Hej mermshaus,
@marctrix
Die Frage, ob es eine lässliche Sünde ist, einen Personenkreis nicht oder nicht gezielt zu berücksichtigen, lasse ich für den Moment unkommentiert.
Nicht zugängliche Seiten schließen Menschen mit Behinderungen aktiv aus. Die Barrieren werden ohne Not eingebaut!
Unabsichtlich, zugegebenermaßen... aber sie sind selbstgemacht!
Ich glaube, wir reden in diesem Thread alle auch manchmal so ein wenig aneinander vorbei,
ganz sicher, mir sind eben mal wieder ein paar Lichter aufgegangen ;-) Dazu unten mehr.
Wie du (ich glaube, es warst du) hier anderswo so treffend geschrieben hast: Es muss schon fast die gezielte Absicht dazu bestehen, eine Seite zu erstellen, die so gar nicht zugänglich ist.
Ja, denn jeder, der eine Weile Webseiten erstellt, sollte mitbekommen haben, dass es Überschriften, Absätze, Buttons usw gibt. Man muss keine Liste nehmen, um daraus ein Dropdown zu bauen. Manche tun es aber, um diese komplett durchstylen zu können.
Ob das Ergebnis schön ist, ist reine Geschmacksfrage.
Erst mal ist das Aussehen anders als von anderen Seiten her gewohnt.
Wenn man nun das Verhalten des selbst erstellten Dropdowns nicht dem gewohnten exakt nachbaut (bis hin zu den Informationen, die ein select
schon deswegen bereit stellt, weil jeder Screenreader weiß, was das ist und was damit angestellt werden kann), hat man das Dropdown wider besseren Wissens um einen Teil seiner Funktionalität gebracht. Absichtlich. Damit es dem einen Designer, der das neue Design entworfen hat, hübsch findet.
Also aus Eigenliebe, aus einer Selbstverwirklichungsneurose heraus oder sonstigen Gründen, die niemandem was nützen. Statt dessen ist man bereit Crippleware bereit zu stellen, nur um ein optisch zweifelhaftes Ergebnis anzubieten.
Wohlwissend, dass man Menschen die Bedienung dieses Formulars unmöglich macht. Im Extremfall kann das bedeuten, das ein Blinder Mensch sich ein teures Taxi rufen muss, um etwas persönlich zu erledigen, was andere Menschen, die günstig mit dem eigenen Auto fahren könnten, am PC oder Smartphone erledigen können.
In meinen Augen ist das schon bösartig!
Ist darüber hinaus Umweltverschmutzung.
Wen der Entwickler gut ist, kennt er WAI-ARIA und nimmt es auf sich, das in Ordnung zu bringen, was der Designer versaubeutelt hat.
Auch in diesem Fall geht es zu Lasten eines anderen. Denn in der Regel hat man dem Kunden nicht die beiden Varianten angeboten und gefragt, ob er lieber das Dropdown haben möchte, was der Grafiker vorschlägt oder das herkömmliche select
Und wenn, dann sagt man ihm in der Regel nicht, dass "hübsche" Variante um den Faktor 200 bis 300 teurer ist. Denn eine Select-Box einbauen dauert eine Minute, wenn man sich Zeit lässt.
Eine Liste erst (in Photoshop oder so) zu gestalten und dann einzubauen, mit CSS zu formatieren und dann noch mit JavaScript und WAI-Aria anzureichern dauert locker drei bis vier Stunden - wenn man sich ranhält!
Wenn man so was fertig in seinem Werkzeugkasten hat, fallen immer noch locker 1 bis 2 Stunden an - die meisten Grafiker brauchen aber allein für die Gestaltung aller Zustände (eingeklappt, ausgeklappt, Mus über einem bereits ausgewählten / noch nicht ausgewählten Eintrag usw) mehr als diese 2 Stunden und das was der Entwickler erhält macht meist noch Rückfragen nötig.
Darum: macht wie ich es sage, dann wird es einfach! ;-)
HTML erreicht allein mit der grundsätzlichen Semantik ja zum Beispiel schon mal so einiges und macht Seiten sicherlich erst mal prinzipiell benutzbar.
Mir wird einfach nicht klar, was "grundsätzliche Semantik" ist - für mich ist das HTML. Mehr wäre Schema.org oder RDF(a).
Auf dem Level profitieren alle Nutzer gleichermaßen, weshalb es mehr oder weniger egal ist, ob spezielle Nutzergruppen berücksichtigt oder nicht berücksichtigt werden. Das ist das Schöne an Webstandards.
Wenn man sich an die Standards hält, die label
für Formularfelder vorschreiben, haben tatsächlich alle etwas davon - auch sehende, schließlich lassen sich die viel besser treffen, als z.B. die inputs
von Checkboxen.
Die setzt man ja nicht „nur“ für Blinde ein.
Die Entwickler von Webseiten haben das Recht dazu, das zu tun, was sie wollen.
Nicht alle und das wird sich weiter verschärfen. Schon jetzt müssen alle Anbieter im Geltungsbereich der BITV barrierefrei Webseiten anbieten. Das sind unmittelbare und mittelbare Bundeseinrichtungen, also auch z.B. Krankenkassen.
Hatte bei der EU eine Anfrage zu weiteren gesetzlichen Entwicklungen gestellt und die Antwort kam heute an:
„Hinsichtlich der Zugänglichkeit von Internetseiten hat die EU im November 2016 eine Richtlinie angenommen, welche fordert, dass die meisten Internetseiten im öffentlichen Sektor zugänglich sein sollen. Dies betrifft nicht nur Stellen auf Bundesebene, sondern auch andere Behörden. Die Details können Sie hierunter finden:
https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/news/adoption-directive-accessibility-sector-bodies-websites-and-mobile-apps
Außerdem hat die EU-Kommission eine weitere Richtlinie im Dezember 2015 angenommen, den Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit, welcher zurzeit mit den Mitgesetzgebern, dem Europaparlament und dem Rat, diskutiert wird. Dieser Richtlinienvorschlag fordert, dass die Internetseiten für bestimmte Dienste, auch private, zugänglich gemacht werden.
Diese Richtlinien betreffen [...] alle Mitgliedstaaten. "
Es existiert in den allermeisten Fällen keinerlei Zwang, eine besonders zugängliche Seite zu erstellen. Nicht jede Seite kann oder muss den Anspruch erfüllen, jedem Nutzer eine „zufriedenstellende“ Benutzbarkeit zu bieten. Klingt komisch, muss man nicht mögen, ist aber so und ist auch valide.
Richtig. Ein Validator kann niemals Sinnhaftigkeit überprüfen, daher überprüft er auch nicht die semantisch korrekte Anwendung von Elementen, sondern nur die formale Korrektheit in Bezug auf Verschachteln, Anführungszeichen etc...
Daher gibt es auch keine Software, die eigenständig auf Zugänglichkeit testen kann. Nur Tools, die einen menschlichen Prüfer unterstützen.
Es gibt zudem eine ganze Reihe von Dimensionen, die man auf so was wie Verhältnismäßigkeit abprüfen kann oder muss (Zeiteinsatz, technischer Aufwand, Wirtschaftlichkeit, …).
Meine Beispiele sind immer wirtschaftlich, was die anderen Aspekte einschließt.
Wenn aufwände anfallen (idR geht es um 10%), weise ich auf diese - im Gegensatz zu den Grafikern hin!
Oder hast du schon mal erlebt, dass an gestalteten Drop-Down-Boxen Preisschilder stehen, die auf die tatsächlich nur durch den Verzicht auf select
entstehenden Kosten so hinweisen, wie man das Barrierefreiheit ständig tut?
(Bei vielen Aspekten ist gute Semantik übrigens meines Erachtens problemlos zu rechtfertigen, weil sich auch Suchmaschinen über gute Zugänglichkeit freuen.)
Auch Barrierefreiheit führt zu mehr Besuchern und vor allem zu mehr Wiederkehren. Nicht nur dass sehr viele Menschen auf zugängliche Webseiten angewiesen sind - Menschen mit Behinderungen nutzen das Web überdurchschnittlich stark!
Ich sage es noch mal: man zahlt maximal 10% mehr und erhält mindestens 13% mehr potentielle Kunden - 100% aller Kunden sind zufriedener. Es gibt nichts wirtschaftlich sinnvolleres als eine Webseite zugänglich zu gestalten!
Insbesondere weil damit wichtige Aspekte von onPage-SEO bereits abgedeckt sind!
Das ist auch ein Grund, wieso ich es falsch oder zumindest nicht ideal finde, auf moralischer Ebene zu argumentieren und den Leuten so ein wenig ins Gewissen reden zu wollen. Ich glaube, dass das Antipathie erzeugt. Das fände ich sogar irgendwie gerechtfertigt. Ich glaube, dass man mit sachlicher Argumentation und vor allem mit praktikablen Lösungsvorschlägen viel mehr erreicht.
Was ist denn an dem Vorschlag label
statt ´p´nicht praktikabel ;-)
Ich gehe jedenfalls mit der These nicht mit, dass es für Sehbehinderte unmöglich sei, eine halbwegs ordentlich geschriebene HTML-Seite (oder konkreter ein halbwegs ordentliches HTML-Formular) zu bedienen, die (das) ohne besonderes Augenmerk auf Accessibility-Features auskommt. Das kann ich in der Form einfach nicht glauben.
Du hast recht: je korrekter ein HTML-Dokument ausgezeichnet ist, desto besser bedienbar.
Für viele Barrieren gibt es Workarounds. Die sind aber furchtbar und kosten viel Zeit. Auf Dauer verliert man spätestens wenn ein Konkurrent barrierefrei wird einen Großteil der Kunden, denn gut bedienbare Webseiten setzen sich gegenüber ansonsten gleichwertige Seiten durch.
Natürlich kann ein Blinder Mensch sich einfach eine Seite komplett vorlesen lassen und dann versuchen, das unstrukturierte Knäuel an Information zu entwirren. Wenn er überdurchschnittlich intelligent ist und genügend Zeit zu investieren bereit ist, wird er das schaffen.
Warum ist eine halbwegs ordentliche HTML-Seite denn ein „unstrukturiertes Knäuel“? :(
Habe ich doch beschrieben: wie soll ein Blinder am Screenreader denn wissen, ob ein Text für das Feld davor oder danach steht, ob der Text im p
überhaupt eine Beschriftung ist oder ob es ein Hilfetext ist usw...
Aber warum sollten wir ihm das antun? Was hat er uns getan, um sich das zu verdienen? Wieso sollte ich ihn dazu zwingen, sich auf jeder einzelnen Seite das gesamte Menü vorlesen zu lassen und dabei hellwach zu bleiben, um nicht den Moment zu verpassen, an dem die interessanten Inhalte kommen?
Würdest du das machen wollen? ;-)
Ich würde im Zweifel, wenn keine bessere Option verbaut ist, zur nächsten Überschrift springen oder zumindest zum Ende des aktiven Elements oder so.
Also der Umgang mit Überschriften ist Entwickler zuzumuten, label
aber nicht? Wo ist die Grenze? Wer legt die fest, wenn nicht das W3C?
Und da steht nun mal dass label
für Beschriftungen gedacht ist, h1 - h6 für Überschriften.
Das wird ja mit entsprechender Software hoffentlich möglich sein. Klar geht es mit besserer Unterstützung durch den HTML-Code sinnvoller und könnte (und sollte ;)) wahrscheinlich auch besser gelöst sein.
Wenn man Überschriften als Absätze auszeichnet, würdest du das als falsch bezeichnen?
Und wenn du Beschriftungen als Absätze auszeichnest würdest du das dann als falsch bezeichnen?
;-)
Marc