Freiheit der Wissenschaft als Open Access?
Bertold Bernreuter
- sonstiges
Liebe Forumsleserinnen und -leser!
Vor Kurzem ist die Budapest Open Access Initiative (BOAI) an die Öffentlichkeit getreten: Sie versteht sich als ein Projekt, dass die freie Zugänglichkeit von wissenschaftlicher Literatur in Internet propagiert. Die Initiative, die vom Open Society Institute von George Soros gesponsert wird, will als breites Sammelbecken für verschiedene Initiativen zum Free Online Access im Wissenschaftsbereich fungieren. Sie knüpft damit in einem breiteren Rahmen an akademische Initiativen an, die Ähnliches im Bereich der Naturwissenschaften schon länger betreiben, wie etwa die Public Library of Science: http://www.publiclibraryofscience.org/
BOAI empfiehlt das OAI Protocol for Metadata Harvesting, das von der Open Archives Initiative (OAI) entwickelt wurde und auf dem die bekannte Open-Source-Archivierungssoftware EPrints basiert.
Wichtiger erster Schritt ist ein Initiativaufruf, der von interessierten Einzelpersonen und Institutionen, die sich dem Ziel des Open Access verpflichtet fühlen, unterzeichnet werden kann:
http://www.soros.org/openaccess/g/read.shtml
Open Access wird darin folgendermaßen verstanden:
"Frei zugänglich im Internet sollte all jene Literatur sein, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne Erwartung, hierfür bezahlt zu werden, veröffentlichen. Zu dieser Kategorie gehören zunächst Beiträge in Fachzeitschriften, die ein reguläres Peer-Review durchlaufen haben, aber auch z.B. Preprints, die (noch) nicht begutachtet wurden, und die online zur Verfügung gestellt werden sollen, um Kollegen und Kolleginnen über wichtige Forschungsergebnisse zu informieren bzw. deren Kommentare einzuholen. Open access meint, dass diese Literatur kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich sein sollte, so dass Interessierte die Volltexte lesen, herunterladen, kopieren, verteilen, drucken, in ihnen suchen, auf sie verweisen und sie auch sonst auf jede denkbare legale Weise benutzen können, ohne finanzielle, gesetzliche oder technische Barrieren jenseits von denen, die mit dem Internet-Zugang selbst verbunden sind. In allen Fragen des Wiederabdrucks und der Verteilung und in allen Fragen des Copyright überhaupt sollte die einzige Einschränkung darin bestehen, den jeweiligen Autorinnen und Autoren Kontrolle über ihre Arbeit zu belassen und deren Recht zu sichern, dass ihre Arbeit angemessen anerkannt und zitiert wird."
Die Diskussion zur freien Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Texten im Internet wirft einige Probleme auf. Auf der einen Seite steht ein Verständnis der Freiheit von Wissenschaft und Forschung, das auch die freie Zugänglichkeit ihrer Ergebnisse als ein allgemeines Menschheitsgut umfasst. Dem gegenüber stehen die Interessen der Verlage und mancher Autoren hinsichtlich einer kommerziellen Verwertung der Ergebnisse. Die Open Access Initiative scheint hierin eine extreme Position vermeiden zu wollen und fordert nur freie Zugänglichkeit von Texten, die von ihren Autoren nicht mit Gewinnabsicht zur Veröffentlichung frei gegeben wurde. (In vielen wissenschaftlichen Zeitschriften werden keine Autorenhonorare gezahlt.)
Mich erinnert die Diskussion ein wenig an ähnliche Diskussionen um Software-Produkte, wo ja in ähnlicher Weise weder die volle Zugänglich- und Verwertbarkeit eines Quellcodes noch der Schutz auch noch des gängigsten und simpelsten Algorithmus sinnvoll erscheint.
Ein wichtiger Aspekt in diesen Diskussionen scheint mir die Chance zu sein, das in der Wissenschaft (ebenso wie in der Software-Entwicklung) extreme Nord-Süd-Gefälle durch die freie Verfügbarkeit bedeutender Forschungsergebnisse im Internet wenigstens ansatzweise zu mildern. Von gleichen Ausgangsbedingungen zwischen Ländern des Nordens und Südens sind wir damit sowieso immer noch meilenweit entfernt, so einfach und schnell lässt sich der Digital Divide nicht kitten - der „Academic Divide“ ebenso wenig. Doch die Budapest Open Access Initiative macht meiner Meinung nach einen Schritt in die richtige Richtung, um sich diesen Problemen zu stellen, - nicht mehr, aber immerhin das. Deswegen hat sie meine Unterstützung.
Was denken andere dazu?
Budapest Open Access Initiative:
http://www.soros.org/openaccess/
Initiativaufruf:
http://www.soros.org/openaccess/g/read.shtml
Unterstützungsmöglichkeiten:
http://www.soros.org/openaccess/help.shtml
Open Archives Initiative (OAI):
http://www.openarchives.org/
Archivierungssoftware EPrints:
http://www.eprints.org/
Beste Grüße,
Bertold Bernreuter
Hallo!
Ich habe mir deren Website mal angesehen und muss gestehen, dass mir nicht ganz klar ist, was sie mir dem vielen Geld von George Soros eigentlich genau anstellen wollen. Die Unterstützungserklärung ist ja schön und nett, aber über ihre weiteren konkreten Projekte schweigen sie sich ein wenig aus.
<zitat>
Gefördert werden:
Ich weiß nicht, aber mit einer Million Dollar könnte man, glaube ich, mehr anstellen. Konkrete Open-Access-Zeitschriften unterstützen sie etwa überhaupt nicht. Die Zielsetzung finde ich nämlich grundsätzlich sehr unterstützenswert.
Rainer
Ich habe mir deren Website mal angesehen und muss gestehen, dass mir nicht ganz klar ist, was sie mir dem vielen Geld von George Soros eigentlich genau anstellen wollen. Die Unterstützungserklärung ist ja schön und nett, aber über ihre weiteren konkreten Projekte schweigen sie sich ein wenig aus.
<zitat>
Gefördert werden:
- die Entwicklung von Geschäfts- und Finanzierungsmodellen des Self-Archiving und für open access-Fachzeitschriften;
- die Nutzung von Bibliotheksnetzwerken (wie das "Electronic Information for Libraries consortium", dem derzeit 40 Länder zugehören, siehe www.eifl.net) zur Mobilisierung weltweiter Unterstützung für die open access-Bewegung;
- die Unterstützung von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus einkommensschwachen Ländern und Regionen, damit sie in open access-Fachzeitschriften, die Gelder für die Veröffentlichung und Verbreitung von Beiträgen verlangen, publizieren können;
- die (Weiter-) Entwicklung von Software für open access-Zeitschriften und für das Self-Archiving (Indexierung und Navigation);
- die Verbreitung der Philosophie des open access bei staatlichen und nichtstaatlichen Fördereinrichtungen und Stiftungen, bei Bibliotheken und Universitäten, bei Regierungsstellen und Politikern und Politikerinnen, und bei international operierenden Institutionen.
</zitat>
Das ist doch eine ganze Menge, findest du nicht? Es muss nur mit Leben gefüllt werden!
Gruß, Bettina