Hi Ludwig, hi Roman,
zuerst mal: sehr lobenswert, Euer Projekt. Gestattet mir trotzdem, ein paar kritische Gedanken dazu loszuwerden.
Sofern ich das richtig verstanden habe, reiht sich Euer Projekt in diejenigen besonders lobenswerten Projekte ein, die versuchen, die konkreten Einzelschicksale hinter dieser unfassbaren (und deshalb fast irrealen, nicht nachvollziehbaren) Zahl "6 Millionen" sichtbar zu machen. Was äußerst schwierig ist, aber dennoch iommer wieder versucht werden muss - denn es sollte nicht um diese abstrakte Zahl, sondern um jeden einzelnen Menschen gehen.
Zwei Projekte dieser Art fand ich besonders gelungen. Das eine findet sich im jüdischen Museum in Prag - dort ist ein Synagoge vom Boden bis zur Decke dicht an dicht und (zwangsnotwendigerweise) klein beschriftet mit dem Namen jedes Menschen aus jeder böhmischen jüdischen Gemeinde, der/die von den Nazis getötet wurde. Niemand kann wirklich alle Namen durchlesen, aber es wird deutlich, welche unglaubliche Menge Menschen getötet wurde, und dass alle diese Menschen Namen, ein eigenes Leben, eine eigene Geschichte hatten.
Das andere war - vor vielen Jahren - eine Aufführung von "Mephisto" im Stuttgarter Theater. Das Theaterstück stellt einige wenige Einzelschicksale dar; der Transfer auf "die Masse" wurde IMHO sehr eindrücklich so dargestellt: eine große Anzahl von Namen von durch die Nazis getöteten Menschen war mit Kreide auf den Teppich geschrieben worden. Das machte deutlich, dass ähnliche Schicksale, wie sie im Theaterstück zu sehen waren, von unfassbar Vielen erlitten wurden.
Jetzt zu meiner Kritik an Eurem Projekt: IMHO wird weder ein Gefühl für die unglaubliche Masse (wie im erwähnten Prager Jüdischen Museum) vermittelt - auch wenn ich Eure Beweggründe für die Einzeldarstellung nachvollziehen kann. Aber es wäre zu viel erwartet, anhand des langsam durchlaufenden Alphabets eine Zählung zu machen und anhand derer auf die Größe der Datenbank zu schließen. Ein besserer Effekt würde IMHO erreicht durch eine einzige Seite mit allen Namen drauf - einfach nacheinander, eine einzige, sehr große Seite. Und - abgesehen davon, dass es technisch nicht zu realisieren sein dürfte - nacheinander hebt sich aus dieser Liste jeder Name nach und nach hervor.
Auch ein Gefühl für Einzelschicksale kommt für mich nicht rüber - hierfür ist ein Name allein immer noch zu sehr nur Schall und Rauch. Dazu müssten noch zumindest Wohnort, Geburts- und Sterbedatum da stehen. Besonders betrifft mich immer, wenn ein Mensch so sehr in der Vernichtungsmaschinerie untergegangen ist, dass nicht mal mehr ein Todestag nachzuvollziehen ist. Ich weiß aber natürlich schon, dass die Eurem Projekt zu Grunde liegende Datenbank das vermutlich nicht hergibt, und dass es wahnsinnig großen Aufwand erfordert, das zu recherchieren.
Sorry dass das keine konkreten Verbesserungsvorschläge waren - vielleicth könnt Ihr trotzdem was damit anfangen.
Grüße,
Utz