Ad Hoc: Content kann nicht kostenlos sein - warum eigentlich nicht?

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Hi Utz

Zurzeit wird ja eine Frage viel diskutiert, die man zusammengefasst vielleicht so stellen könnte:

"Wie schaffen wir es, die User von dem Gedanken wegzubringen, dass alles im Internet kostenlos sein müsse?"

IMHO auch eine Frage, die sich so gar nicht stellt (darf ich das Medium Internet mal derart vereinnahmen? ;-)).

Sie stellt sich in den Köpfen jener, die ne schnelle Mark machen wollen (oder gar müssen!), oder jenen, die davon leben wollen. Damit ist für mich die Fragerei also schon mal durchaus berechtigt - aber nur für diese Gruppen. Nicht aber für das Netz und seine Benutzer.

Die Hintergründe dieser Frage kennt Ihr wahrscheinlich alle: Zahlreiche Startups gehen aufgrund von Finanzierungsschwierigkeiten den Bach runter

Und das ist gut so. Ein Lebensmittelhandel, der ein schlechtes Vertriebsnetz aufbaut, geht auch zugrunde. ein Autor, der zu schlecht schreibt, als das ihn noch jemand liest, wird zu schreiben aufhören. (oder nur damit, ausreichend Geld dafür haben zu wollen?). Wer das Netz nicht kapiert, hat es halt nicht verstanden.

weil man merkt, dass Bannerwerbung einfach nicht genug Kohle bringt.

Auch das ist für mich nur der Auftakt. Bald wird man merken, dass TV-Werbung ähnlich wenig bringt. Warum?

Bannerwerbung zieht nicht, weil man seine Wirkung ja haarklein messen kann: in Klicks.

Wie lang muss man warten, bis man sich seitens der Werbenden fragt, ob das reine Konsumieren von Werbung a la TV wirklich "was bringt"? Wird man nicht netzähnliche Instrumente einführen wollen, um zu sehen, wieviele "Klicks" mir ein TV-Spot bringt? (Das Internet lehrt ja - siehe Bannerwerbung - eine gewisse Werbungsresistenz - wenn das erst mal viele Leute haben, siehts mit TV-Werbung auch alt aus)

Vielleicht erziele ich beim TV-Spot "Klickraten" (hm, beim TV wohl "kognitive Bewußtseinsprozesse" oder ähnlich schwer messbares) weit unter 1%. Stellt sich halt nur die Frage, was ein "Klick" beim TV-Spot genau ist.

Bislang gabs nur psychologische Argumente ("... müssen Markenbewußtsein schaffen...", "... immer präsent bleiben... ", ...), Die IMHO seitens der TV-Gesellschaften (Analog: radio, print,...) suggeriert wurden. Ich glaub, unsere immer mehr auf "messbare" und rationale Grössen ausgerichtete Wirtschaft wird da bald den Hebel ansetzen. Denn auch hier bei der Werbung kann noch einiges an "Rationalisierungsmassnahmen" vorgenommen werden (nicht nur was Technik und Personal betrifft). Wozu noch soviel Geld rauswerfen?

Sorry, zurück zum Thema...

B2C läuft nicht so richtig, und auch B2B bringt keine richtigen Umsatzsteigerungschancen.

Das geht IMHO beides einen sehr laaangen weg - kurzfristig mag sich das nicht so wie erwartet auszahlen. seh ich wie du. langfristig ists "rationalisiernd".

Also werden neue Finanzierungsmodelle gesucht, mit denen teure Kosten wieder eingefahren werden können. Und der Tenor ist: die User werden sich daran gewöhnen müssen, für Content zu zahlen.

Ist doch Unsinn (sie steigen ja auch nicht auf ein zahlungspflichtiges Napster um). IMHO werden sie dann - wenn immer mehr zu zahlen sein wird - erst umdenken. In zwei Richtungen:

  1. Sie verlassen das Netz wieder

Wir hier sind echt "drin" - weite Teile der Bevölkerung ist es aber nicht. Immer noch gibt es viele, die den "Sinn" da noch nicht begriffen haben, die nicht wirklich mit Suchmaschinen umgehen können, und ihre 3,4 Standard-Adressen ansurfen.

Bei den weiterhin nicht allzubilligen Providerkosten können kostenpflichtige Internet Inhalte dazu führen, dass man schneller aus dem Netz aussteigt, als man je drinnen war. (und wer bleibt drin?)

  1. Sie lernen das Netz und die Energie des Verstehens kennen

Sie werden lernen wollen, wo man Inhalte noch kostenlos erhält, Suchmaschinen richtig bedient und schliesslich, in welchen Foren ihnen geholfen wird. Das netz ist und bleibt Kommunikation. Und Kommunikation lässt sich eigentlich nur schwer von dritten zu einem Geschäft machen. (Die Zugangsprovider konnten und können das - imho weil sie noch auf der "physischen" Seite des Netzes sind)

Die Argumentation scheint schlüssig zu sein - auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick fragt man sich, wie das gehen soll, wenn neuen Firmen erst mal mit kostenlosem Angebot User zu Stammkunden machen (und damit kostenpflichtige Anbieter rauskegeln), nur um dann selbst, wenn sie kostenpflichtig geworden sind, von dann wieder neuen Firmen selbst rausgekegelt zu werden.

Richtig, das ist ein Kreislauf. Sobald die Mehrheit der Infoanbieter Geld verlangen, findet sich jemand, der diese Kosten drückt oder eben gar wieder kostenlos wird (um "Kunden" abzugraben).

Ich seh sogar einen umgekehrten Weg: die Kostenlos-Spirale kommt vom Netz ins Offline-Leben (Siehe Handymarkt). Die Firmen gingen (ich glaub sie gehen z.T. noch) mit dem Preis immer weiter runter. Sie schreiben doch alle keine schwarzen Zahlen. Und wenn sie genug Kunden mit ihren arg reduzierten Preisen gekeilt haben (so dass es sich auszahlen würde, die Preise zu heben), drängt ein Neuer/Konkurrent in den Markt - natürlich mit niedrigen Preisen...

Und auf den dritten Blick frage ich mich ketzerisch: Ja, wer sagt denn überhaupt, dass irgendwer mit dem Internet Geld verdienen soll?

Richtig. Warum soll ich Dritten Geld geben, wenn ich mich mit jemand austausche und so zu dem komme, was ich grad brauche? (Wenn ich dabei bleibe, dass das Netz nachwievor zunext ein Kommunikationsmittel zw. Privatleuten ist)

Oder wollen Forenbetreiber bald pro Nachricht Geld einsacken?
Oder wie will ein Contentanbieter verhindern, dass mir jemand dieselbe Info in einem Forum "zusteckt"?

Ich seh nur ein Mittel für diese Firmen: Es dürfen _keine_ kostenlose Angebote mehr möglich sein. Wo kein kostenloses Forum, da keine Kommunikation und auch kein Ausweg für diese ich-will-alles-kostenlos-kiddies.

*Alle* Contentanbieter müssten sich gleichschalten, keiner dürfte die Kosten/Preis-Schraube anziehen. Absprachen wären nötig. Würde selfhtml mit seinem forum da mitziehen?

Dann kamen Business-Leute und fanden, dass sie doch in der Lage sein müssten, mit dem neuen Medium Geld zu verdienen. Das ging nicht so richtig.

Und war es nicht absehbar? Klar, im nachhinein ists gross reden. Aber wie ich oben schrieb: Dass TV Firmen Geld mit Werbung machen, liegt nicht daran, dass Werbung zieht, sondern dass die TV Firmen wege finden, immer noch Werbende zu finden. Werbung ist gewissermassen Käse ;-)

Jetzt jammern sie also, dass sie, die armen Unternehmer, doch bitte von den Usern Geld kriegen sollen, um Ihr Angebot, nach dem erst mal keiner gefragt hat, und letztlich auch ihr Auskommen, halt doch irgendwie zu finanzieren.

Das ist auch berechtigt. Leute haben ihre Kobs durch diese Angebote gesucht und erhalten. Da gehts nicht direkt um die Unternehmen, da gehts um jene, die dort arbeiten.

Wohin mit diesen Leuten, wenn ihre Firmen einfach nie schwarze Zahlen schreiben? Sind es nicht oft sogar diese Leute, die den kostenlosen Content in ihrer Freizeit ins Netz bringen? (das ist imho der Grund, warum sich viele in dieser Branche wünschen, dass es kostenpflichtig wird, sie brauchen ihre Jobs)

Ich frage mich: was fehlt uns, wenn die Angebote dieser Firmen nicht mehr da wären? Wenn das Angebot im WWW nur noch bestünde aus a) Hochschulinhalten b) Inhalten von Enthusiasten, und c) Inhalte, die Firmen aus ihrem herkömmlichen Marketing/Werbehaushalt finanzieren? Ich glaube nicht, dass mir viel fehlen würde.

Die einzigen Firmen, die ich im Netz brauche, sind jene, die ihren Auftritt ohnehin durch Offline-Verkaufe finanzieren. Digitale Information lässt sich technisch nun mal nicht eigentummässig schützen (sagt man hier im Forum ja auch den Quellcode-Schützern) - das lässt sich nur rechtlich regeln (Sprich: ich seh im rechtlichen Aspekt die grösste gefahr bzgl. kostenlosen Inhalten).

Insofern ist die o.g. Frage einfach die falsche Frage; die viel richtigere Frage für mich wäre:

"Wie schaffen wir es, die Leute von dem Gedanken wegzubringen, dass man mit Internet-Content Geld verdienen kann?"

Lassen wir sie ach so tolle Ideen ins Netz stellen, gross in den alten Medien promoten und trotzdem furchtbar eingehen. Wer braucht denn schon ein 100tes Sportportal, dass jene News bringt, die überall anders auch rumkommen?

Was übrigbleibt: Freiraum für kostenlose Inhalte.

ciao - Ad Hoc