molily: »behindertengerecht«

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Hallo,

behindertengerecht

Der große Nachteil des Großen Forumscrash(TM) vor einigen Woche für mich ist, dass unter den verlorenen Postings ein Posting von mir war, welches eine Art definitive Endabrechnung mit dem Wort »behindertengerecht« war, auf welches ich immer wieder verlinken wollte. ;)

Noch einmal in Kürze: Das Wort »Barrierefreiheit« sowie die damit verbundene Vorstellung baut nicht auf der diskriminatorische Praxis auf, welche dualistisch zwischen eingeschränkten Menschen und denjenigen Menschen unterscheidet, welche alle Barrieren, gleich welcher Art, problemlos meistern. Dies führt nämlich im Web meist dazu, dass die zugrunde liegenden Kernprobleme nicht erkannt werden und meist nur Alibiänderungen stattfinden.
Als »Barriere« kann im Web alles Mögliche gelten und somit auch für verschiedene Menschen aufgrund verschiedener Voraussetzungen und Unterschiede zu einer Einschränkung werden - der Seitenautor sollte sich diesen Unterschieden bewusst werden und ihnen soweit es geht begegnet. Es gibt unzählige problematische Fälle, in welchem Regeln der Benutzbarkeit (Usability) oder Kommunikation missachtet werden, auch dies kann zu einer Barriere führen, genauso »Optimized for ...« und ähnlicher Quatsch. Weiterhin kann zu kleine Schrift eine Barriere sein, unabhängig davon, ob der Benutzer von schwerer Fehlsichtigkeit betroffen ist, der Seitenautor muss damit rechnen, dass der Benutzer eine bestimmte Zugangstechnik verwendet, welche es ihm nicht erlaubt, Seiten in ihrem vollen grafische Umfang zu betrachten, dem muss der Seitenautor entgegensteuern, sodass eine Barriere vermieden wird. Ein unnötig mit selbstverliebten Sprachspielereien und Fremdwörtern angereicherte Text (Beispiel: MH) kann auch vielen den Zugang verwehren, ohne dass jemand sie als grundsätzlich in ihrer Denkfähigkeit eingeschränkt bezeichnen würde. Sicherlich ist es auch wichtig, dass spezielle alternative Ausgabemedien berücksichtigt werden, welche meist von stark eingeschränkten Menschen benutzt werden; diese vorbeugende Vermeidung von potenziellen Barrieren hat in der Regel Vorteile für *jeden* Besucher/Leser, der auf irgendeine Weise von vielen Webseiten behindert werden könnte, und dazu muss er nicht einmal »behindert« im landläufigen Sinne sein (eine Webseite, welche jedem ein »Sie bleiben leider dumm« entgegenwirft, ist dafür ein Musterbeispiel), wenngleich die Unterschiede der Menschen und der Zugangsumgebungen bekannt sein müssen, um mögliche Barrieren zu entdecken.
Barrierefreies Webdesign ist folglich kein beziehungsweise nicht nur ein »Webdesign für Behinderte«, es geht nicht darum, starr die Belange von beispielsweise Blinden oder motorisch oder kognitiv schwer eingeschränkten Menschen als ultimativen Maßstab für jegliche Überlegungen zu anzusehen, es ist eine viel komplexere und vielfältige Materie. Es geht in jedem Fall - sozusagen lediglich - um »gracefully degradation«, eine geschmeidige Herabstufung, somit sind barrierefreie Seiten nicht per se hässlich, langweilig oder sonstwie öde, weil HTML dutzende eingebaute Zugänglichkeits- und Kompatibilitätsfähigkeiten bietet.
Barrierefreiheit beziehungsweise Zugänglichkeit vereinigt Benutzbarkeit für alle, Kompatibilität/Interoperabilität und Standardkonformität in einem Begriff, all dieses wird sich in den WCAG wiederfinden. Das Problematische am Begriff »behindertengerecht« ist nicht, dass eine zugängliche Seite nicht auch den landläufig als behindert bezeichneten gerecht wird, insofern ist behindertengerecht ein Teil von Zugänglichkeit, sondern darin, dass viele glauben, sie hätten eine zugängliche Seite, wenn sie irgendwie eine Alternativversion für »die Behinderten« einbauen. In diesem Kontext ist das Wort gleichzusetzen mit Seiten, welche durch lahme DHTML-Menüs und zahllose nervige Effekte, einer undurchschaubaren Sitestruktur, einer unverständlichen Navigation und einem chaotischen Projektaufbau einerseits brillieren und ohne die negativen Auswirkungen im Gesamtzusammenhang zu begreifen andererseits eine Textversion »für Behinderte« anbieten - man kann nur immer wieder http://www.barrierefreies-webdesign.de/knowhow/nurtext/ nennen - und davon sprechen, sie hätten die BITV erfüllt. Gerade bei solchen wie die hier vorgestellte Seite sind diese Entwicklungen momentan sehr stark zu erkennen; Webautoren, welche sich bisher nicht um eine einzige genannte Komponente gekümmert haben, versuchen nachträglich und genauso unwissend und starrsinnig wie bisher, ihre Seiten barrierefrei zu machen, und schaffen es dennoch nicht einmal, den stark eingeschränkten gerecht zu werden, nennen es aber »behindertengerecht«.

Ich weiß, dass du das vermutlich weißt, aber bitte verwende dann nicht diesen Begriff, welcher die Zugänglichkeit meiner Auffasung nach verhöhnt. Ich wollte auch nicht dich kritisieren, sondern lediglich einige generelle Worte dazu sagen. Ich weiß auch übrigens, dass die Verwendung von »behindertengerecht« viele, welche sich mit Barrierefreiheit beschäftigen, nicht stört, insofern ist es lediglich mein persönliches Verständnis von Barrierefreiheit und die Bitte, Sprache präziser zu verwenden, da »behindertengerecht« bei zuvielen Vorurteile und Missverständnisse hervorruft.

Grüße,
Mathias

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