Pascal Reckmann: Typisierte Links – Auf der Suche nach Meinungen

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Hallo Olli!

Da ich ja ein paar Threads weiter unten versucht habe, Hypertext und Textlinguistik zu thematisieren, fühle ich mich jetzt natürlich in der Pflicht, dir zu antworten. Dazu kommt aber auch ein ehrliches Interesse am Thema.

in HTML existieren nach gängiger Meinung keine sprachinternen Möglichkeiten, typisierte Verweise zu setzen - jedenfalls keine solchen, die die gängigen Browser umsetzen können:

Nur mal nebenbei: Es wundert mich sowieso, dass die Unis sich nicht mehr in HTML, Browser und Hypertext werfen. Aber vielleicht weiß ich auch einfach nichts davon. Wenn sich die Informatiker mal mit den Linguisten zusammentun würden und dem Geist vom W3C und Selfhtml folgen würden und dann einen eigenen, firmenunabhängigen Browser, vielleicht sogar mit Editor, entwerfen würden, wäre das eine tolle Sache.

„Alle Verweise in HTML haben den gleichen Aufbau [...]. Das vereinfacht die Syntax, hat aber auch Nachteile: es gibt nämlich keine Verweise für bestimmte Aufgaben.“
(SELFHTML 7.0 [tcfa.htm])

SELFHTML sieht  typisierte Verweise aber ebenfalls als sinnvoll an und rät dem Hypertext-Autor daher folgendes:

„Bei komplexeren Projekten sollten Sie sich überlegen, wie Sie dem Anwender die Vielzahl der Verweise mit unterschiedlicher Bedeutung intuitiv zugänglich machen. Ein sinnvoller Weg ist, den Verweisen kleine Symbolgrafiken voran-zu-stellen [...] Durch aussagekräftige Symbole können Sie dem Anwender sofort signalisieren, um welche Art von Verweis es sich handelt.“
(SELFHTML 7.0 [tcfa.htm])

Ja, das ist ja in Selfhtml mit den Flaggen bei externen Links und dem Auge bei Anzeigebeispielen ganz nett gelöst.

Daß beim heutigen Stand der Technik solche Umwege zur Typisierung von Links gegangen werden müssen, erstaunt, wenn man sich die programmatischen Anfänge des WWW vor Augen führt.

Naja, was heißt Umwege? HTML bietet ja die Möglichkeit, multimediale Elemente einzubinden, also auch ikonische Zeichen. Dabei wird die Sprache HTML recht einfach gehalten, das ist doch ein guter Ansatz.
Außerdem gibt es ja das title-Attribut, dass aber meines Wissens nach nicht alle Browser interpretieren (NN 4.7 auf jeden Fall nicht).

In seinem Aufsatz „Information Management: A Proposal“ von 1989 schreibt Berners-Lee über ein geplantes Informationssystem des Forschungszentrums CERN und erläutert, warum sich das Hypertext-Konzept dafür als besonders nützlich erweisen könnte:

„a "web" of notes with links (like references) between them is far more useful than a fixed hierarchical system. When describing a complex system, many people resort to diagrams with circles and arrows. Circles and arrows leave one free to describe the interrelationships between things in a way that tables, for example, do not. The system we need is like a diagram of circles and arrows, where circles and arrows can stand for anything. [...]
The arrows which links circle A to circle B can mean, for example, that A...
depends on B
is part of B
made B
refers to B
uses B
is an example of B“
(http://www.w3.org/History/1989/proposal.html)

Auch in den ersten Design Issues zu HTML (WC3 1990) wird sich für typisierte Links ausgesprochen, eventuell mit dem voreingestellten Wert untyped für Links, die vom Autor nicht explizit ausgezeichnet worden sind.

Interessanterweise bieten die aktuellen Sprachspezifikationen von HTML tatsächlich Möglichkeiten, bestimmte semantische Zusatzinformationen für Links zu geben:

„ [...] authors may insert links in their documents that express other relationships between resources than simply "activate this link to visit that related resource". Links that express other types of relationships have one or more link types specified in their source anchor. The roles of a link defined by A or LINK are specified via the rel and rev attributes.“
(http://www.w3.org/TR/1998/REC-html40-19980424)

Das Attribut rev eignet sich zur Definition bidirektionaler Links, rel zu einer hierarchischen Typisierung der Beziehung zwischen zwei Knoten. Dies und die möglichen Relationen selbst werden ja in SELFHTML auch beschrieben.

Ja, leider wird das ja auch noch nicht entsprechend von den Browsern umgesetzt.

Nun, lange Vorrede - (relativ) kurze Frage(n): Ich beschäftige mich momentan mit Möglichkeiten, Links zu typisieren. Die konkrete technische Realisierung ist hierbei zweitrangig. Ich schaue primär, was für mögliche Vokabulare überhaupt zur Link-Typisierung exisiteren (z.B. die möglichen Werte des rel-Attributs in HTML sind ein solches Vokabular). Meine Frage an euch ist nun: Macht es eurer Meinung nach überhaupt Sinn, Links zu typisieren?

Ich vermute schon. Die Beziehungen von Link zu Zielknoten können ja vielfältig sein. Es kann weiterführende Information sein oder Hintergrundwissen. Die Sprache des Ziels kann interessant sein. Außerdem kann man zumindest mal überlegen, ob es Sinn macht (vielleicht macht es das aber nicht), nach Beziehungen zu schauen, wie sie zwischen Haupt- und Nebensatz bestehen, also etwas kausal, konzessiv, temporal, etc.

Auch Beschreibungen wie Teil-Ganzes-Beziehungen könnten hilfreich sein. Wenn in einem Text über HTML der Link "SGML" auftaucht, geht er in Richtung Überkonzept, umgekehrt ginge er in Richtung Teilmenge.

Oder glaubt ihr eher, daß solche Etiketten den Lesefluß stören?

Wenn jedes dritte Wort ein Link ist mit einem ausführlichen title-Fenster, ist es gut möglich, dass das kontraproduktiv wirkt.

Wenn ihr typisierte Links prinzipiell gut findet, wie sollten eurer Meinung nach die Etiketten realisiert werden? Durch Symbole (wie etwa auch in SELFHTML), farblich oder durch Mouse-Over-Texte? Was für Link-Typen würdet ihr euch wünchen? Medial (so wie bei Sport1, wo unterschieden wird, ob der Link zu einem Video, einem Interview etc. führt), pragmatisch (etwa der Typ BEISPIEL bei SELFHTML) oder etwas ganz anderes?

Tod und Verderben den Mouse-Over-Texten, wenn damit die unrechtmäßige Enteignung der Statuszeile durch JavaScript gemeint ist.
Die Symbole in Selfthtml sind hervorragend, intuitiv und zweckgerecht. Wenn man sich vielleicht ein bisschen an Millers "The magical number 7 plus/minus 2" hält und bedenkt, dass der RAM-Speicher des Menschen wohl nur soviele "chunks" gleichzeitig verwalten kann, sollte man es nicht übertreiben mit den Icons, sondern auch noch title-Attribute setzen. Und wenn der Browser sich auch noch beteiligt, indem er was Tolles mit rel und rev und so macht, gibt es schon ein drittes System für bestimmte Aufgaben (meinetwegen Rückverweis aus Fußnoten).

Also, viele Grüße, Pascal