Sven Rautenberg: Internetnutzer wehren sich gegen Zensurfilter

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Die Zensurpläne von Ursula von der Leyen werden im Eiltempo vorangetrieben, obwohl schwerwiegendste Bedenken dagegen vorgebracht werden. Mit einer Petition kann jetzt jeder Bürger seine Meinung kundtun.

Der folgende Text ist in großen Teilen aus einem Forumsposting entnommen.
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Das Totschlagargument

Die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern hat einen entscheidenden Nachteil für die Gegner: Es geht darum, dass hier mit einem Totschlagargument "Kinderpornographie" der erste Schritt zu einer bundesweiten Zensur-Infrastruktur getan werden soll.

Dieses Totschlagargument ist schon allein deshalb problematisch, weil man als normal denkender Mensch kaum rational gegen Maßnahmen argumentieren kann, die auf den ersten Blick gegen Kinderpornographie gerichtet sind. Je stärker die Gegenwehr, desto verdächtiger wird man doch.

Die Sperren wirken doch gar nicht

Das Argument der Unwirksamkeit ist in der Tat schlecht, sogar kontraproduktiv - denn dann kann man sich leicht auf den Standpunkt zurückziehen "Wenn's nicht wirkt, dann können sie es ruhig machen - dann umgehe ich die Sperre leicht." Das Problem ist die Formulierung des Gesetzestextes - und dort wird eben gerade nicht die derzeit ins Auge gefaßte DNS-Sperre vorgeschrieben, sondern abstrakt eine wirksame Sperre gefordert. Das bedeutet: Wenn die DNS-Sperre nicht funktioniert, werden die Daumenschrauben fester angezogen werden.

Die Diskussion sollte sich eigentlich nicht um Kinderpornos drehen, sondern eine Grundsatzdiskussion über die vom Volk gewünschte Art der Demokratie im Hinblick auf den Internet-Zugang sein. Der gesamte bisherige Prozess läuft nach meiner Auffassung nämlich extrem neben dem Grundgesetz. Es kann einfach nicht angehen, dass privatwirtschaftliche Provider per Vertrag mit irgendeinem Ministerium dazu verpflichtet werden, die grundgesetzlich garantierten Rechte der Informationsfreiheit einzuschränken. Dabei ist vollkommen egal, um welche Informationen es zunächst einmal geht.

Selbstverständlich haben auch Kinder ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, und dieses Grundrecht steht im Konflikt zur Informationsfreiheit von zunächst einmal den Konsumenten derartiger Pornos. Klar ist: Müsste man nur diese beiden Grundrechte gegeneinander abwägen, würde die Entscheidung eindeutig zugunsten der Kinder ausfallen.

Aber die Einschränkung der Grundrechte betrifft ja pauschal ALLE Internetnutzer. Das darf nicht ohne Einfluß auf das Ergebnis der Abwägung bleiben.

Wer kontrolliert die Sperr-Liste?

Denn es kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: Die Sperrliste ist nach jetzigem Informationsstand ein höchst undemokratisches Element, welches keinerlei Gewaltenteilung unterliegt. Das BKA allein verwaltet die Liste, hält sie geheim, und entscheidet aufgrund von unbekannten Kriterien, welche Webseiten gesperrt werden sollen. Mit einem automatisierten Prozess wird die Sperrliste dann an alle Provider verteilt und wirksam gemacht.

Die Erfahrung zeigt einfach: Solche konzentrierte Macht zieht den Mißbrauch förmlich an. Ich halte es nicht nur für "nicht ganz ausgeschlossen", sondern für nahezu sicher, dass dieses Instrument früher oder später missbraucht werden wird.

Nur weil das BKA eine Polizeibehörde ist, und staatlich, heißt das noch lange nicht, dass dort kein Mist gebaut werden kann. Man denke nur mal an die diversen Datenschutzskandale der letzten Zeit in der Privatwirtschaft. Leidtragende waren Arbeitnehmer und Kunden, verantwortlich die Chefs an den Schalthebeln - und wirklich zur Verantwortung gezogen wurde von denen keiner. Naja, hier und da mal eine Entschuldigung, bestenfalls ein Rücktritt - vergoldet. Wer glaubt, dass das bei BKA-Beamten nicht vorkommt? Mit ähnlich "harten" Konsequenzen?

Es wird jetzt eine Grenze überschritten

Ist ein Sperrmechanismus erst einmal überall integriert, stehen die nächsten Interessenten schon Schlange: "Illegale" Glücksspielseiten im Ausland werden dann auch gleich gesperrt, ebenso die bösen Seiten der Filesharer. Das ist ja schließlich alles illegal, deshalb "böse", und kann gleich mitgesperrt werden.

Warum nicht auch Seiten sozialer, religiöser oder sexueller Randgruppen, wenn sie den Moralvorstellungen der herrschenden Machtgruppe zuwiderlaufen, obwohl sie legal sind? Gewiss wird man vermeiden, durch das Sperren einer bekannten Kritikerseite die Gültigkeit dieser Mißbrauchsvorwürfe direkt zu bestätigen - es gibt aber genug Webseiten, die sich mangels Besuchermasse einfach nicht wirksam gegen eine ungerechtfertigte Sperrung wehren können, aber trotzdem einen wichtigen Teil in der Meinungsvielfalt des Internets einnehmen.

Und wenn sowas tatsächlich irgendwann passiert, wird es natürlich einen Aufschrei geben: "SKANDAL!". Beim zweiten derartigen Vorfall wird dann schon leiser geschrien. Ab dem fünften Vorfall interessiert sich die Presselandschaft dann nicht mehr für das Problem, weil die Zielgruppe sich daran gewöhnt hat.

Was erwarte ich von der demokratischen Grundordnung dieses Landes?

Es läuft eben auf eine Grundsatzfrage hinaus: Was erwarte ich und jeder von euch von der Demokratie dieses Landes?

Meine Meinung dazu: Ich will die grundsätzliche Möglichkeit haben, mich auch mal grenzwertig oder illegal verhalten zu können. In der realen Welt hätte ich dazu problemlos die Gelegenheit - und es wird von der Gesellschaft ja auch ausgiebig genutzt: Rauchen trotz Rauchverbot, Geschwindigkeitsübertretungen, Falschparken, Alkohol und Drogen (legale und illegale) mißbrauchen... wer würde ernsthaft erwägen wollen, derartige Aktivitäten durch irgendwelche Sperren schon vor der Begehung zu verhindern? Dann müsste Tabak sofort verboten werden, Autos mit elektronischen Tachobegrenzern und Parkverhinderern ausgestattet werden, etc. Solch ein heftiger Eingriff in die individuelle persönliche Freiheit würde niemals durchgehen.

Warum aber soll die Situation jetzt eine andere sein, nur weil es hier um das Sperren von Kinderpornos geht? Warum wird gegen Kinderpornos nicht mit den ganz normalen Mitteln der Strafverfolgung vorgegangen, wie bei jedem anderen illegalen Verhalten auch? Wenn ich zu schnell fahre, nehme ich die daraus resultierenden Konsequenzen wie Geldstrafe und Fahrverbot ja ebenfalls in Kauf.

Ich will in diesem Land die Freiheit haben, mich bewußt für oder gegen ein Verhalten, egal ob legal oder illegal, zu entscheiden, und gemäß meiner Wahl mit den Konsequenzen leben. Ich will bewußt entscheiden dürfen: Kinderpornos lehne ich strikt ab, und wenn ich wirklich mal auf so eine Seite stoßen würde, dann will ich die Freiheit haben, das der nächsten Polizeidienststelle zu melden, ohne mit einem Bein selbst im Gefängnis zu stehen, und ich will die Gewißheit haben, dass die Strafverfolgung der Täter mit der höchstmöglichen Effektivität erfolgt. Dazu muss die Polizei personell und fachlich entsprechend ausgestattet werden - und das ist natürlich teurer, als bei Providern irgendwelche Filter zu installieren.

In keinem Land der Welt geht man im Grundsatz für solche Verbrechen straffrei aus. Kein Provider wird solche Inhalte online belassen, wenn er darauf hingewiesen wird. Keine Strafverfolgungsbehörde wird untätig bleiben, wenn sie mit entsprechenden Hinweisen beliefert wird. Interessanterweise lagern die meisten einschlägigen Webseiten ja auf recht leicht erreichbaren Servern der westlichen Welt - also dürfte die Befürchtung, dass Strafverfolgung aufgrund von Korruption irgendwelcher Drittwelt-Polizisten unterbleibt, unbegründet sein.

Statt einer vernünftigen Strafverfolgung der Täter und Konsumenten soll ein Filter mit sehr zweifelhafter demokratischer Legitimation und Kontrolle den Job erledigen. Was man nicht mehr sieht, das existiert dann auch nicht mehr.

Ich glaube kaum, dass damit auch nur einem einzigen Kind wirklich geholfen wird.

Die Petition gegen das Zensurfilter-Gesetz

Es gibt seit dem 5. Mai 2009 eine Petition im Petitionssystem des deutschen Bundestages. Diese Petition kann jeder Bürger mitzeichnen, sofern er sich dort mit persönlichen Daten inkl. Mailadresse registriert und einloggt. Innerhalb der ersten 18 Stunden haben das bereits mehr als 13.000 Menschen getan. Dieser Andrang zeigt sich auch deutlich am langsamen Reaktionsverhalten des Servers. Die Zeit drängt dennoch: Bereits am 6. Mai soll das Gesetz im Bundestag behandelt werden. Auch wenn die Petition selbst einen deutlich längeren Zeitrahmen hat: Schnell handeln tut Not, um ein Zeichen zu setzen. Eine Petition, die innerhalb von zwei Tagen die Grenze von 50.000 Mitzeichnern überschreitet (ab dann hat sich der Petitionsausschuss öffentlich mit der Petition zu befassen), kann nicht wirkungslos am Bundestag vorübergehen.

Mitmachen!

Nachtrag: Den aktuellen Stand der Mitzeichnung liefert @mitzeichner auf Twitter, auch als RSS-Feed, viertelstündlich.

Nachtrag 2: Eine nette Grafik des Anstiegs der Mitzeichnungen sieht man auf http://sejmwatch.info/petition-internet-zensur.html.

Weil der Petitionsserver mit den neu hinzukommenden Mitzeichnern genug zu tun hat, ist es keine schlechte Idee, den weiteren Verlauf nur über diese Statistikquellen mitzuverfolgen.

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Nachtrag

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