Swen Wacker: Zensur im Internet III

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Moin,

solche Dikussionen neigen zu Mißverständnissen.

[Zahnpasta kann man nicht in die Tube zurückdrücken] das Argument finde ich eh total bescheuert sinnentleert

Ich benutze das Zahnpastabild gern und häufig. Da ich es nicht in dem von dir hergestellten Zusammenhang gebrauche, sondern nur im Zusammenhang mit (mir unsinnig erscheinenden) geforderten Verboten, habe ich das Zitat entsprechend verkürzt. Das Bild mit der Zahnpasta macht deutlich, dass eine einmal gemachte Erfindung oder Erkenntnis nicht ungeschehen oder ungedacht gemacht werden kann. Erst recht nicht durch Verbote. Verbote sind immer dann sinnlos, wenn sie nicht als Teil eines Gesamtkontextes wirken.

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Zu der Behauptung, in Düsseldorf hätten Verwaltungsangestellte ohne ein rechtsstaatliches Verfahren und ohne Kontrollmöglichkeiten entschieden:
Das Argument ist so dermaßen bescheuert, dass man es dreimal lesen muss, um überhaupt den(Un)Sinn der Behauptung zu begreifen. Wenn Verwaltungsangestellte (oder Beamte - was ich in dem Fall sogar eher vermuten würde, da es hier um die Ausübung des Gewaltmonopols des Staates geht) einem Provider mittteilen, er hätte dies oder jenes zu machen oder zu lassen, dann ist das ein schnöder Verwaltungsakt, gegen den der Provider völlig unproblematisch den Rechtsweg beschreiten kann. Aber auf diese Idee kommen die wahrscheinlich nicht. Bei der von Heise abgedruckten Quasi-Argumentation, denke ich eher daran, dass da Publicity (und Geldgier, dazu später mehr) und nicht Recht-kriegen-wollen oder Überwachungsstaat-Ängste das Motiv des Handeln der Provider ist.

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Die von der Bezirksregierung angewandten Mittel taugen - wenn sie allein angewandt wwrden - nicht zur wünschenswerten(!) Trockenlegung von gesellschaftlichen Sümpfen. Am Beispiel der Kinderpornographie:
Das Sperren von Webseiten verhindert keine Mail, keine Newsgroup und kein P2P-Netzwerk zum Austausch und zur Verbreitung von Kinderpornografie. Kein Video wird dadurch weniger kopiert, kein Foto weniger entwickelt, kein Paket weniger gepackt, kein Brief weniger geschrieben, kein Flieger (ab Düsseldorf?) weniger bestiegen, keine Straßenbahnfahrt zum Arbeitskollegen weniger gemacht. Nicht das Bild ist das Verdammenswerte, sondern die Tat. Die Wurzel des Übels ist das Geschehen. Das Vergewaltigen, Quälen, Erniedrigen, Zerstören von Körpern und Seelen, von Glauben und Zukunft muss aufhören. Ihr Leiden würde nämlich nicht geringer werden, wenn es unbeobachtet in einer dunklen Kammer geschehen würde.

Ich kenne die Argumente, die jetzt von Verwaltungsseite kommen: Ich tue ja nur das, was in meiner Zuständigkeit liegt. Und: Das, was ich tue, ist immerhin etwas, einer muss ja anfangen. Oder: Es wird ja nicht besser, wenn ich nichts mache.
Nur: Ändern wird so auch nichts. Und verhindert wird so erst recht nichts. Und das bleibt wohl auch so, solange staatliche Stellen sich lieber in Zuständigkeiten verwuseln statt prozeßorientiert zu handeln.

Du hast zu Recht auf das Eigentliche hingewiesen: "Drei Gewalten und die Provider und die Techniker" oder verallgemeinert: "alle gesellschaftlichen Kräfte" müssen zusammen arbeiten. Das wäre was. Ziel ist dann die Ausrottung der Kinderpornographie, nicht ein "sauberes" Internet.

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Ich finde im übrigen auch nicht, dass es hier um Zensur geht. Das Verbieten solcher Bilder (oder Filme) - unabhängig von der oben andiskutierten Frage, ob das Sinn hat oder nicht - ist sicher legal. Und wenn bei der Gelegenheit Material beschlagnahmt und der eine oder andere Anbieter/Abnehmer dingfest gemacht werden kann, schadet das sicher auch nicht. (Es soll nur bitte keiner hinterher kommen und sagen: wenn das Internet Kinderpornographie-frei ist, hätte sich irgendetwas geändert - außer vielleicht die "Vertriebswege" :-(.

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Wenn ich den Text bei Heise genau lesen, dann missfällt mir was ganz anderes. Da steht nämlich auch: "Nicht nur wirtschaftliche Interessen der Internet-Provider seien betroffen, sondern auch die Informationsfreiheit und die Freiheit des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs. Unkalkulierbare Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft seien zu befürchten."

Aha. Was ist Kinderpronographie denn? Eine Instanz der Freiheit des Waren- oder Dienstleistungsverkehr oder eher notwendiger Teil der Verwirklichung der Informationsfreiheit? Sachlicher argumentiert: Es geht um rechtwidrige Inhalte. Das kann schon per Definition nichts mit den erwähnten Freiheiten zu tun haben.

Oder geht es den Herren Providern eigentlich gar nicht um irgendwelche Freiheiten sondern nur um Geld und Verdienst? Haben sie etwa Angst davor, dass sie am Transport und dem Anbieten solcher Sachen nicht mehr verdienen können?

Nachdenkliche Grüße

Swen