Stefan Muenz: Content kann nicht kostenlos sein - warum eigentlich nicht?

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Hallo Utz,

"Wie schaffen wir es, die User von dem Gedanken wegzubringen, dass alles im Internet kostenlos sein müsse?"

und dagegen:

"Wie schaffen wir es, die Leute von dem Gedanken wegzubringen, dass man mit Internet-Content Geld verdienen kann?"

Es ist in der Tat so, dass das Internet nicht geschaffen wurde, um das big Business damit zu machen. Es ist ein Medium, nichts weiter. Es kommt meines Erachtens einfach drauf an, dass die Geschaeftemacher ein normales Verhaeltnis dazu bekommen und erkennen, wozu dieses Medium gut ist, und wozu nicht. Wenn sie zum Telefonhoerer greifen, haben sie ja auch keine Dollarzeichen in den Augen, obwohl sie wissen, dass modernes Business ohne Telefon praktisch nicht moeglich ist. Und genau so ein Verhaeltnis muessen sie zum Internet kriegen: die eigene Firmen-Homepage und angeschlossene Extranets usw. sind wichtige Informations- und Kommunikationszentralen im modernen Geschaeftsleben, aber sie brauchen deshalb doch nicht gleich zum "Unternehmensgegenstand" zu werden.

Was Firmen angeht, die wirklich von Content-Angeboten leben wollen, sieht die Sache natuerlich anders aus. Da gibt es beispielsweise derzeit zwei deutschsprachige Lexikon-Projekte:

bei http://www.xipolis.net/ kann man etliche bekannte Lexika wie Brockhaus, Kindler, Duden usw. durchsuchen. Gefundene Artikel sind wenn sie recht klein sind kostenlos, aber bei groesseren Artikeln muss man zahlen. Dafuer kann man Punkte kaufen, z.B. 1000 Punkte zu 50 Mark. Artikel haben dann z.B. 30 Punkte, was 1,50 DM entspricht. Ich denke, so schlecht ist das gar nicht. Schliesslich sucht man ja nicht dauernd nach irgendwas, und wenn man mal hin und wieder Auskunft ueber eine Stadt, ein Land, eine Person der Zeitgeschrichte oder sonstwas braucht, sind z.B 1,50 fuer einen ein- bis zweiseitigen, "echten" Lexikonartikel nicht zu viel verlangt. Vor allem, wenn man das mit dem Anschaffungspreis all der Lexika vergleicht und der Tatsache, wie schnell einmal gekaufte Lexika veralten.

Doch dann gibt es noch http://www.encarta.msn.de/. Da wird nicht lange rumgefackelt - Suchbegriff eingeben, und los gehts. Kostenlos, sauber hypertextuell aufbereitet, fuer die meisten Recherchen sicherlich ausreichend. Und auch wenns von M$ ist ... wenn man auf die Schnelle mal was suchen will, geht man vermutlich eher dorthin, als sich bei der Konkurrenz erst mal eine Prepaid-Card mit Punkten zu kaufen. Das Angebot lebt davon, dass es nicht vollstaendig den Inhalt der bekannten Encarta-CD enthaelt und z.B. auf multimediale Elemente verzichtet. Das Konzept scheint also zu sein, die Leute mit den Inhalten im Netz so weit zu ueberzeugen, dass sie sich davon angelockt vielleicht auch mal die CD mit den "Mehrwerten" zulegen. Ob diese Rechnung aufgeht, sei dahin gestellt. Versucht wirds jedenfalls, und ich faende es durchaus nicht schlecht, wenn die Rechnung aufgeht. Denn so ist ein ordentliche kostenloses Informationsangebot im Netz, und zahlen tut man nur, wenn man "auf nichts verzichten will".

Wenn die Sache mit dem Micropayment erst mal technisch so ausgereift ist, dass es problemlos moeglich ist, koennte sich allerdings alles das noch mal aendern. Wobei ich dabei gerne zwischen zwei Sorten Micropayment unterscheiden wuerde: first-buy-then-see und first-see-then-decide-to-buy. Bei ersterer Variante bekommt man z.B. auf einer vorgeschalteten Seite eine Warnung, dass von da an jeder weitere Seitenaufruf 20 Pf. kostet. Bei der letzteren Variante hat man z.B. auf jeder Seite einen Link "Seite mit 20 Pf. honorieren", bei dessen Anklicken einem 20 Pf. abgebucht werden.

Ich stehe - besonders der letzteren Variante - des Micropayments gar nicht so negativ gegenueber. Ich selber faende es beispielsweise schoen, wenn ich von dem Web-Angebot hier leben koennte. Fuer das Angebot hier waere das sicher nicht nachteilig.

viele Gruesse
  Stefan Muenz