Moin!
Leider ist keiner der sogenannten Kriegsgegner bereit, einmal detailliert Auskunft zu geben, gegen was sie eigentlich sind. Sind sie gegen _den_ Krieg oder gegen Krieg im allgemeinen? Unter welchen Umständen halten sie Krieg für gerechtfertigt oder legitimiert? Mit UNO-Beschluss? Verteidigungskriege?
[...]
Wie hies es doch so schön in der FAZ:
"Ich bin kein Kriegsbefürworter; ich bin Kriegsgegnergegner."
Das Problem, was ich mit den Anti-Kriegs-Demonstrationen habe, ist, dass sie rückwärtsgewandt agieren: "Den Krieg stoppen, der niemals hätte beginnen dürfen." Also am besten die Zeit zurückdrehen.
Sicher, ich hätte es auch lieber, dass der Krieg erst gar nicht begonnen hätte, aber man sollte doch ein gewisses Maß an Realismus an den Tag legen: Würde der Krieg jetzt einfach gestoppt, wäre das vermutlich das Schlimmste, was passieren kann. Saddam würde mächtig Auftrieb bekommen, die arabische Welt, insbesondere die Extremisten, würden sich ziemlich stark fühlen, Bush und Blair hingegen hätten vermutlich um ihr politisches Überleben zu kämpfen, und die Menschen im Kriegsgebiet um das tatsächliche Überleben. Vermutlich würden alle Parteien den kürzeren ziehen, bis auf Saddam. Mit anderen Worten: Es gibt gar keinen anderen Ausweg, als dass Amerika diesen Krieg erfolgreich beendet.
Die Demonstrationen sollten sich viel lieber auf die Gestaltung der Zukunft stürzen. Es bedarf vermutlich einer Überarbeitung des UNO-Sicherheitsrats, zumindest aber darf kein Land ohne Genehmigung der UNO in einem anderen Land militärisch intervenieren.
Außerdem gibts noch die Baustelle "Europa". Ich würde mir wünschen, dass Europa als Staatenverbund ein stärkeres Gewicht in der Weltpolitik erhält. Das kommt aber nicht von allein, sondern nur durch bessere Zusammenarbeit. Im Speziellen durch eine abgestimmte, gemeinsame Außenpolitik. Denn so, wie es gelaufen ist, ist die politische Lage in Europa einfach Müll. Europa braucht ein europäisches Außenministerium.
Und als dritte Ruine, deren _sinnvolle_ Reaktivierung durchaus wünschenswert wäre, verbleibt die NATO - derzeit ohne echte Aufgabe etwas in der Bedeutungslosigkeit versunken. Dem Sicherheitsrat bzw. der Vollversammlung wird ja vorgeworfen, dass nur eine Minderheit der Staaten Demokratien sind - dass solch ein Gremium demokratische Entscheidungen fällt, geht eigentlich gar nicht. Die NATO hingegen könnte sich durchaus zu einem militärischen Bündnis demokratischer Staaten ausweiten. Möglich, dass das absurd erscheint, aber irgendwie behagt es mir durchaus, noch eine zweite, demokratische Organisation in der Hinterhand zu haben, wenn die UNO doch mal wieder entscheidungsunfähig daniederliegt - bei der derzeitigen Gestaltung jedenfalls. Und als Argument für soetwas wird ja immer wieder gern der Yugoslawien-Konflikt genommen, bei dem die NATO auch ohne UNO-Mandat eingegriffen hat, um eine "humanitäre Katastrophe" (eigentlich ein zu harmloser Begriff) abzuwenden.
Es gibt also mehr als genug Dinge, _für_ die man protestieren könnte, um sie, weil gerade wieder umwälzende Zeiten sind, etwas zu beschleunigen oder überhaupt erst anzustoßen, anstatt immer nur _gegen_ etwas zu protestieren. Das "Bin dagegen"-Gehabe geht mir nämlich ziemlich auf den Keks - jeder ist irgendwann mal gegen irgendwas. Wenn sich jeder durchsetzt, passiert aber schlicht gar nichts.
- Sven Rautenberg
Signatur oder nicht Signatur - das ist hier die Frage!