Michael N.: Wofür ich gern meine Zeit verschwende... ;o)

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Hallo Bio,

Ein angehender Publizist teilte mir neunlich, sehr zu meinem Ärger, mit, daß das Verwenden überlanger Sätze mit wirr verschachtelten oder scheinbar wirr verschachtelten oder zumindest für den Durchschnittsbürger wirr verschachtelt erscheinenden Nebensätze in grosser Zahl entgegen meiner Überzeugung weder Zeichen eines guten Gebrauchs unserer Muttersprache noch ein Zeichen guten Stils noch in den allermeisten Zusammenhängen sinnvoll sei. Vielmehr werde als guter Gebrauch der Sprache das Verwenden von verständlichen, sinngemäß strukturiert kaskadiert aufeinanderfolgenden, kurzen Hauptsätzen angesehen. Bild' Dir Deine Meinung!

Netter Satz, aber das ist noch kein Meisterwerk.

Damals, in meinem Studium (kath. Theologie) mußte ich mich auch hin und wieder mit Texten eines der berühmtesten deutschen katholischen Theologen und Konzilsvaters, der maßgeblich die deutsche Theologie, noch über seinen Tod hinaus, insbesondere im Bereich der Dogmatik, geprägt hat und der auch maßgeblich die deutsche katholische Kirche in ihrer inhaltlichen Aufarbeitung des zweiten vatikanischen Konzils beeinflußt hat, beschäftigen; Karl Rahner, so hieß dieser berühmte katholische Theologe aus dem Jesuitenorden, ist auch heute noch in der katholischen Theologie dafür berühmt - und bei den Studenten der katholischen Theologie berüchtigt, daß er, dann auch noch sehr komplexe Gedankengänge, die er in seinen Werke ausführlich ausbreitet, über ganze Seiten hinweg in einem Satz verfolgt, er benutzte dazu an Satzgliederungselementen nur das "und", das Komma (","), das Semikolon (";") und den Gedankenstrich ("-") für Nebenbemerkungen - in dieser Satzbautechnik ist er aber auch ein Meister, gegen den ich hier, trotz aller Bemühungen, nur dilletiere - trotz der länge seiner Sätze ist aber, für den Fachleser, der auch in vielen Fällen die Zielgruppe seiner Texte ist, das Werk Rahners immer noch verständlich, man muß halt hin und wieder im Lesen versuchen, sich auf den Anfang und die Anfangsintention des Autors zurückbesinnen, dazu ist aber auch neben dem guten Gedächtnis auch ein gerütteltes Maß an Fachverständnis und Einblick in den Sinnkontext seiner Aussagen im Zusammenhang mit dem Gesamttext und seiner theologischen Ausrichtung notwendig.

Ich denke anhand dieses kleinen Satzes, der niemals Rahnersches Format erreichen kann, konnte ich klarmachen, daß unter Umständen auch ganz komplizierte und vielschichtige Aussagen in nur einem Satz möglich sind, wobei ich natürlich nicht negiere, daß man bei solchen Sätzen als Leser außerordentlich beansprucht wird und sich mit voller Konzentration der Satzaussage hingeben muß, was leider unserer heutigen schnellle(b/s)igen Gesellschaft, die sich eher mit Kurzsätzen beschäftigen will und der es schon zuviel wird, einen mehr als zweiteiligen Satz im Kontext aufzunehmen und zu verstehen, entgegenspricht, andererseits kann man gerade hier im Forum auch immer wieder beobachten, daß Menschen doch nicht nur der Kurzlebigkeit frönen, sondern auch gerne in den Sinn hinter den Dingen schauen, was ja durchaus, auch im Rahmen der heutigen Zeit, sinnvoll ist.

Uff, das war jetzt ein schwieriges Formulieren, Ich hoffe es überanstrengt hier keinen, aber ich denke der eingewöhnte Forumsleser, der gerne immer wieder hinter das "Rush 'n Click" schaut kann auch aus diesen Sätzen etwas mitnehmen zur Diskussion.

Wichtig bei der Formulierung solcher Mammutsätze ist, daß man, auch als Schreiber, versucht, den gesamten Satz in einem Bogen zu führen und nicht wirr sondern sinnvoll verschachtelt.

Bis denndann

Michael N.