Hi,
Ist Eurer Meinung nach
Meinung? Subjektiv? Prima - bin dabei. ;-)
durch das Internet eine Veränderung auf dem Gebiet der
Wirtschaft zu erwarten? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
Puh - ich denke, die Frage ist in dieser Form zu allgemein gestellt.
Um darauf einzugehen, müßte ich sie in viele Teilfragen zerlegen.
Spontan fällt mir z. B. ein, daß die weltweite Erreichbarkeit via WWW wahrscheinlich bewirken wird, daß auf internationale (und damit fremdsprachliche) Kunden gezielter eingegangen werden muß. (Schönes Beispiel dafür: Die IBM-eCommerce-Werbung mit der "Thom KG", welche irgendwelche Schrauben preisgünstig nach Japan liefert - der Trick hier ist nicht zuletzt das "Gefunden werden" auch über Kultur- und Schriftgrenzen hinweg.)
Aber ob das wie bisher durch nationale Tochtergesellschaften oder durch einen eher zentralistischen Ansatz erledigt werden wird (siehe auch http://www.teamone.de/selfaktuell/artikel/schroepl04.htm), ist vermutlich schwer vorherzusagen (beides wird es geben).
Werden die Kunden den Unternehmen und ihren Produkten/Dienstleistungen durch
das Internet mächtiger und/oder kritischer, weil sie nun vernetzt sind und sich
organisieren können?
Das wird darauf ankommen, inwiefern sich die Interessen der Kunden bündeln lassen *wollen*. Klar, es wird technisch einfacher - aber nur, wenn man die Faulheit zu überwinden bereit ist.
Vernetzt zu sein kostet Zeit und (noch) Geld - ich denke, es wird viele Benutzer geben, die auch hier das Preis/Leistungs-Verhältnis sehr genau betrachten werden.
Wird sich die Individualität von Produkten, z.B. durch "on demand"-Produktionsverfahren
(Beispiel http://www.bod.de) verbessern?
Ich denke nicht, daß Produktion on demand allzuviel mit dem Internet zu tun hat. Eher mit dem Willen, entsprechende Betriebsabläufe einzuführen und konsequent durchzuziehen.
Der Erfolg von Dell Computer basiert m. E. nicht auf dem Internet, und Intranets gab es - für entsprechend viel Geld - auch schon zu Zeiten von X.25 und Co.
Ich halte es für blauäugig, zu denken, daß eine Vernetzung ohne entsprechende Änderung der Arbeitsmethodik irgendwelche betriebsinterne Probleme löst. (Eine intransparente Firma wird durch ein inhaltlich weder akzeptiertes noch gepflegtes Intranet um keine 5 Pfennige transparenter.)
Wird der Einzelhandel schwere Umsatzeinbußen aufgrund von e-Commerce-Angeboten
(Beispiel http://www.amazon.de oder http://www.boo.com) hinehmen müssen?
"Schwere" Einbußen würde bedeuten, einen signifikanten Teil des Umsatzes umzuleiten; dies aber scheint mir heute eher ein logistisches Problem zu sein (wie lasse ich als werktätiger Single mir etwas schicken, wenn ich von der Hauptpost weit entfernt wohne?) als eines der eigentlichen Web-Präsenz.
Die Aktivitäten der existierenden (großen) Händler (Wal-Mart etc.) gehen m. E. in die Richtung, mit einer Web-Präsenz zu verhindern, Marktanteile zu *verlieren*. Wenn alle "mit denselben Waffen kämpfen", wird sich wahrscheinlich nicht viel ändern.
Und es wird immer auch Nischenanbieter geben; konkret fand ich z. B. die Idee, im Web etwas zu ordern und es dann beim Tante-Emma-Laden um die Ecke abzuholen (was das obige Problem meiner Nicht-Anwesenheit gegenüber dem Postboten löst), genial.
Wenn ja, welche Branchen wird es besonders treffen? Wenn nein, warum nicht?
Ich würde das daran festmachen, wie austauschbar das konkrete Produkt ist.
Eine CD ist zu nahezu 100% austauschbar zwischen zwei Anbietern - da werden Preis (Web-Präsenz spart Gehälter) und Bequemlichkeit (Ladenöffnungszeit) viel ausmachen.
Aber wenn ich mir eine neue Hose kaufen soll, dann muß die mir auch passen, und das im WWW zu überprüfen, so weit sind wir wohl noch nicht.
Haben gut funktionierende Online-Communities Einfluß auf wirtschaftlichen Erfolg (Beispiel
http://www.consors.de => Community)?
Ja (verstärkt die Kundentreue) - und zwar um so mehr, je austauschbarer das Produkt ist (genau deshalb ist Consors m. E. ein gutes Beispiel, denn allzu viele signifikante Unterschiede gibt es zwischen den Online-Brokern bald nicht mehr).
Aber parallel dazu wird ein Anbieter auch gezielt in seine *besten* Kunden investieren: Es ist relativ trivial, aufgrund der Datenbasis einer Direktbank die Teilmenge der aktivsten Trader zu isolieren und diese mit zusätzlichen Vergünstigungen (keine Depotkosten, kostenloses Abo von Fachliteratur, separate Hotline außerhalb der normalen Handelszeiten, eventuell sogar Vorteile beim Zeichnen von Neuemissionen u.v.m.) dauerhaft an sich zu binden (bei mehreren tausend Mark Ordergebühren pro Kunde und Jahr rechnet sich das schnell).
Letzteres ist kein Internet-basiertes Verfahren, aber durch die (kundengestützte!) Digitalisierung der Geschäftsabwicklung wird die Erfassung der Daten natürlich wesentlich leichter.
Vielleicht fällt Euch dazu ja etwas ein.
Was mir beim Thema eCommerce als Allererstes einfällt: Der Kunde übernimmt generell die Arbeit der genauen Beschreibung seiner Anforderung. Das Berufsbild des "Verkäufers" - in allen Branchen - wird sich m. E. dramatisch ändern, denn der niedrig qualifizierte Verkäufer wird durch die Web-Präsenz in vielen Fällen entbehrlich.
Generell ist Hochqualifizierung heutzutage die wahrscheinlich sicherste Methode, morgen noch nicht überflüssig geworden zu sein - *das* ist durch das Internet m. E. erheblich beschleunigt worden.
Und gerade wegen dieser Beschleunigung ist "Lernen lernen" heute viel wichtiger als vor 30 Jahren - die "Energie des Verstehens" hat in unserer Gesellschaft m. E. erheblich an Bedeutung gewonnen.
Auch die derzeit so zeitgemäßen Call-Center werden wahrscheinlich schon in wenigen Jahren wieder an Bedeutung verlieren - und zwar in dem Maße, in dem die Web-Präsenz an künstlicher Intelligenz gewinnt. Die Online-Banken haben schon erste Prototypen in dieser Richtung.
(Aktuelle Zahlen zu ComDirekt - habe ich neulich irgendwo gelesen, Zahlen aus dem Gedächtnis: 7% der Kunden nutzen das Call-Center, ebenfalls 7% tippen ihre Orders umständlich per Tonwahl-Telefon über einen geführten Dialog mit dem Service-Rechner ein, 3% nutzt Brief oder Fax, 83% nutzen das WWW.)
Und wie oben bei den Direktbanken angemerkt: Es wird viel preisgünstiger, aussagefähige Zahlen über seine Kundschaft zu gewinnen (weil die öde und kostenintensive Arbeit der Erfassung einfach auf die Kunden verlagert wird!), so daß entsprechende Reaktionen gezielter vorgenommen werden können.
Das geht in fast dieselbe Richtung wie Zielgruppenwerbung (inklusive Cookies, Referer-Analyse und was sonst noch alles) - diese wiederum hat allerdings mit dem WWW nicht ursächlich etwas zu tun, wie man in den letzten Jahren in den immer diversifizierteren Fernsehsendern gut beobachten konnte. (Inzwischen machen sie ja dort schon "Frames-Strukturen", beispielsweise unten ein Laufband mit aktuellen Börsenkursen und oben ein Frame mit Werbung, beobachtet z. B. in Bloomberg-TV.)
mfg - Michael