Hallo Kirsten
Ich soll die Gewalt als etwas empfinden, in welchem ich tagein, tagaus ganz ruhig dahinschwimme? Ich schwimme im Alltag; ist der Gewalt? Meine Arbeit, meine Kollegen, meine Mitmenschen: Beinhalten sie Gewalt? Die Nachbarn, die Wohnung, meine Familie, meine Wünsche, meine Ziele, die Gesellschaft: Ich schwimme da so drin. Sollte das etwa alles potentielle Gewalt "unter" mir sein?
Kommt drauf an, wie man es definiert. Du moechtest das Wasser im Beispiel lieber als "Leben" verstanden wissen. Gut. Aber woran spuert man Leben? Wohl kaum im dauerhaft perfekt ausgepolsterten Dahindoesen. Spueren tut man es durch die Widerstaende. Oder auch mal durch die zeitweise Erholung, die Befreiung von den Widerstaenden. Halt so, wie man Wasser spuert beim Schwimmen. Als etwas, das traegt, aber auch als Widerstand. Dieses allgemeine "zu-Spueren-Bekommen" wollte ich in dem Vergleich mal als "Normalzustand" von Gewalt bezeichnen. Aber wenn wir uns in Sachen "Widerstand spueren" einig sind, hab ich kein Problem, es Leben zu nennen.
In einem Meer, in dem man schwimmt, ist es schwer, solche Kräfte zu erzeugen, die andere zum Untergang bringen, es sei denn, sie sind mutterseelenallein. Die Riesenwellen werden durch äußere Kräfte verursacht: Erdbeben, Sturmfluten, Hurricanes, aber niemals durch die Schwimmer selbst. Dazu sind sie viel zu schwach.
Das ist mir schon klar, und ich glaube auch nicht, dass der ganze Vergleich einer physikalischen Ueberpruefung standhalten wuerde <g>. Aber die Erdbeben und Hurricans hab ich ja mal ganz bewusst aussen vor gelassen. Dass von einem Metereoiden mit mehreren Kilometern Durchmesser, der mit zigtausend Stundenkilometern auf die Erde zurast, eine Gewalt ausgeht, gegen die unsere Atombomben noch vergleichsweise harmlos sind, ist mir schon klar. Eigentlich war mein Gedanke vor allem, dass man theoretisch jede Art von Widerstand, auf die man stoesst, als Gewalt empfinden koennte, und dass es aber ganz normal ist, sich staendig in so einer Umgebund aus Widerstaendigem zu befinden. Und dass das, was wir an Gewalt so grausam empfinden, vor allem das durch Menschen verursachte "Hochschaukeln" ist. Wenn tausende von Menschen durch einen Metereoiden-Einschlag ums Leben kommen, nennen wir das "tragisch". Wenn die gleiche Anzahl in einer Hochwasserflut umkommt, deren Ursache nicht zuletzt menschlicher Raubbau an der Natur ist, dann nennen wir es "bestuerzend" (oder so aehnlich). Wenn die gleiche Anzahl in einem Krieg umkommt, sagen wir "grausam", "unmenschlich", und rufen zuerst mal nach Rache. Verstaendlich - aber genau an dieser Stelle lauert die Gefahr!
Es ist die Eskalation des Lebens, die in Gewalt enden kann.
Uff, diesen Hammersatz hast du aber ganz schoen beilaeufig hingeschmissen! Ueber dem muss ich erst mal weiterbrueten...
viele Gruesse
Stefan Muenz