Moin!
Letztendlich bleibe ich dabei: ein funktionierendes Sicherheitssystem kann der Open-Source-Gemeinde nur gut tun. Was besseres kann ihr kaum pasieren. Vielleicht sollte sie da mit etwas mehr Sachkenntnis und Energie reagieren, als ich bisher zumindest aus den Äußerungen entnehmen kann. (Wobei ich zugebe, daß ich die Materie auch noch kaum kenne, vielleicht ist der Gesetztesvorschlag wirklich Bockmist, aber das wurde von den meisten pawlischen Zuckern kaum nachgewiesen.... ich fürchte eher, hier wird eine Chance vertan....und sei es, einen Gegenvorschlag zu starten....)
Der Gesetzentwurf _ist_ Bockmist, und ich erkläre das auch gerne:
Der Entwurf fordert offenbar ganz simpel, daß Software künftig das ungenehmigte Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken verhindern muß.
Wie zum Teufel soll solch eine allgemeine Forderung erfüllt werden können? Der Computer ist die gesamte Zeit seines Lebens nur am Kopieren: Von der Festplatte ins RAM, vom RAM in den Cache, vom Cache in die CPU, von der CPU zurück in Cache und RAM, und wieder auf die Festplatte, manchmal auch ins Netzwerk... ohne Kopieren geht da garnichts.
Es gibt nun aber urheberrechtlich geschützte Werke, die genau den gleichen Weg gehen müssen: Von der DVD ins RAM, vom RAM in die CPU, von der CPU wieder ins RAM oder ins Video-RAM. Der Abspielvorgang ist ein absolut erlaubter Vorgang. Das Schreiben der Daten auf eine weitere DVD oder des dekodierten Films auf Festplatte ist aber urheberrechtlich möglicherweise verboten (wobei man sich da ja prima streiten kann: Wenn ich eine gekaufte, ordentliche Kopie habe, warum sollte ich die nicht auf die Festplatte meines Laptops packen, um sie mobil ansehen zu können? Das deutsche Urheberrecht erlaubt es.).
Es muß also programmtechnisch verankert sein, daß das Abspielprogramm von DVD lesen kann, aber ausschließlich auf den Monitor ausgibt, nicht jedoch auf Festplatte.
Und wenn es ein Open-Source-Programm ist, dann kann man im Quelltext nachlesen, wie diese Sperre realisiert ist - und sie eben manuell wieder ausbauen. Man hat dann ein schönes Abspielprogramm, welches den Datenstrom eben zusätzlich auch auf Festplatte ablegen könnte, und so prima zum Kopieren geeignet ist. Genau deshalb gibts derzeit keine Open-Source-DVD-Abspieler, weil dazu der Schutzmechanismus der DVDs allgemein bekannt würde (wenngleich er ja ohnehin schon geknackt ist und praktisch öffentlich verfügbar ist - siehe DeCSS).
Wenn das Gesetzt also Software verbietet, die keine Schutzmechanismen unterstützt bzw. diese unterläuft, und mit Open-Source genau sowas möglich ist - wird dann Open-Source verboten?
Das Problem beschränkt sich nicht auf DVDs. Vor allem sind wohl zuerst CDs im Visier, weil der MP3-Tausch scheinbar zuviel Umsatzeinbußen zur Folge hat. Aber sobald CDs per Gesetz geschützt sind, werden die Hersteller von DVDs (was ja meist die gleichen Firmen sind) nachziehen wollen. Und dann die Hersteller von Büchern und Bildern, womit sich das Problem nicht auf Player beschränkt, sondern auf alle möglichen Anwendungen von Software: Bücher werden mit Textverarbeitungen geschrieben. Also müssen Textverarbeitungen bereits bestehende Texte auch irgendwie urheberrechtlich schützen. Was aber, wenn ich in einem Text einen anderen Text nur zitiere? Darf ich deswegen nicht mehr speichern?
Und was, wenn ich den Text einfach abtippe? Werde ich dann auch am Speichern gehindert, oder erzeuge ich damit womöglich einen eigenen, urheberrechtlich neu geschützten Text? Wer entscheidet eigentlich, wo Urheberrechte entstehen? Schließlich kann ich genauso Autor sein, wie "die Industrie" (was bei der ganzen Geschichte leider ziemlich oft übersehen wird). Wenn also diese Mechanismen mich daran hindern, meine eigenen Werke zu vervielfältigen, weil ich es mir nicht leisten will, einen passenden Schlüssel oder was auch immer zu besorgen (was sicherlich eine Stange Geld kostet), dann könnte ich z.B. meine Urlaubsvideos nicht mehr schneiden (DV-Kameras liefern das Signal digital ab, was sehr schön und ohne teure Hardware auf Festplatte speicherbar ist). Oder Aufnahmen auf CD speichern (ja, manche Leute erzeugen immer noch eigene Inhalte - das muß keine Musik sein, Sprache reicht vollkommen aus).
Abgesehen von all den Schwierigkeiten: Würde es überhaupt funktionieren, dann hätte die Industrie mittlerweile schon einen wirksamen Kopierschutz gebaut. Alle Mechanismen basieren aber darauf, daß eine Software einfach etwas nicht tut, was technisch locker möglich wäre, aber eben illegal. Statt aber denjenigen, der illegales tut, mithilfe der bisherigen Gesetze zu verfolgen und zu bestrafen, wird einfach das Programmieren von Software, welche tut, was möglich ist, als illegal gebrandmarkt, ohne sich über die Folgen im Klaren zu sein, die aus solch einer allgemeinen Forderung ergeben.
Hier stoßen einfach zwei Welten aufeinander: Die traditionelle Closed-Source-Geschäftswelt, die daran glaubt, daß es geistiges Eigentum gibt, welches man anderen Leuten zur Nutzung verkaufen kann, ohne ihnen das Wissen zu geben (was leider nicht funktioniert: Ich kann ja nicht eine Information benutzen, ohne sie zu wissen, ein Musikstück hören, ohne es kennenzulernen, einen Text lesen, ohne ihn zu verstehen und zu behalten), und die Open-Source-Gemeinde, welche zumeist nicht an geistiges Eigentum glaubt, sondern vielmehr daran, daß es verschiedene Wege gibt, um ein Problem zu lösen, daß aber niemand, der zuerst solch eine Lösung gefunden hat, diese für sich beanspruchen kann, weil eben tausend andere Leute auch auf diese Lösung gekommen wären, bzw. eben auf andere, bessere Lösungen, und die dadurch, daß jemand einen Mechanismus allein benutzen darf (die anderen nur gegen Bezahlung), den Fortschritt beeinträchtigt sehen.
Ich hoffe, die Problematik wird jetzt klarer. :)
- Sven Rautenberg