisen, das Bild mit dem Text verlinken uswusf
Also auch hier wieder: es gibt unterschiedliche Herangehensweisen und was man als Entwicklerin oder Nutzerin am besten findet, ist ganz oft persönlicher Geschmack…
Marc (marctrix)
Ceterum censeo Google esse delendam