Moin,
du beschreibst zutreffend das Elend mit den Medien.
Ich denke, in unserer Generation (ich bin 37) war der Glaube an die Wahrheit in den Medien schon allein wegen der Ablehnung der Bildzeitung und ihrer Machenschaften wichtig. Wallraff und Böll wurde verschlungen, "Report" und "Monitor" waren die Hüter der Wahrheit, das "ZDF-Magazin" (Der Name des Moderators war irrsinigerweise Löwenthal oder so ähnlich) repräsentierte den Klassenfeind.
Für den "Spiegel" habe ich sogar auf Zigarettentabak verzichtet (ja, ich habe mal geraucht, reichlich sogar) "Konkret", "Titanic" und andere Zeitungen gingen von Hand zu Hand.
Und irgendwann haben wir alle ein Erlebnis, wo wir feststellen, dass auch unsere Vorbilder und unerreichbar erscheinenden Analytiker nur mit Wasser kochen: Dass ihre Geschichten immer wieder schlecht recherchiert sind, dass sie die Welt häufig genug nur aus der Sicht ihres bequemen Redaktionsstuhles bewerten, dass jede Zeitung ihren Aufmacher nicht nach der Wahrheit, sondern nach der Leserwirksamkeit aussucht - was auch mal übereinstimmen kann, aber nicht sein muss), dass auch die ö.-r. Sender Beiträge nach ihrer "Attraktivität" kaufen. Und dann trifft man eben so seinen Entscheidungen, bestellt den "Spiegel" ab, hält Ulrich Meyer und Klaus Bednarz für Brüder im Geiste, fängt an die "FAZ" zu lesen und hält die "Zeit" inclusive Redaktion für Schloß Alzheimer. Und wenns gut mal läuft, wird die "taz" aus alter Solidarität weiter gelesen.
Die Medien sind keine öffentliche Meinung, sie sind _ver_öffentlichte _Meinung_. Sie sind so schnöde subjektiv wie wir alle auch. Sie sind kein deut besser als wir. Auch die FAZ irrt immer wieder mal. Ich habe für mich klare Entscheidungen getroffen: Ich lese den Spiegel nicht mehr, halte Franz Alt für eine tragische Figur und lese zwei Tageszeitungen (FAZ und taz, neben der SZ imho die einzig erträglichen Zeitungen in D) sowie das hiesige regionale Blättchen (Kieler Nachrichten), bei Arztbesuchen schau ich in die GALA. Ich denke jetzt selbst. Und zunehmend merke ich, das mein Menung sich nicht mehr in drei Buchstaben oder auf einen Button pressen lässt.
Und was das mit dem Internet zu tun hat? Hier ist Meinung und Information direkt erfahrbar. Ich kann, wenn ich denn will, zu dem Informationsproduzenten hingehen und den O-Ton der Presseerklärung nachlesen. Ich kann in Foren öffentliche Meinung lesen (nicht repräsentativ, aber waren das die - gefilterten - Leserbriefe an die Herausgeber denn je?) und abgeben. Das Netz gibt uns die Möglichkeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, ohne die gewohnt gewordenen Zensur der Auslese durch andere. Diese unmittelbare Direktheit braucht natürlich auch Disziplin und Werte. Die Freiheit endet auch hier immer zunächst bei der Freiheit der anders Denkenden. Deshalb sollten wir sie uns auch nicht nehmen lassen.
Und wenn die Massen das WWW erdrücken, die "binaries" dciwam und dag aus dem usenet verdrängt haben, dann gehen wir halt alle zu gopher - und bilden eine neue Elite. Okay?
Viele Grüße
Swen
video-kills-the-radiostar.de ist übrigens noch frei